Brilon. Die Landesregierung will mehr Flüchtlinge an die Kommunen durchleiten, doch die sind schon jetzt an der Grenze ihrer Kapazitäten.

Die schwarz-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen will mehr Flüchtlinge mit ungeklärter Bleibeperspektive direkt an die Städte und Gemeinden durchleiten. Das geht aus einer eiligen Information von Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) an die kommunalen Spitzenverbände hervor. Die Landesregierung begründet dies damit, dass der geplante Aufwuchs der Landeskapazitäten nicht so schnell erfolge, wie erwartet.

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Konkret will die zuständige Bezirksregierung Arnsberg allein 1500 Geflüchtete aufteilen, die in kürzester Zeit von den ohnehin hochbelasteten Städten untergebracht werden müssen. Die Kommunen werfen dem Land ineffiziente Verfahren vor, geringe Flexibilität im Umgang mit Unterbringungsstandards und fehlende Entschlossenheit, auf pragmatische Vorschläge einzugehen. Die vorzeitige Zuweisung von Flüchtlingen aus Landeshoheit in kommunale Verantwortung birgt neue Probleme, da die knappen Ressourcen vor Ort bei der Integration in Kita, Schule, Arbeits- und Wohnungsmarkt eigentlich auf Menschen ausgerichtet werden sollen, die länger bleiben.

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Wir haben die Städte im Altkreis Brilon nach ihrer Einschätzung gefragt:

Hallenberg: Laut Enrico Eppner, dem Bürgermeister der Stadt Hallenberg, erfülle die Stadt Hallenberg derzeit die Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG)-Quote zu 94,29 Prozent, was bedeutet, dass sie in diesem Bereich noch Zuweisungen erhalten könnten. Selbst Kommunen, die die Quote übererfüllten, könnten im Falle einer Quotenerhöhung weitere Zuweisungen erfahren. Die Stadt Hallenberg sei kontinuierlich bemüht, entsprechenden Wohnraum zu akquirieren, auch im Bereich der anerkannten Flüchtlinge mit Wohnsitzauflage, so Eppner. Nach dem Aufenthaltsgesetz müssen sie immer mit weiteren Zuweisungen rechnen. Die dezentralen Wohnraumstrukturen für diese Zwecke sind nahezu erschöpft und die Stadt sei derzeit in Gesprächen über zentrale Unterbringungsmöglichkeiten. Diese Lösungen können jedoch erst mittel- bis langfristig Abhilfe schaffen. Daher bittet die Stadt Hallenberg auch weiterhin dringend darum, freie Wohnungen im Stadtgebiet beim Fachbereich Soziales unter 02984-303100 oder info@stadt-hallenberg.de zu melden.

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Winterberg: Die Stadt Winterberg erfülle derzeit die FlüAG-Quote mit 104,65 Prozent, so die Stadt. Nach einem Schnellbrief des Städte- und Gemeindebundes müssten aber auch Kommunen, die derzeit ihre Quote übererfüllen, so wie Winterberg, mit einem deutlichen Abschmelzen ihres Aufnahmeüberschusses rechnen und werden demnächst ggf. Zuweisungen erhalten. Bürgermeister Michael Beckmann: „Wir Kommunen sind an der Grenze der Belastbarkeit und zum Teil schon jetzt darüber hinaus, daher fordern wir vom Land, dass das Land in seinen Bemühungen, neue Landeseinrichtungen zu schaffen, nicht nachlässt. Es kann und darf nicht, dass wir Kommune jetzt noch mehr belastet werden und die Zuweisungen in den nächsten Wochen zunehmen. Deswegen fordern wir, gemeinsam mit dem Städte- und Gemeindebund, von Bund und Land seit geraumer Zeit eine Flüchtlings-Initiative, die uns Kommunen unterstützt und nicht noch weiter belastet“.Auf die Frage, wie sie damit umgehen werde und ob das zu Einschränkungen führe, antwortet die Stadt Winterberg: „Wir bereiten uns auf steigende Zuweisungszahlen vor. Daher haben wir unsere Taskforce ‚Wohnraumakquise‘ wieder aktiviert. Denn, die Unterbringung ist eine große Herausforderung bei den Zuweisungen von geflüchteten Menschen. Bisher ist es uns immer gelungen, den Flüchtlingen entsprechenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen“. Neben der Herausforderung der Unterbringung gebe es weitere Herausforderungen, um die sich die Stadt kümmern müsse. So gehe es um alle Aspekte, die zu einem gelungenen Integrationsprozess dazu gehörten. Es gehe auch um Themen wie die Betreuung oder die Beschulung von Kindern und Jugendlichen. „Auch hier kommen wir Kommunen, unsere Schulen und Betreuungseinrichtungen an Grenzen, wenn es z.B. darum geht, genügend Räume an unseren Schulen zur Verfügung zu stellen“, so Bürgermeister Beckmann abschließend.

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Medebach: Laut der Stadt Medebach und ihrem Bürgermeister Thomas Grosche haben sie die FlüAG-Quote aktuell zu 120,62 Prozent erfüllt, sodass sie grundsätzlich derzeit keine Zuweisungen erhalten dürften. Sollten die Quoten jedoch erhöht werden, könnte dies auch Medebach betreffen, da bereits angekündigt wurde, dass „Aufgrund der starken Dynamik im FlüAG-System auch die Kommunen, die derzeit ihre Quote übererfüllt haben, mit einem deutlichen Abschmelzen ihres Aufnahmeüberschusses rechnen müssen und demnächst ggf. Zuweisungen erhalten werden.”Zudem muss Medebach täglich mit Zuweisungen nach Paragraph 12a Aufenthaltsgesetz (anerkannte Flüchtlinge mit Wohnsitzauflage) rechnen, da dort ihre Quote nicht erfüllt ist. Im Falle verstärkter Zuweisungen ist Medebach grundsätzlich vorbereitet und hat durch vorausschauende Akquise aktuell noch Unterkunftsmöglichkeiten. Allerdings wird es zunehmend schwieriger, die Unterbringung sicherzustellen. Mittelfristig werden sie erhebliche Probleme bekommen, wenn es ihnen nicht gelingt, zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten zu finden.

Brilon: Anders als viele andere Städte rechnet Brilon aktuell nicht mit Einschränkungen durch die Zuweisung der Bezirksregierung. Laut der Stadt Brilon sei auch sie von der Zuweisung betroffen. Es handele sich um insgesamt sechs Personen, die aufgenommen werden, darunter eine aus Guinea, zwei aus dem Iran, eine aus Syrien und zwei aus der Ukraine. Die Platzkapazitäten werden schneller zusammenschrumpfen, so die Stadt, aber weitere Einschränkungen seien aktuell nicht abzusehen.

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Olsberg: Der Stadt Olsberg werden am 24. und 28. August zusätzlich zwei Familien mit jeweils drei Personen zugewiesen. Diese insgesamt sechs Personen könnten in vorhandenen Unterkünften untergebracht werden, so die Stadt. Die Stadt Olsberg werde sich bemühen, die Familien in geeigneten Wohnungen unterzubringen und sie auf ihrem weiteren Weg zu begleiten. Daher bittet sie dringend, freie Wohnungen bei der Stadt Olsberg zu melden – entweder bei Marita Rüther unter 02962-982283 oder per E-Mail an ukrainehilfe@olsberg.de. Die Stadt Olsberg werde jetzt noch schneller die wenigen noch freien Plätze belegen müssen. Die Aufnahmekapazitäten seien nahezu erschöpft. Olsberg setzt nach eigener Angabe weiterhin auf eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und versucht, Wohnungen anzumieten. In den Schulen und Kindergärten sorgten Kinder ohne jegliche Sprachkenntnisse für erheblichen Mehraufwand, um diese einzubinden.

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Marsberg:Bei der Stadt Marsberg seien aktuell so viele Flüchtlinge untergebracht, wie noch nie, sagt Bürgermeister Thomas Schröder: „90 Prozent unserer Kapazitäten sind bereits vergeben. Es wird mittlerweile wirklich knapp“. Zwar unterstütze auch die LWL-Klinik mit ihrem Standort an der Bredelarer Straße die Stadt mit weiteren Unterbringungsmöglichkeiten. Es sei aber abzusehen, dass dies auf Dauer nicht ausreiche. Aktuell befänden sich insgesamt 588 Flüchtlinge in Marsberg, Die Marsberger Einwohner werden deshalb gebeten, sich unter der Rufnummer 02992-602265 an den Sozialamtsleiter Michael Becker zu wenden, wenn sie kurzfristig Wohnraum zur Verfügung stellen könnten. Mit weiteren Einschränkung, sei derzeit nicht zu rechnen, so Schröder.