Brilon. Mancher Veranstalter würde sich über einen halbwegs vollen Saal freuen. Die Heinz-Erhardt-Revue in Brilon hingegen sprengt alle Erwartungen.
Dass ein Künstler/eine Künstlerin vor ausverkauftem Haus spielt, ist spätestens seit Corona die Ausnahme. Die Branche hat es immer noch schwer. Dass aber die Nachfrage nach Karten so groß ist, dass es für den Abendtermin keine Tickets mehr gibt und dass am selben Tag eine Zusatzvorstellung am frühen Nachmittag ins Programm geschoben wird, das dürfte Seltenheitswert haben. Dabei geht es nicht um eine Pop-Ikone oder einen Rock-Star. Gleich zweimal tritt der Schauspieler Thorsten Hamer am Sonntag, 7. Januar, im Briloner Kolpinghaus auf. Thorsten wer? Der 41-jährige Bühnenprofi ist Schauspieler durch und durch. Mit schwarzer Hornbrille, dunklem Anzug, leicht schräger Körperhaltung und aus dem Gesicht gekämmten Haaren verwandelt er sich dann in den legendären Komiker Heinz Erhardt, der schon 1979 im Alter von 70 Jahren viel zu früh verstorben, aber inzwischen Kult ist.
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Seine „Heinz-Erhard-Revue“ ist eine großartige Verbeugung vor dem zeitlosen Jahrhundert-Komiker. „Brilon war in der Tat in ganz NRW der erste Termin, der sofort ausgebucht war. Für mich als gebürtiger Solinger wird das ja fast ein Heimspiel. Und daher haben wir uns für zwei Termine entschieden“, sagt Thorsten Hamer, der zurzeit noch mit einem anderen Bühnenprogramm in München unterwegs ist. Zweimal zweieinhalb Stunden an einem Tag in die Rolle des liebenswerten Wortakrobaten zu schlüpfen und „mal wieder ein Schelm“ zu sein, ist selbst für einen Profi anstrengend. Aber Hamer macht das gerne; das spürt man. Denn selbst im Interview am Telefon klingt der Mann wie sein großes Vorbild. Und den Grundstein für die Liebe zu Erhard legte die Oma. „Wir waren zu drei Kindern und wenn meine Oma uns etwas vorlesen sollte, hatte sie nie ein Kinderbuch zur Hand. Sie hat dann ein Heinz-Erhardt-Buch aus dem Regal genommen und musste immer selbst lachen, schon bevor die Pointe kam“, sagt der 41-Jährige.
Und so ergeht es offenbar auch seinem Publikum – heute noch. Die meisten können die Texte mit aufsagen. Manche tun es auch. Jeder weiß, wann der Witz kommt. Und jeder lacht, obwohl er ihn schon kennt. „Ich glaube, 2007 habe ich das Programm zum ersten Mal lange Zeit in Düsseldorf gespielt. Anfangs kamen nur Ältere, aber von Mal zu Mal hat sich das Publikum verjüngt. Der Humor ist einfach zeitlos. Man muss nicht – wie bei Loriot oder bei den Sketchen mit Ekel Alfred – einen politischen Hintergrund berücksichtigen, um ihn zu verstehen“, sagt Hamer. Der Sprachwitz ist offenbar mittlerweile generationsübergreifend. Und während der Enkel vielleicht der Oma zuliebe mit zum Heino-Konzert ginge oder im Umkehrschluss die Oma zu „Madonna“, haben bei Heinz Erhardt beide Generationen ungeteilten Spaß am Programm.
Karten und Infos
In Brilon macht die Revue am Sonntag, 7. Januar, um 18 Uhr (ausverkauft) und um 14.30 Uhr (noch Karten erhältlich) im Bürgerzentrum Kolpinghaus Station. Tickets gibt es bei der BWT Brilon oder unter www.reservix.de oder unter 0761 88849999
Thorsten Hamer wertet die Beliebtheit seiner Revue auch als Zeichen für den Wunsch vieler nach Unbeschwertheit. „Die vielen negativen Schlagzeilen belasten die Menschen. Zweieinhalb Stunden lang abschalten und sich an diesem unschuldigen und feinen Humor erfreuen – das ist es, was die Leute mögen.“ Und dabei ist jede Veranstaltung anders als die andere. „Mal ist es eine bestimmte Lache, auf die ich ganz spontan eingehe. Mal ruft mir jemand aus dem Publikum etwas zu und ich reagiere. So ein Abend entwickelt immer eine Eigendynamik. Ich kann wirklich alle Gedichte oder jedes Lied von Heinz Erhardt auswendig und das ermöglicht es mir, spontan zu sein und zu improvisieren.“
Programm schon rund 1000 Mal gespielt
Gut und gerne 1000 Mal, so schätzt Hamer, hat er die Heinz-Erhardt-Revue schon gemeinsam mit einem Schauspielkollegen und einem Begleiter am Klavier gespielt. Das Trio hat bundesweit große Säle wie das Theater des Westens, die Elbphilharmonie oder das Kabaret Simpel in Wien gefüllt. „Je nach Größe des Hauses haben wir auch schon mal eine fünfköpfige Kombo dabei. Aber an jedem Abend sind die Leute mitgegangen und haben sich später im Foyer noch die Programmhefte signieren lassen.“ Video- oder CD-Mitschnitte von der Revue gibt es nicht. Hamer: „Das wird immer wieder mal angefragt. Aber das Programm muss man einfach live erleben.“
In Brilon veranstaltet Bernd Böhne die Heinz-Erhardt-Revue. Er ist in der Stadt des Waldes kein Unbekannter und hat unter anderem diverse Kneipennächte organisiert. „Der Thorsten Hamer macht das einfach ganz grandios. Und in Brilon haben wir bemerkt, dass viele Kinder ihren Eltern die Karten schenken und für sich selbst gleich welche mitgekauft haben. Es wäre schön, wenn wir neben der ausverkauften 18-Uhr-Vorstellung auch die um 14.30 Uhr noch einmal voll bekämen.“
„Die Made“ darf nicht fehlen
Und welches Gedicht darf in keiner der Aufführungen fehlen? Thorsten Hamer: „Das ist das Gedicht von der Made: Sie wissen schon: ,Hinter eines Baumes Rinde wohnt die Made mit dem Kinde. Sie ist Witwe, denn der Gatte, den sie hatte, fiel vom Blatte. Diente so auf diese Weise einer Ameise als Speise…“