Elkeringhausen. Dr. Udo Markus Bentz spricht bei seinem Besuch offen die Missbrauchsskandale an und verspricht eine Aufarbeitung der „dunklen Seite“ der Kirche.
„Er hat mein Herz ganz weit offen gemacht“, sagt eine Frau, als sie am Freitagabend beseelt den Zeltkirchplatz in Elkeringhausen verlässt. Er – das ist Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz, der sich bei seinem Besuch im Dekanat Hochsauerland-Ost als Oberhirte zum Anfassen präsentiert und mit seiner zugewandten und authentischen Art jegliche Berührungsängste nimmt.
Berührungsängste überwunden
Im März ist er in sein Amt eingeführt worden und hat sich vorgenommen, bis zum Sommer alle 19 Dekanate zu besuchen. Auf dem Kennenlern-Programm steht am Freitag das Dekanat Hochsauerland-Ost mit seinen 60 Gemeinden, das räumlich dem Altkreis Brilon entspricht. Der Besuch startet an der Borberg-Kapelle in Brilon und führt über den Rothaarsteig zum Mittagessen mit Angehörigen der Pastoralteams in der Schützenhalle Bruchhausen. Am Nachmittag wird in der besonderen Atmosphäre der Zeltkirche in Elkeringhausen ein Gottesdienst zelebriert.
Mehr aus dem Altkreis Brilon
- Après Ski-Hütte vom Tegernsee im Sauerland wieder aufgebaut
- Muskelpaket Steve Brenke trainiert hart für seinen Traum
- Luxusurlaub im Sauerland: Was im Raum Winterberg möglich ist
- Festivals im Sauerland: Diese Events gibt es im Sommer 2024
Alle Plätze im Zelt sind gefüllt, die Seitenwände hochgerollt, damit bei bestem Wetter auch Gläubige draußen mitfeiern können. Der dritte Freitag nach Pfingsten gilt in der katholischen Kirche als Herz-Jesu-Fest. Diesen Gedanken greift der Erzbischof in seiner Predigt auf und fragt die Gemeinde, welche das beliebteste Buch der Europäer sei. Nein, es ist nicht die Bibel, sondern „Der kleine Prinz“ mit seinem wohl bekanntesten Zitat „Man sieht nur mit dem Herzen gut“.
In der Geschichte vom kleinen Prinzen werde von der Suche nach einem Brunnen mit Wasser fürs Herz erzählt. Der Mensch brauche ebenfalls einen Brunnen, um daraus Kraft für sein Herz und sein Leben zu schöpfen, so Bentz. Ein solcher Brunnen könne die Kirche sein und den Menschen in Zeiten von Bruchlandungen Trost und Orientierung bieten.
Offene Worte zu Missbrauchsskandalen
Der Erzbischof hat sein Amt im März in schwierigen Zeiten angetreten. Die Kritik durch den Umgang mit Missbrauchsvorwürfen an der katholischen Kirche allgemein und am Erzbistum Paderborn speziell stehen auch in Elkeringhausen bei aller Zugewandtheit wie der sprichwörtliche Elefant im Raum. Die Zeltkirchen-Besucher an diesem Tag sind offensichtlich alle religiös, doch sie wollen Antworten und eine Perspektive für ihren Glauben. Erzbischof Udo Bentz spricht das Thema selbst aktiv an – erst in der Predigt, dann nach der Messe in einer Art Podiumsdiskussion: „Wir haben nur eine Zukunft, wenn wir auch die dunkle Seite der Kirche aufgreifen. Wir können nicht an der Wirklichkeit vorbei gehen.“
Erzbischof besucht Elkeringhausen: Die schönsten Fotos
Er berichtet, wie er sich dieser dunklen Seite bereits aktiv stelle und dass Gespräche mit Betroffenen, deren Vertretern und Präventions-Teams angelaufen seien. Angesichts der schwierigen Themen wie eben die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt unter dem kirchlichen Deckmantel, aber auch personeller oder finanzieller Probleme sei es wichtig, auch für die guten Seiten der Kirche die Augen zu öffnen. Er ermutigte die Gemeinde, sich Zeit nehmen, positive Erlebnisse und erfüllende Momente aktiv miteinander zu teilen – sie mit dem Herzen zu sehen.
Eine Frau meldet sich zu Wort, die aus der Arnsberger Gemeinde stammt, in der kürzlich Missbrauchsvorwürfe gegenüber einem langjährigen Pastor öffentlich wurden. „Ich bin so leer, mein Glaube ist weg“, schildert sie mit gebrochener Stimme. „Unsere Gemeinde weiß nicht, wie es weitergeht.“ Die Predigt des Erzbischofs habe sie sehr berührt und ihr Hoffnung gegeben. Ähnlich äußert sich ein Mann, der das aktuelle Interview mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller anspricht, in dem dieser die kirchliche Berufung von Frauen einen „Irrtum“ nennt, weil nur ein Mann Christus darstellen könne, und der in Missbrauchsskandalen „eine Ideologie zur Vorverurteilung unschuldiger Priester“ sieht. „Wenn das meine Kirche sein soll, sage ich Nein“, erklärt dieser Zeltkirchen-Besucher in Elkeringhausen. Aber von Erzbischof Bentz nehme er einen sympathischen Eindruck mit, der ihm sage „Ja, bei dieser Kirche will ich mitmachen.“ Auch weitere Gläubige erklären am Mikrofon, Kraft für ihren Glauben aus den Worten des Erzbischofs geschöpft zu haben.
Oberhirte ganz nah bei den Gläubigen
Der Erzbischof ist nach dem Gottesdienst für die Menschen da, hört ihnen bei Bratwurst und veganen Wraps zu, spricht sie aktiv an, nimmt sich für jedes gewünschte Wort oder Foto Zeit. Ein paar Minuten sitzt er am Tisch des Kreisschützenvorstands, dann geht er weiter zu einigen Ordensschwestern sowie zur Abordnung der Notfallseelsorge und PSU-Kräfte der Feuerwehr, um mit ihnen über ihre Aufgaben und Sorgen zu reden. Von den jungen Männern des Katholischen Burschenvereins Hallenberg, die sich um die Bewirtung kümmern, lässt er sich deren Verein erklären und Fotos von der Osternacht und dem Muttergottestag zeigen; dann krault er den Hund eines Besuchers. Aus Beobachtersicht hat er keine ruhige Minute – und dennoch: „Solche Tage sind die Brunnen, aus denen ich meine Kraft schöpfe“, sagt er.
Während des Gottesdienstes hat die Zeltkirchen-Band moderne Kirchenlieder wie „Unterwegs in eine neue Welt, in der ein Glaube uns zusammenhält, unterwegs in eine neue Zeit“ oder „Da berühren sich Himmel und Erde“ gespielt. Am Ende der Begegnung mit dem Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz in Elkeringhausen nimmt wohl jeder Besucher eine wohltuende Ahnung von diesen Zeilen mit nach Hause.