Heilt die Zeit die Umwelt-Wunden durch den PFT-Skandal?
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Paderborn/Brilon. . Seit mehr als 13 Monaten versucht die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn der Giftspur auf den Grund zu gehen, die über die Möhne, die Möhnetalsperre bis zu Ruhr und Rhein führte. Der PFT-Skandal wird wohl als eine der größten Umweltstraftaten in die Geschichte Nordrhein-Westfalens eingehen.
Der unter anderem von einem Mais-Acker in Brilon-Scharfenberg ausgehende PFT-Skandal, der als eine der größten Umweltstraftaten in die Geschichte Nordrhein-Westfalens eingehen wird, bleibt bei seiner juristischen Aufarbeitung ein weites Feld. Seit mehr als 13 Monaten versucht die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn, der Giftspur, die über die Möhne, die Möhnetalsperre bis zu Ruhr und Rhein führte, auf den Grund zu gehen.
Sie muss klären, ob die fünf Angeklagten – darunter der frühere Chef des Borchener Unternehmens GW Umwelt und sein damaliger Betriebsleiter (beide wohnhaft in Brilon) – in dem Wirtschaftskrimi eher die Rolle von „Kleindealern“ (so bezeichnete sie der frühere Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, Dr. Harald Friedrich) eingenommen haben oder das ganz große „Ding“ in Bezug auf gefährliche Umweltverschmutzung gedreht haben.
Ihnen wird vorgeworfen, ohne behördliche Genehmigung industriellen Klärschlamm aus Belgien und den Niederlanden importiert, mit Dünger vermischt und an Landwirte als Bodenverbesserer verkauft zu haben. Das Gemisch wurde auch auf einem Maisfeld bei Brilon-Scharfenberg aufgebracht. Der Umweltskandal flog im Jahr 2006 auf, als in verschiedenen Gewässern und im Trinkwasser hohe Konzentrationen der Industriechemikalie PFT festgestellt wurden. Perfluorierte Tenside (PFT) stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.
Importierter Schlamm
Seit 13 Monaten schleppt sich der PFT-Prozess in Paderborn dahin – bis an den beiden letzten Verhandlungstagen eine kleine Bombe platzte. Dr. Harald Friedrich, bis 2006 Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, vertrat die Ansicht, dass der Umweltskandal nicht durch den Dünger der Firma GW Umwelt verursacht worden sei, sondern durch Schlämme aus den Kläranlagen des Ruhrverbands. Und er warf den Behörden, sprich: Kreis Soest, Hochsauerlandkreis und Arnsberger Bezirksregierung, Versagen vor.
PFT-Skandal
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Auch ohne seine Anwesenheit ist der Biochemiker am Donnerstag, einem weiteren Tag in dem langwierigen Verfahren, präsent. Mit Datum 20. Februar 2013 hat Friedrich dem Gericht eine Mail geschickt, „uns erneut geschrieben“, wie die Vorsitzende Richterin Margret Manthey es ausdrückt. Im Anschreiben berichte er von einem anonymen Anruf eines Ruhrverbands-Angestellten.
Tenor: „Die redlichen Mitarbeiter des Ruhrverbandes können das nicht mehr ertragen.“ Mit „das“ sind die Vorwürfe Friedrichs gemeint, die Kläranlagen des Ruhrverbandes seien die Hauptverursacher für die PFT-Belastung. Friedrich hat in seiner Mail vom Mittwoch 152 Seiten angehängt. „Wir haben uns inhaltlich noch nicht damit auseinandergesetzt“, sagt die Vorsitzende Richterin.
Dafür fragt die Juristin einen Ministerialbeamten aus dem Referat Abwasserbeseitigung mit Blick auf Friedrichs Aussagen im Gericht, ob die PFT-Werte in Gewässern und Kläranlagen mit den Jahren tatsächlich abgenommen haben. Der gelernte Bauingenieur hat in diesem Punkt offenbar eine andere Sicht als sein früherer Abteilungsleiter Friedrich. Er berichtet von einer Vielzahl an Maßnahmen seit 2006 mit dem Ziel einer kontinuierlichen Senkung der PFT-Konzentration und von einer bis heute tagenden PFT-Arbeitsgruppe, die möglichst in jeder Sitzung komplette Bestandsaufnahmen diskutiere. „Die Analysewerte bestätigen, dass es eine Verbesserung gegeben hat.“
Im Labyrinth
Heilt die Zeit die Umwelt-Wunden durch den PFT-Skandal? Die Zeit ist auch ein gutes Stichwort für den PFT-Prozess, der für einige Beteiligte schon viel zu lange dauert. Die Aussagen des „überraschenden Kronzeugen“ Friedrich haben der Verteidigung in die Hände gespielt. „Wir bemühen uns, das Verfahren zu beenden“, bestätigt Rechtsanwalt Detlef Stoffels, der den Hauptangeklagten aus Brilon vertritt.
Seit 13 Monaten dauert der Prozess um den PFT-Skandal an, der unter anderem auf einem Maisfeld seinen Anfang nahm. Es ist wie in einem Mais-Labyrinth: Man sucht den Weg, wie man herausfindet.
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