Marsberg. Die Marsberger Firma Ritzenhoff zählt zu den großen der Branche. Doch es fehlen Leute. Die Geschäftsleitung sucht nun Wege auch der Krise.
An qualifizierten Mitarbeitern fehlt es in nahezu jeder Branche mittlerweile. Anna-Verena Bartl, Mitglied der Geschäftsleitung bei Ritzenhoff und Director Marketing und Product Management, sowie Dr. Axel Drösser, CEO der Ritzenhoff AG, stellen sich dem Thema Fachkräftemangel.
Ritzenhoff trifft der Fachkräftemangel ebenso wie andere Unternehmen. In welchen Unternehmensbereichen ist der Mangel an guten Mitarbeitern spürbar?
Dr. Axel Drösser: Der Fachkräftemangel ist umfassend spürbar. In verwaltenden Funktionen, im Marketing, in der IT-Abteilung und im Controlling. In der Produktion fehlen ebenfalls Fachkräfte, teils für einfachste Tätigkeiten wie das Verpacken der Gläser.
Anna-Verena Bartl: Wir haben mittlerweile einen Arbeitnehmermarkt. Egal um welche Position es geht, es ist eine Herausforderung sie zu besetzen. Unternehmen müssen mittlerweile einiges bieten, um Arbeitnehmer anzusprechen.
Drösser: Gutes Personal ist der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit. Wir sind in einer Zeit, in der wir unser Skillset und unser Mindset an die digitale Welt anpassen müssen. Die Produktion verändert sich durch die Digitalisierung, durch Robotik und Künstliche Intelligenz.
Bartl: Künstliche Intelligenz setzen wir schon im Performance-Marketing ein, in Onlineshops. Niemand kann sich dem verschließen. Wir in unserem Unternehmen haben gemeinsam eine Strategie entwickelt, die jetzt – nach sechs Monaten – nahezu überholt ist. Wir haben es mit einer atemberaubend schnellen Entwicklung zu tun.
Drösser: Und genau diese Expertisen sind ohnehin schon knapp auf dem Markt.
Was ist, Ihrer Wahrnehmung nach, der Grund für den Fachkräftemangel?
Drösser: Es gibt eine Vielzahl an Gründen. Regionalität, unser Unternehmen liegt ländlich und ist dementsprechend stark vom demografischen Wandel betroffen. Wir brauchen durch die Entwicklung, die wir eben schon aufgezeigt haben, andere und neue Expertisen – Stichwort KI. Viele Menschen entscheiden sich heute für ein Studium, das führt zu einem handwerklichen Engpass, weil immer weniger eine Ausbildung im Handwerk machen wollen. Und die politischen Rahmenbedingungen sind ungünstig. Für Rentner beispielsweise ist es nicht mehr attraktiv, in Teilzeit im Unternehmen zu bleiben aufgrund der steuerlichen Abgaben und Rahmenbedingungen.
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Bartl: Das wäre für uns aber eine große Erleichterung. Eine Ausbildung im Glashandwerk dauert lang. Wir hätten Rentner, die gerne bleiben wollen würden und dank ihrer Expertise wichtig für uns wären, für diese ist das aber nicht attraktiv.
Drösser: Es gibt dazu auch keine flankierende Unterstützung der Politik, um für eine Ausbildung im Handwerk zu werben. Die Unternehmen sind auf sich allein gestellt. Dazu kommt von politischer Seite das Bürgergeld. Ich wurde schon von Mitarbeitern angesprochen, die mir gesagt haben, sie müssten errechnen ob sich die Arbeit noch lohnen würde. Das Bürgergeld sei nicht gut für Unternehmen.
Wie wirkt sich der Mangel an Fachkräften konkret auf das Unternehmen Ritzenhoff aus?
Bartl: Wir haben in manchen Bereichen einen Vier-Schicht-Betrieb, in manchen einen Drei-Schicht-Betrieb und manche der Schichten bekommen wir nicht mehr voll besetzt. So können wir Kunden nicht mehr bedienen. Wir könnten mehr Umsatz machen, also Stückzahlen produzieren. Das alles beeinträchtigt natürlich die Wettbewerbsfähigkeit.
Drösser: Dazu kommt: Die Pandemie hat es uns schwer gemacht, die Energiekrise ist noch nicht vorbei. Wir haben die höchsten Strompreise hier und dabei ist Ritzenhoff international orientiert. Die Probleme betreffen uns von vielen Seiten. Unsere Mitarbeiter sind sehr loyal und verbunden mit dem Unternehmen, sie bezeichnen sich selbst als Ritzenhoffer und haben ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir beachten die Gesetzmäßigkeiten, das ist klar, aber der Fachkräftemangel wirkt sich auf Überstunden und Flexibilität der Mitarbeiter aus. Die Flexibilität können wir aber nicht endlos dehnen und auch die Zahl der Überstunden erreichen schnell eine gesetzmäßige Grenze, deren Beachtung wir ernst nehmen. Ritzenhoff greift daher auch schon in manchen Bereichen auf externen Support zurück, durch Zeitarbeitsfirmen die bestimmte Skills anbieten können.
Was tut Ritzenhoff, um Mitarbeiter zu werben?
Bartl: Wir stecken viel Engagement in das Employer-Branding. Dazu haben wir uns mit Mitarbeitern aus allen Bereichen zusammengesetzt und konnten einige Ideen entwickeln. Wir schalten lokale Kinowerbung, um Ritzenhoff bekannter zu machen. Wir sind auf Messen vertreten, sind Mitglied bei der Südwestfalenagentur und haben ein Mitarbeiter werben Mitarbeiter-Programm aufgesetzt.
Drösser: Wir sind Hochschulkooperationen eingegangen. Und wir stehen zu unserem Standort in Essentho. Hier im Unternehmen arbeiten manchmal ganze Familiengenerationen, wir brauchen erfahrene Mitarbeiter. Aber der Kampf um Talente ist hart.
Sie sprechen von einem Arbeitnehmermarkt. Dazu heißt es immer, dass sich Unternehmen um Arbeitnehmer bewerben, nicht mehr andersherum – überspitzt gesagt. Wie bewirbt sich Ritzenhoff denn um seine Mitarbeiter?
Bartl: Mitarbeitern ist es heutzutage wichtig, einen Gestaltungsspielraum zu haben. Sie wollen sich einbringen, sich persönlich entfalten aber dabei auch eine Work-Life-Balance einhalten. Dazu gibt es eine Betriebsvereinbarung. Homeoffice ist dort, wo es möglich ist, natürlich Standard. Wir bieten eine betriebliche Altersvorsorge. Und Benefits wie E-Bike-Leasing und all das ist mittlerweile natürlich selbstverständlich. Wir haben außerdem eine People-Managerin, die sich um berufliche Anliegen aber auch um Dinge aus dem privaten Umfeld kümmert und für Mitarbeiter eine Ansprechpartnerin ist.
Drösser: Wir sind auch stark im Auslandsrecruiting. Wir haben jetzt einen Maschinen- und Anlagenführer aus Albanien, dem helfen wir beim Onboarding und unterstützen bei der Wohnungssuche.
Also ist es für Ritzenhoff auch eine Lösung, auf Fachkräfte aus dem Ausland zu setzen?
Drösser: Die Glasproduktion ist komplex, wir bieten Sprachkurse und irgendjemand kann meist die betreffende Sprache und könnte übersetzen, aber die einfachste Lösung ist das aufgrund der Komplexität für uns nicht.
Bartl: Wir sind aber sehr aktiv im Social-Media-Bereich um auf potenzielle Mitarbeiter zuzugehen. Uns ist absolut bewusst, dass wir die Eingangshürden für Bewerber senken müssen. Wir freuen uns über alle Initiativbewerbungen, jeglicher Art. Da gibt es so viele neue Möglichkeiten als die Bewerbungsmappe, die früher abgegeben wurde.
Drösser: Wichtig ist dabei, die bestehenden Mitarbeiter in dem Veränderungsprozess mitzunehmen und zu vermitteln, wieso man neue Wege geht. Aber der Wandel bietet neue Möglichkeiten, Fachkräfte zu finden und viele sehen das.