Hochsauerlandkreis. Polizeihauptkommissarin Julia Henneböle berät Eltern, Kitas und Schulen im HSK. Sie gibt Tipps, was Eltern zum Schutz ihrer Kinder tun können.
Sexueller Missbrauch ist ein Thema, das jeden betreffen kann. Die Dunkelziffer ist hoch und die Opfer leiden oft noch viele Jahre später unter den Folgen. Kriminalhauptkommissarin Julia Henneböle arbeitet bei der Kreispolizeibehörde des HSK im Bereich Kriminalprävention/Opferschutz. Sie hält unter anderem Vorträge zum Thema Sexueller Kindesmissbrauch in Kindergärten, Schulen und Vereinen. Im WP-Interview erklärt sie, wie man sein Kind schützen und wo man Hilfe finden kann.
Wie sieht die Situation bei uns im HSK aus? Wie oft ermittelt die Polizei zum Thema Sexueller Kindesmissbrauch?
Im Jahr 2023 wurden im HSK 70 Delikte aus dem Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs bearbeitet. Das waren acht Delikte weniger als noch im Jahr 2022, insgesamt sind die Zahlen aber seit einigen Jahren durchgehend steigend. Was darauf zurückzuführen ist, dass die Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch und Kinderpornographie zu Schwerpunkten in der Polizeiarbeit geworden ist. Sexueller Kindesmissbrauch findet leider schon immer statt. Durch verstärkte Präventions-, Aufklärungs- und Auswertearbeit kommt es jetzt auch zu mehr Hellfeldzahlen. Aber: Das Dunkelfeld ist viel höher. Die unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs veröffentlicht auf ihrer Internetseite folgende Schätzung: Danach sind ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen.
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Viele Eltern sind bei dem Thema verunsichert. Wissen nicht, wie sie ihr Kind ansprechen sollen, ohne es zu verängstigen oder zu verunsichern. Sie fragen sich, ab welchem Alter sie ihr Kind überhaupt ansprechen sollen. Was raten Sie den Eltern?
Wichtig: Mit Kindern sprechen
Eine Altersgrenze anzugeben, ist aufgrund der Individualität von Kindern nicht möglich. Entscheidend ist, dass sie mit Kindern darüber sprechen, denn das ist der erste Schritt, um Kinder zu schützen. Dabei sollen keine Ängste geschürt werden und das sollte separat von der normalen sexuellen Aufklärung stattfinden. Für diese für Eltern oft schwierigen Gespräche sollte es immer mal wieder Zeit und Wiederholung geben. So weiß das Kind, dass sie als Eltern ein guter Ansprechpartner sind. Und offen gesagt gehen Kinder viel unaufgeregter mit diesem Thema um als Erwachsene.
Was kann ich als Eltern konkret tun, um mein Kind vor sexuellem Missbrauch zu schützen?
Reden sie mit ihrem Kind altersgerecht über Sexualität und machen sie es sprachfähig. Vielen Kindern wird, wegen Schamhaftigkeit der Erwachsenen, keine sachlichen Begriffe für Geschlechtsteile beigebracht. Diese Kinder können sich dadurch viel weniger äußern und lernen auch, dass über diesen Bereich scheinbar nicht gesprochen werden darf. Ich rate Eltern, ihre Kinder darin zu bestärken, dass sie unangenehme Gefühle nicht aushalten zu müssen. Das beginnt auch bereits beim freundlich gemeinten Begrüßungsküsschen der Oma, welches vom Kind unangenehm empfunden werden kann. Meine Empfehlung: Stehen Sie dann auf Seite Ihres Kindes. Reden sie über gute und schlechte Geheimnisse und dass das Weitererzählen von schlechten Geheimnissen kein Petzen ist.
Leider kann man Täter in der Regel nicht auf den ersten Blick erkennen. Wie kann ich trotzdem ein Gefühl entwickeln und einen potenziellen Täter möglichst frühzeitig erkennen?
Täter stammen aus allen sozialen Schichten und aus allen Altersgruppen. Täter können Männer und Frauen sein, wobei die Anzahl der Männer deutlich überwiegt. Häufig sind Täter engagiert und beliebt und man traut ihnen diese Tat nicht zu. Viele der Kinder vertrauen und mögen die Täter. Der überwiegende Anteil der Tatverdächtigen stammt aus dem ganz engen sozialen Umfeld. Fremdtäter sind die Ausnahme. Der Begriff „fremd“ ist für Kinder zusätzlich auch ganz anders belegt als für uns Erwachsene. Daher ist die Warnung allein vor „Fremden“ nicht zielführend.
Warnsignale erkennen
Wann sollten Eltern hellhörig werden? Gibt es Warnsignale, die auf einen Missbrauch hinweisen?
Es gibt keine eindeutigen Anzeichen für sexuellen Missbrauch. Es kann sich in jeder Art der Verhaltensänderung zeigen und auch in zum Beispiel in nicht erklärbaren Bauch- oder Kopfschmerzen oder Verletzungen im Intimbereich. Eltern sollten auf ihr Kind zugehen und ihm signalisieren, dass sie bei allen Themen ansprechbar sind und richtig zuhören. Das Verhalten kann selbstverständlich auch ganz viele andere Gründe haben. Wichtig ist, die Möglichkeit, dass es sexueller Missbrauch sein könnte, nicht auszuschließen. Hellhörig sollte man auch werden, wenn das Kind altersuntypische Sexualkenntnisse hat oder gegenüber anderen Kindern in diesem Bereich übergriffig wird. Kinder sind dabei aber nie Täter und nie schuld.
Wo kann man Hilfe und Beratung bekommen?
Es gibt inzwischen zum Glück viel Unterstützung. Das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch unter der Telefonnummer 0800 22 55 530 und die Internetseite www.hilfe-portal-missbrauch.de unterstützen anonym, kostenfrei und mehrsprachig. Zu jeder der Frage, um die es in diesem Interview geht, gibt es dort auch weitere Informationen. Auch Erwachsene, die damit leben, dass ihnen Missbrauch widerfahren ist, finden dort Unterstützung. Außerdem möchte ich auf die verschiedenen und durchweg guten Beratungsstellen im HSK hinweisen. Fast alle haben spezielle Fachkräfte oder Schulungen zum Thema sexueller Gewalt besucht. Bei der Polizei HSK bin ich die Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um sexuelle Gewalt. Hilfesuchende können allgemeine Informationen von mir erhalten, einen kostenfreien Vortragstermin mit mir vereinbaren oder auf der Internetseite der Polizei HSK zu den verschiedenen Themen etwas nachlesen. Als Polizeibeamtin kann ich aber nicht im Einzelfall beratend tätig werden, ob sie zum Beispiel eine Strafanzeige erstatten sollten oder nicht, da ich dem Strafverfolgungszwang unterliege.