Marsberg. . Marco Fiege hat schon mehr als 2000 Höllenritte hinter sich. Nach dem besonderen Kick sucht der 36-Jährige weltweit – und wird dabei nur noch selten fündig. Im sauerländischen Marsberg hat er den Fanclub “Coaster Junkies“ gegründet.

Der Junkie, der immer höher, schneller, weiter will, verzagt. Der Kick, der das Adrenalin durch seinen Körper schießt, der ihn nochmal so richtig „weghaut“, wie er es beschreibt, bleibt immer öfter aus. „Neben mir haben sie meist die Hose bis zum Anschlag voll. Ich würde dann noch einen Kaffee bestellen.“ Marco Fiege, ein Sauerländer, ist Achterbahn-Fan, wobei Fan mit Blick auf seinen „Fahrtenschreiber“ wie eine unangemessene Verniedlichung klingt: Weit mehr als 2000 Mal laut ratternd hoch, ebenso häufig in einem Affenzahn wieder hinunter, und das auf etwa 400 verschiedenen Achterbahnen. Der Mann, der sich selbst als „bekloppt“ bezeichnet, ist nicht allein: Vor sechs Jahren gründete er in Marsberg den Fanclub „Coaster Junkies“, also Achterbahn-Süchtige.

Es ist Mittwoch, der Tag, an dem die Cranger Kirmes startet. Das Radio rief morgens schon an und gab Marco Fiege den zweifelhaften Zweitnamen „Kotztüte“. Was nicht nur uncharmant daherkommt, sondern noch dazu sachlich falsch ist, wie der 36-Jährige wissen lässt: „Ich musste mich noch nie übergeben.“ Schon gar nicht auf einem der größten Volksfeste Deutschlands. Den Kick sucht Fiege in Herne nämlich vergeblich: Kirmes-Achterbahn, das ist für ihn wie die Wasserpfeife für den Kettenraucher. Zu wenig.

Von Null auf 194 in zwei Sekunden

Er und weitere zwanzig hartgesottene Klubmitglieder aus der gesamten Republik suchen weltweit nach diesem Kick, und manchmal, ja manchmal, da werden sie sogar fündig – wie zuletzt im US-amerikanischen Ohio, im Freizeitpark Cedar-Point, dem Mekka für solche wie ihn. Wenn seine Wangen ein bizarres Eigenleben entwickeln, die Augenlider unkontrolliert umherschlackern und das Lächeln schlussendlich im Gesicht gefriert, dann weiß er: „Es hat mich umgehauen.“ Diesmal war dafür eine Beschleunigung von Null auf 194 Stundenkilometern in zwei Sekunden vonnöten, in einer Höhe von schlappen 128 Metern. „Das ist die zweithöchste Achterbahn der Welt“, frohlockt Fiege. Seine Stimme bebt während dieser Worte vor Begeisterung, wie auch, wenn er diese, seine Faszination zu erklären versucht: „Noch einmal Kind sein. Das ist es, was es ausmacht. Und wir wollen alles mitnehmen, was geht.“

Dafür ist dem Achterbahn-Liebhaber kein Weg zu teuer oder zu weit. Seine Leidenschaft hat ihn bereits durch ganz Europa geführt, in die Vereinigten Staaten oder – wie in diesem Jahr – nach Südkorea. Einmal flogen er und ein paar Freunde nur für zwei Tage nach Ohio, wo der in Metall gegossene Nervenkitzel auch schon mal so hoch sein kann wie die dortigen Wolkenkratzer: „Stahl, Holz, fertig – keine Familien-Unterhaltung. Wir sind dort nur Achterbahn gefahren. Mehr nicht.“ Dann kaufen sie Karten, mit denen sie nicht in die Schlange müssen, frühstücken vorher gesund („Nur keine Currywurst vorher!“) und setzen sich irgendwann in eine der 19 Bahnen, die ihnen die Welt bedeutet. „Es kribbelt dann im Bauch, eine Mischung aus Vorfreude und Ungewissheit“, beschreibt Marco Fiege. Und dann: Ab die Fahrt!

Die nächsten Reisen sind bereits geplant

Er habe sich erst mit 26 Jahren mit dem Achterbahn-Virus infiziert. „Leider“, sagt er dann und meint, es sei viel zu spät gewesen. Wenn ihn heute seine Sucht übermannt, muss er die nächste Tour planen. Inzwischen nimmt er sogar seinen Sohn, zarte zwei Jahre jung, und seine Tochter, sechs Jahre, mit. „Der Kleine darf aber nur auf die Marienkäfer-Achterbahn“, stellt Marco Fiege klar. Die nächsten Reisen stehen bereits fest: Nach New Jersey, nach Spanien und heute Abend in die Nachbarschaft, zur 40-Jahr-Feier des Fort Fun nach Bestwig. „Wir sind eng mit dem Park verbunden und wollen persönlich gratulieren“, erzählt Fiege, der als Künstleragent arbeitet und somit Schauspieler, Musiker und Moderatoren managt.

Auch wenn Sänger Ronan Keating nicht zu seinen Klienten gehört, wird er weiterhin seinen im Jahr 2000 verfassten Liedzeilen folgen, die lauten: Das Leben ist eine Achterbahn, da muss man einfach mitfahren.