Marsberg/Brilon. Ein Mann in den USA erkrankt an Leukämie. Seine Rettung ist vermutlich Kristen Diekmann aus Brilon. Die junge Frau erzählt über ihre Gefühle.

Kristin Diekmann (34) arbeitet im Medizin-Controlling des St.-Marien-Hospitals Marsberg. Mit ihrer Stammzellenspende hat die Brilonerin einem Amerikaner ein zweites Leben geschenkt. Im Gespräch mit der WP erzählt sie, was nach dem Anruf der „Deutschen Knochenmarkspenderdatei“ (DKMS) passierte und wie es ihr damit erging.

Frau Diekmann, haben Sie jemals damit gerechnet, dass Sie mit Ihrer Stammzellenspende tatsächlich für einen erkrankten Menschen in Frage kommen würden?

Kristin Diekmann: Als ich mich vor etwa sieben Jahren bei der DKMS registrierte, hielt ich es eher für unwahrscheinlich, jemals kontaktiert zu werden.

Was hat Sie zu einer Spende motiviert?

Erst einmal habe ich als gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin ein Bedürfnis, anderen Menschen zu helfen. Und: Meine Großmutter hatte vor 40 Jahren Leukämie. Sie stand vor einer notwendigen Stammzellenspende und musste die Erfahrung machen, dass ihr Bruder nicht spenden wollte. Sie hat die Krankheit überlebt und ist mittlerweile 78 Jahre.

Von der DKMS telefonisch kontaktiert

Und wie ging es für Sie weiter? Also, Sie haben gespendet und dann?

Zunächst wurde ich von der DKMS per Telefon und Email kontaktiert. Meine registrierte DNA würde gegebenenfalls für eine notwendige Stammzellenspende infrage kommen. Ich wurde gefragt, ob ich weiterhin bereit wäre, Stammzellen zu spenden.

Wie war das für Sie, als Sie erfuhren, Sie kämen eventuell infrage?

Puuh, im ersten Moment war ich total aufgeregt. Für mich war allerdings sofort klar, dass ich weiterhin dazu bereit wäre. Im direkten Anschluss wurde mir ein ausführlicher Fragebogen per Email zugesendet, den ich schnellstmöglich ausfüllen musste. Der Fragebogen wurde von Ärzten der DKMS überprüft und ich wurde zur Blutentnahme freigeschaltet. Mit der folgenden Blutentnahme wurden weitere, notwendige Übereinstimmungen überprüft. Gleichzeitig wurde mein Bruder ebenfalls von der DKMS kontaktiert und auch um eine Blutentnahme beim Hausarzt gebeten.

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Dauerte es lange, bis Sie dann weitere Nachrichten erhielten?

Nach ein paar Tagen erhielt ich die Nachricht, dass meine DNA mit der DNA des Stammzellenempfängers übereinstimmt. Daraufhin wurde ich in ein Stammzellenzentrum gebeten. Ich bekam eine Ansprechpartnerin zugeteilt, die sich um die Anreise, notwendige Hotelübernachtungen, Verdienstausfall etc. kümmerte. Der Termin im Stammzellenzentrum war etwa vier Wochen nach dem ersten Kontakt. Ich wurde dort komplett untersucht und in einem ausführlichen Arztgespräch über zwei verschiedene Möglichkeiten einer Spende aufgeklärt: Es kommt eine periphere Stammzellenspende über eine Bluttransfusion infrage, oder die Stammzellenentnahme aus dem Beckenkamm.

Irgendwann kamen Zweifel auf

Für welche der beiden Möglichkeiten haben Sie sich entschieden?

In etwa 90 Prozent der Fälle wird die periphere Stammzellenspende bevorzugt, so war es auch bei mir. Nach den Untersuchungen wurde ich für die Spende freigegeben. Mein Bruder wurde darum gebeten, sich ebenfalls für eine Spende bereitzuhalten, falls in meinem Fall etwas nicht nach Plan laufen sollte. Er war also der Ersatzspender. Fünf Tage vor dem nun feststehenden Spendentermin musste ich mir zweimal täglich das Medikament „Granocyte“ (Wachstumfaktoren) subcutan spritzen. Im Vorfeld bekam ich bereits die Information, dass das Medikament nicht immer so gut vertragen wird. Ich habe direkt am ersten Tag starke Schmerzen im Lendenwirbel/ Hüftbereich und starke Kopfschmerzen verspürt. Mir wurde aber ausreichend Paracetamol mitgegeben, so dass es auszuhalten war.

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Kamen denn nie Zweifel bei Ihnen auf, sich diesem zu stellen?

Doch, zu diesem Zeitpunkt habe ich zum ersten Mal den Gedanken gehabt, diese ganze Prozedur nicht noch einmal für einen Fremden durchmachen zu wollen, sondern nur noch für jemanden aus meiner Familie oder dem Bekanntenkreis.

Und dann kam der Tag der Spende, wie war der Ablauf?

Ich bin bereits am Tag vor der Spende angereist. Wieder wurde alles von der DKMS-Koordinatorin gemanagt. Zudem durfte ich am Tag der Spende eine Begleitperson mitbringen. Am Tag der Spende musste ich mir ebenfalls noch eine doppelte Dosis Granocyte supcutan spritzen. Das Medikament bewirkt im Grunde, dass vermehrt Stammzellen produziert und in die Blutbahn ausgeschwemmt werden. Nach einem guten Frühstück ging es dann um 8 Uhr direkt los. Mir wurden zwei Zugänge gelegt, ähnlich einer Blutspende, und ich wurde an das Gerät angeschlossen. Die Spende dauert in der Regel drei bis fünf Stunden. In der Zeit ist man mobil eingeschränkt, jedoch kann man sich mit Musik oder IPad beschäftigen. Während des ganzen Prozesses sind Ärzte und pflegerisches Fachpersonal da, ich habe mich sehr gut versorgt gefühlt.

Und nach der Spende?

Nach der Spende sollte ich mich zwei Stunden lang im Hotel ausruhen. Man erhält am Nachmittag einen Anruf aus dem Stammzellenzentrum, ob die Stammzellen gereicht haben oder ob man am nächsten Tag noch mal wiederkommen muss. Ersteres war bei mir der Fall. Als ich am nächsten Tag wieder zuhause war, wurde ich nochmals telefonisch kontaktiert. Ich habe erste Informationen über den Stammzellenempfänger erhalten. Damit die Privatsphäre für beide Parteien gewährleistet ist, besteht zwei Jahre lang eine Kontaktsperre. Mir wurden nur die folgenden Informationen gegeben: männlich, über 30 Jahre, wohnhaft in den USA.

Sie würde es jederzeit wieder tun

Mehr also nicht?

Es sind nur diese drei Informationen. Jedoch verspürte ich in dem Moment, als ich das hörte, eine unglaubliche Freude, eine Nähe zu dem Empfänger und Dankbarkeit, einem Menschen hoffentlich das Leben retten zu können. In diesem Moment war für mich klar, dass ich das jederzeit wieder tun würde, auch wenn die Phase der Medikamenteneinnahme nicht angenehm war. Meine Stammzellen wurden eingefroren und in die USA transportiert. Ich habe die Mitteilung erhalten, dass die Stammzellen dem Empfänger verabreicht worden sind. Nun werde ich über die DKMS in gewissen Abständen über den Gesundheitszustand des Empfängers informiert. Ich bin für zwei weitere Jahre ausschließlich für diesen Empfänger reserviert.

Dann wollen wir mal die Daumen drücken, dass es dem Patienten aus den USA bald bessergehen wird. Was macht das alles mit Ihnen?

Ich möchte meine Erfahrungen niemals missen und hoffe sehr, dass der Stammzellenempfänger, mein DNA-Zwilling, dadurch gesund wird und ich ihn irgendwann persönlich kennenlernen darf.