Brilon. Er macht sie mobiler und er grenzt sie nicht aus. Renate Hobert-Schröder möchte anderen Menschen Mut machen, den Rollator zu nutzen.

Wer benutzt schon gerne einen Rollator? Oder sagt man: Wer fährt schon gerne einen Rollator? Das Hilfsmittel ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Und trotzdem sträuben sich viele Menschen so lange, wie es eben geht, die vierrädrige Unterstützung anzunehmen. Auf Renate Hobert-Schröder aus Brilon trifft das nicht zu. Ganz bewusst hat sie sich an die Zeitung gewandt und möchte eine Lanze für den Rollator brechen: „Er macht mich mobiler, er ermöglicht mir den Kontakt zu anderen Menschen, er grenzt mich trotz Beeinträchtigungen beim Laufen nicht aus und nicht ein. Ich habe immer gesagt: Wenn es sein muss, dann nehme ich ihn – aber rot muss er sein.“

Eine ganz normale Arbeitsleuchte wird  zum Scheinwerfer für den Rollator
Eine ganz normale Arbeitsleuchte wird zum Scheinwerfer für den Rollator © WP | Thomas Winterberg

Renate Hobert-Schröder (78) ist immer eine aktive Frau gewesen und ist es auch heute noch. Zeitlebens hat die gelernte Verkäuferin viel auf den Beinen gestanden und viel auf die Beine gestellt. Bei der Lehre in der Bäckerei, bei der Arbeit in einem Feinkostgeschäft, einem Kunsthandel- und Modeladen und zuletzt 25 Jahre lang selbstständig in ihrem Geschäft am Ende der Briloner Königstraße. Kunsthandwerk, Bastelartikel und lebenswerte Kleinigkeiten gab es bis 1994 bei ihr in dem schmucken Fachwerkhaus. „Ich war auf Messen im In- und Ausland. Irgendwann merkt man, es gibt nichts wirklich Neues mehr, nur noch viel Billigware aus Fernost und dann habe ich aufgehört“, sagt die zweifache Mutter und mehrfache Oma und Uroma, die ihre Familie immer gern um sich hat.

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Vieles auf die Beine gestellt

Renate Hobert-Schröder ist untrennbar mit dem Briloner Altstadtfest und zahlreichen Aktionen in der Innenstadt verbunden. Mit pfiffigen Ideen hat sie den Einzelhandel aufgemischt und Brilons Ruf als Einkaufsstadt jahrelang mitgeprägt. Bei einer Großveranstaltung hatte sie das Woll- und Weber-Handwerk in den Mittelpunkt gestellt und sich eigens dafür zwei Schafe ausgeliehen. „Eines ist ausgebüxt; das musste ich durch die Bahnhofstraße jagen und wieder einfangen“, lacht sie.

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Renate Hobert-Schröder (links im Bild u.a. mit dem damaligen Stadtheimatpfleger Nickolay) war immer viel auf den Beinen und hat viel auf die Beine gestellt.  
Renate Hobert-Schröder (links im Bild u.a. mit dem damaligen Stadtheimatpfleger Nickolay) war immer viel auf den Beinen und hat viel auf die Beine gestellt.   © WP | privat

Heute wäre das zu Fuß nicht mehr ganz so flott möglich. Mehrere Operationen an Knie und Wirbelsäule und zuletzt der „Einbau“ eines Schmerz-Schrittmachers haben der begeisterten Radfahrerin - „Ich habe zuletzt noch 6000 Kilometer pro Saison gefahren und bin auch immer gern wandern gewesen“ - körperliche Grenzen aufgezeigt. Grenzen, die sie aber zu überwinden weiß. „Ich kann verstehen, dass man sich anfangs gegen solche Hilfsmittel wehrt. Sie zeigen einem, dass man umdenken muss, dass ein anderer Lebensabschnitt beginnt. Aber das alles muss ja nichts Schlimmes bedeuten.“

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Anfangs hat sich Renate Hobert-Schröder mit Nordic-Walking-Stöcken beholfen. Ganz bewusst keine Gehhilfen. Die Stöcke hatten wenigstens noch eine gewisse sportliche Note. Mit denen ist sie auch heute noch manchmal bei kurzen Strecken unterwegs. „Aber wenn ich auf den Krammarkt fahre oder wie neulich auf die Michaelis-Kirmes gehe, dann treffe ich nach wie vor viele Bekannte. Damit mir beim Schwätzchen das Stehen nicht zu anstrengend wird, klappe ich den Sitz vorne runter und kann erstmal eine kurze Pause einlegen. Wenn ich unterwegs etwas einkaufe, habe ich vorne immer einen kleinen Korb am Rollator, den man mühelos an- und abklemmen kann. Und in dem Korb ist auch immer eine Regencape, falls das Wetter mal nicht mitspielt.“

Natürlich mit Beleuchtung

Selbstverständlich hat Renate Hobert-Schröder auch eine Beleuchtung für ihren Rollator, dessen Hersteller den Namen einer pfeilschnellen Wildkatze trägt. Vorne an den Korb befestigt sie eine ganz normale Arbeitsleuchte, die ihr bei Dämmerung den Weg weist, aber auch andere auf sie aufmerksam macht. „Meine Kinder haben gesagt: ,Jetzt fehlt Dir eigentlich nur noch eine Klingel‘. Aber ich glaube, ich könnte mir auch gut eine Hupe vorstellen“, sagt die 78-Jährige.

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Für sie ist der Rollator inzwischen Hilfsmittel, Fahrrad- und Autoersatz zugleich. „Man kommt fast überall damit hin und kann ihn zum Beispiel im Restaurant mühelos mit einem Griff zusammenklappen. Nur wenn man an einer Beerdigung teilnimmt, muss man sich immer hinten halten. Irgendwie wird man dabei immer an den Rand gedrängt.“

Unterschiedliche Reaktionen

Als die Brilonerin vor gut einem Jahr das erste Mal mit dem Rollator unterwegs war, fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. „Von ,Stell Dich nicht so an!‘ über ,Warum fährst DU denn jetzt auch so ein Ding‘ bis zu irritierten Blicken war alles dabei. Aber dann habe ich mich gewehrt und ein paar Takte gesagt und dann war es auch gut.“ Renate Hobert-Schröder findet, dass der Rollator salonfähig geworden ist und anerkannt wird. „Es hat sich viel getan: die Autos halten an oder fahren langsamer.“ Die Brilonerin hat auch kein Problem damit, wenn der Rollator mal eine Treppe hochgetragen werden muss und sie auf Hilfe angewiesen ist. Hauptsache mobil!

Ach ja: Der erste Rollator wurde 1978 im schwedischen Västerås von der Erfinderin Aina Wifalk entwickelt. Jährlich werden in Schweden rund 60.000 Rollatoren verschrieben, womit Schweden das Land mit der höchsten Rollatorendichte weltweit ist.