Brilon. Heinz Heinemann aus Brilon ist seit Jahrzehnten Fan des FC Bayern München. Dem Rekordmeister drückte er schon in drei Champions-League-Endspielen im Stadion die Daumen - alle drei gingen verloren. Kein Wunder, dass ihn seine Freunde vom Bayern-Fanclub Brilon gebeten haben, auf eine Reise nach London zu verzichten. Und so soll der FC Bayern am Samstag im Wembley-Stadion ohne Heinz Heinemann gegen Borussia Dortmund gewinnen.

Es gibt Augenblicke im Leben, da muss man wohl zurückstecken. Auch oder gerade, wenn es sich um Fußball handelt. Diese Erfahrung machte jetzt unser Sportmitarbeiter Heinz Heinemann. Nicht ganz ernst gemeint, aber durchaus mit abergläubischem Unterton hat ihm der Briloner Bayern Fanclub nahe gelegt, nicht zum Champions-League-Endspiel nach London zu reisen.

Der Grund: Alle CL-Endspiele des FC Bayern, die Heinemann in Stadien in ganz Europa miterlebte, gingen verloren. „Und das“, so ein Mitglied, „können und wollen wir uns nicht mehr antun.“ So zeigten die Edel-Fans ihrem Mitstreiter kurzerhand die Rote Karte.

Auch Peter Tilli verzichtet auf Endspiel-Teilnahme

Heinz Heinemann hat volles Verständnis für die Bedenken seiner Kumpel. „Hauptsache Bayern gewinnt. Dafür bleibe ich dann auch zu Hause.“ Aber das fällt dem 56-Jährigen naturgemäß nicht leicht. Schließlich hat er vier CL-Endspiele seit 1999 vor Ort miterlebt und dabei viele Strapazen auf sich genommen - wie es sich für einen echten Fan gehört. Und er hat natürlich einiges erlebt.

Manche Episode klingt skurril, bisweilen erheiternd, manchmal fast abenteuerlich. „Aber es sind Erinnerungen, die ich bis auf die Niederlagen nie missen möchte“, so der Briloner, der auf allen Touren vom Fanclub-Vorsitzenden Peter Tilli begleitet wurde. Selbstlos und auf sanften Druck der Mitglieder verzichtet auch er auf die Endspiel-Teilnahme.

Doch der Reihe nach:

Alptraum-Endspiel gegen Manchester in Barcelona

Im Mai 1999 steht in Barcelona das Endspiel Bayern München - Manchester United auf dem Programm. Ein Alptraum, wie sich später herausstellt. Am Finaltag geht es in aller Herrgottsfrühe mit dem Flieger von Düsseldorf nach Frankreich. Die über ein Reisebüro gebuchte Tour sieht danach eine zweistündige Busfahrt über die Landesgrenze in die Hauptstadt Kataloniens vor. Mit dabei sind Freunde vom heimischen Fanclub. Vor Ort erwartet sie ein Hotel am Meer, allerdings ohne Zimmerbuchung, aber mit Unterhaltungsprogramm bis zum Anpfiff. „Mit in der Anlage waren auch Franz Beckenbauer und weitere Größen vom FC Bayern. Mit denen haben wir schon richtig gefeiert“, so Heinemann. Dann der Katzenjammer. In der Nachspielzeit verspielt Bayern München den sicher geglaubten Sieg. Totenstille nicht nur im Freundeskreis. Selbst das Bier schmeckt nicht mehr. Um 4 Uhr früh geht’s mit dem Flieger zurück nach Düsseldorf. Die Devise: Alles möglichst schnell vergessen.

2001 steht in Mailand das Endspiel gegen Valencia an. Sieben Briloner fahren nachts vor dem Spiel mit einem Bulli los. Gegen 10 Uhr ist Mailand erreicht. Die Suche nach einer Übernachtung beginnt. Nichts zu machen. Aber es gibt zunächst auch Wichtigeres zu tun. Denn nur zwei Briloner haben eine Eintrittskarte. Ein drittes Ticket erstehen die heimischen Fans am Stadion. Noch fehlen vier. Die Kartensuche beginnt. An einer U-Bahnstation werden vier Tickets für 1600 Mark angeboten. Über Handy warnt Peter Tilli: „Die könnten nicht echt sein.“ Aber wie sieht eine „Karten-Blüte“ aus? Zurück am Stadion werden die Tickets überprüft. Alle gefälscht. Heinemann macht die Probe aufs Exempel. Der Ordner kennt kein Erbarmen. Raus. Da stehen sie nun.

Final-Triumph von Mailand in Kneipe erlebt

Drei dürfen rein, vier bleiben draußen. Letztere, darunter Heinz Heinemann, gehen geknickt in eine Sportbar mit Fernseher. Zu allem Überfluss ist dort Alkoholverbot. Mit einem Geldschein lässt sich das regeln. Dann der Jubel: Nach Elfmeterschießen gewinnt Bayern. Und warum hat das Team gewonnen? Heute weiß man es: Heinemann war nicht im Stadion. Man feiert bis 2 Uhr. Dann geht’s mit dem Bulli durch die Nacht in Richtung München. Unterwegs werden noch Zimmer in der bayerischen Metropole gebucht. Ein kurzes Nickerchen im Hotel. Dann steht die Meisterfeier bis zum Abwinken in der Innenstadt auf dem Programm. Und was ist mit den 1600 Mark? Nur so viel: Es gibt viele blauäugige Bayern Fans in Mailand...

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Das dritte Endspiel 2010 in Madrid ist eine einzige Pleite. Inter Mailand gewinnt 2:0. „Nicht unverdient. Daher war die Niederlage nicht ganz so schlimm“, meint Heinemann rückblickend. Zwei Karten haben Tilli und er im Vorfeld erstanden. Doch die Reise gestaltet sich schwierig. Von Dortmund geht’s morgens mit dem Flieger zunächst nach Mallorca. Dort macht Heinemanns Sohn Urlaub. In dessen Hotelzimmer werfen sich die Briloner in ihre „Krachlederne“ und besteigen nachmittags das Flugzeug nach Madrid. Ankunft 18 Uhr. Von dort fahren sie ins Stadion. Nach der Partie feiern die Briloner die ganze Nacht mit Mailänder Fans. Um 8 Uhr sitzen sie wieder im Flieger nach Mallorca. Im Hotel des Sohnemanns machen sie sich erst mal frisch. Noch am gleichen Tag geht es zurück nach Dortmund.

Deprimierendes "Finale dahoam" im vergangenen Jahr

Das 4. Endspiel 2012 in München gegen Chelsea London endet deprimierend. Nach dem 1:1 nach Verlängerung verliert Bayern im Elfmeterschießen. Zu Acht sind die Briloner in München. Drei haben Tickets, fünf sind ohne angereist. Eine Karte können sie noch erstehen. Die wird verlost. Heinz Heinemann ist der Glückliche, er darf ins Stadion. Klar, dass Bayern nun verliert. Zwei Nächte hat man gebucht, aber alle wollen nach der Pleite sofort nach Hause. Dann bleibt man noch für einen Tag.

Der Übeltäter für die Niederlage ist rasch gefunden: Heinz Heinemann. Er verspricht seinen Kumpel noch vor Ort, kein Stadion mehr zu betreten, wo Bayern im CL-Endspiel steht. Und diesem Versprechen ist er bei drei Niederlagen und einem Sieg (hier war er ja bekanntlich nicht im Stadion) nun nachgekommen.

Der Fan-Logik zufolge kann es daher am Samstag nur einen Sieger geben . . .