Assinghausen. 300 eingelegte Heringe an einem Wochenende sind keine Seltenheit. Als Kleinster unter den Großen feiert der Lebensmittelladen Birkhölzer Jubiläum.

Unter den Kleinen ist er der Größte. Und unter den Großen der Kleinste. Während in vielen Orten der Dorfladen von der Bildfläche verschwindet, hat das 700-Seelen-Dorf Assinghausen noch ein Lebensmittelgeschäft mit Vollsortiment. Bei Birkhölzers gibt es nichts, was es nicht gibt. Und auch preislich, so versichert Geschäftsinhaber Thomas Birkhölzer, könne man jederzeit mit den Discountern Schritt halten. „nah & frisch – Einkaufen, wo man sich kennt“, lautet die Devise des Nahversorgers aus Leidenschaft – und aus Tradition.

Darf es eine Scheibe mehr sein? Ob an der Kasse oder an der Käsetheke - seit mehr als 40 Jahre schätzen die Kundinnen und Kunden  die Freundlichkeit von Brigitte Becker.
Darf es eine Scheibe mehr sein? Ob an der Kasse oder an der Käsetheke - seit mehr als 40 Jahre schätzen die Kundinnen und Kunden die Freundlichkeit von Brigitte Becker. © WP | Thomas Winterberg

Wenn es an diesem Samstag ab 10 Uhr für die Kunden ein Gläschen Sekt gibt, haben Birkhölzers zwei Gründe zum Anstoßen. 40 Jahre ist es her, dass das Geschäft am „Alten Schmiedeplatz 1“ eröffnet wurde. Und mit Brigitte Becker (70) wird eine Mitarbeiterin verabschiedet, die über 40 Jahre bei „Birkis“, wie es die Kinder sagen, beschäftigt war – sogar schon bei den Eltern des jetzigen Geschäftsinhabers.

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Früher sechs Geschäfte im Ort

„Ganz früher gab es sechs oder sieben Lebensmittelgeschäfte im Dorf – manche im Nebenerwerb. So hat auch mein Opa Josef angefangen, der eigentlich Malermeister war“, erzählt Thomas Birkhölzer. Seine Oma habe ab 1930 an der Hauptstraße 117 in zwei Zimmern des Wohnhauses Kolonialwaren und Malerzubehör verkauft. Der Laden wurde größer, als Sohn Heinrich und dessen Ehefrau Marianne das Ruder übernahmen und die Verkaufsfläche in den 60-er Jahren auf 60 Quadratmeter vergrößerten. 1959 traten sie dem A & O Einkaufsverband bei und 1967 machte Heinrich Birkhölzer schon damit Werbung, dass bei ihm im Laden Selbstbedienung gelte - damals ein Novum.

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Expansionspläne

Nachdem der jetzige Firmenchef Thomas Birkhölzer seine Ausbildung zum Lebensmittel-Einzelhandelskaufmann beendet hatte, nahmen Expansionspläne mehr und mehr Gestalt an. „Bei uns zu Hause war das aus mehreren Gründen nicht möglich. Da bot sich der Kauf des Werkstattgebäudes der Firma Stahlbau Essfeld an, die ins Gewerbegebiet umgezogen war. Das ist nun 40 Jahre her – streng genommen 40,5 Jahre. Aber wegen Corona feiern wir etwas später.“ Das Geschäft hat nun 250 Quadratmeter Fläche inklusive Lager. Die täglich frischen Backwaren kommen von einem Bäcker aus Meschede-Olpe, die Wurst- und Fleischwaren von einer Metzgerei in Schmallenberg. Das andere Sortiment beziehen die Birkhölzers über den Einkaufsverbund „Markant“. Lieferant ist die Firma Bünting in Leer/Ostfriesland. Die Ware kommen aber von den Lagerstandorten in Osnabrück und Salzkotten. Über dem Geschäft steht aber noch „Ihre Kette“ - ein mitunter verwirrende Bezeichnung: „Ein Lkw-Fahrer hat mich mal gefragt, ob wir hier Eisenketten herstellen; seitdem haben wir ,Lebensmittelfachgeschäft´ dazu geschrieben.“

Einkaufen und Kommunizieren

In einem Dorf wie Assinghausen kennt jeder jeden. Der Einkauf dient zugleich der Kommunikation. Man trifft sich, man unterhält sich. Manchmal sitzt man auch mit einem Kaffee draußen an der hölzernen Tisch-Bank-Kombination und macht ein Päuschen. Radfahrer halten hier an und pausieren. „Manche lassen sich ein Brötchen schmieren und belegen, anderen tischen wir auch schon mal ein heiß-gemachtes Schnitzel mit Kartoffelsalat auf oder wieder andere trinken gern ein Gläschen Sekt. Das haben wir alle schon gehabt“, sagt Martina Birkhölzer, die in der Hochzeit des Kartoffelbratens noch eine besondere Rolle übernimmt. „Wir legen nach alter Tradition Sahneheringe selber ein. Manchmal sind das an Wochenenden bis zu 300 Fische.“

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Brigitte Becker hat bis zu ihrem 70. Lebensjahr an der Kasse oder hinter der Verkaufstheke gestanden. Nach und nach hat sie ihre Stundenzahl reduziert, hilft aber immer noch aus, wenn Not an der Frau ist: „Ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. Wir haben ein sehr freundliches und familiäres Verhältnis. Bei aller Arbeit – vom Einräumen über das Bedienen und Kassieren – hatten wir immer Zeit für ein persönliches Gespräch bei einer Tasse Kaffee. Das werde ich vermissen – und den Kontakt zu den Kunden, die immer ein freundliches Wort auf den Lippen hatten und haben. „Da hat sich nichts geändert – auch in 40 Jahren nicht! Aber mit 70 wird es dann doch langsam Zeit, sich zur Ruhe zu setzen.“

Wie sieht die Zukunft aus?

Darüber denken auch Thomas (62) und Martina (61) Birkhölzer manchmal nach. Von den drei Kindern wird keines den Laden übernehmen. „Man kann dieses Geschäft nur in einer ähnlichen Konstellation betreiben wie meine Frau und ich es gemacht haben. Als Ehepaar oder zum Beispiel zwei Freundinnen, die vom Fach kommen. Vielleicht möchte auch jemand zunächst im Angestelltenverhältnis einsteigen, sich das Ganze anschauen und dann vielleicht später übernehmen. Als Selbstständiger oder Selbstständige kann man sich den Druck selbst machen oder selbst einteilen“, schmunzelt Thomas Birkhölzer. Verkaufen möchte er das Geschäft nicht unbedingt, eigentlich lieber verpachten oder vermieten. Es sei denn, alle Voraussetzungen wären derart gut...

Der Kleinste und den Großen und der Größte und den Kleinen - das ist der Lebensmittelmarkt Birkhölzer in Assinghausen.
Der Kleinste und den Großen und der Größte und den Kleinen - das ist der Lebensmittelmarkt Birkhölzer in Assinghausen. © WP | Thomas Winterberg

Man merkt, dass sehr viel Herzblut daran hängt. Im Frühjahr haben die Birkhölzers, die den Betrieb mit Hilfe einiger Teilzeitkräfte wuppen, erstmals die Öffnungszeiten reduziert. Es gibt einen Ruhetag am Montag, aber ansonsten stehen die Birkhölzers und ihr Team nach wie vor jeden Tag von 6.30 bis 18.30 Uhr hinter der Ladentheke. Lediglich samstags ist nur bis 15.30 Uhr auf. „Die Kunden haben mit Verständnis darauf reagiert; sie wissen, dass wir versuchen, alles möglich zu machen und tun das auch gerne. Aber auch wir kommen körperlich an unsere Grenzen.“

Konkurrenzfähig sein

Allein von der Kundschaft aus Assinghausen könnte der Laden nicht existieren. Aber die persönliche Ansprache, die Freundlichkeit und die preisliche Konkurrenzfähigkeit sind unschlagbare Argumente und Gründe, warum das Geschäft bislang gut überleben konnte. Und weil auch in den Nachbardörfern immer mehr kleine Läden zumachen, haben die Birkhölzers viele Stammkunden. „Inzwischen kommen auch schon mal die Kinder mit dem Fahrrad über den Berg zu uns, weil es bei ihnen zum Beispiel keine Süßigkeiten mehr zu kaufen gibt.“ Thomas Birkhölzer und seine Frau sind davon überzeut, dass der Laden auf dem Dorf eine gute Zukunftsperspektive hat: Wenn man hier alles einkaufen kann, was man woanders nicht billiger bekommt.“ Und wenn Service und Freundlichkeit stimmen, dann gibt es auch in 40 Jahren in Assinghausen noch einen Lebensmittelladen.