Hochsauerlandkreis. Beim Thema Baden „oben ohne“ für alle ist die Nachfrage im Hochsauerlandkreis verhalten. Auch die Frage der Intimsphäre sorgt für Bedenken:
Mit den steigenden Temperaturen imHochsauerlandkreis nähert sich auch in riesigen Schritten die Freibadsaison: Am ersten Wochenende im Juni eröffnen das Waldfreibad Gudenhagen und das Siedlinghauser Freibad, das Almer Freibad „Badcelona“ plant den Saisonstart zu Beginn der Sommerferien. Mit der kommenden Badesaison rückt auch eine alte Frage wieder in den Fokus: Wie stehen Schwimmbäder im Altkreis Brilonzum Thema Baden „oben ohne“?
Seit ein Fall aus Berlin im vergangenen Winter die mediale Diskussion um das Thema wieder aufheizte, setzen sich bundesweit immer mehr Schwimmbäder mit einer geschlechtergerechten Badeordnung auseinander. Diese sieht vor, dass Frauen und Männer in öffentlichen Badeanstalten nach den selben Kriterien schwimmen gehen dürfen - auf Wunsch auch ohne Oberbekleidung.
Beschwerde über Diskriminierung
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Der Berliner Fall sorgte für Schlagzeilen: Nachdem sie sich weigerte, ihre Brüste zu verdecken, wurde eine 33-Jährige im Dezember aus einem Berliner Schwimmbad geworfen. Sie legte daraufhin offiziell Beschwerde wegen Diskriminierung ein und bekam Recht - die Berliner Bäderbetriebe setzten im März in einer internen Anweisung fest, dass die Badeordnung in Zukunft geschlechtergerecht angewandt und das Schwimmen ohne Oberbekleidung für alle Menschen erlaubt sein solle. Seitdem ziehen immer mehr Schwimmbäder nach: seit März und April haben z.B. Bäder in Bochum und Köln ihre Nutzungsordnungen geändert, in Siegen ist das Baden oben ohne schon seit dem vergangenen September offiziell erlaubt.
Die Diskussion um eine verpflichtende Badeoberbekleidung für Frauen und nonbinäre, weiblich gelesene Menschen hat durch den Berliner Fall in diesem Frühjahr wieder Aufwind erhalten, wird aber schon lange und vor allem zur Badesaison immer wieder geführt. Zugrunde liegt die Forderung, dass die weibliche oder weiblich gelesene Brust nicht anders behandelt werden sollte als eine männliche oder männlich gelesene. Auch in den Sozialen Medien wird das Thema vieldiskutiert, da zum Beispiel Plattformen wie Instagram bislang noch eine automatische Zensur bei der Darstellung von weiblich gelesenen Brüsten vornehmen, während Bilder von nackten männlichen Oberkörpern als nicht problematisch angesehen werden.
Bisher noch keine Nachfrage
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Für Schwimmbäder im Altkreis Brilon ergeben sich durch die Diskussion um das Baden „oben ohne“ bisher noch keine Konsequenzen. „In Marsberg ist das bisher noch überhaupt kein Thema“, erklärt ein Mitarbeiter des Hallenbads und der Saunalandschaft „Diemeltal“ in Marsberg. In der Badeordnung sei diesbezüglich keine Änderung vorgesehen, dort werde eine reguläre Badebekleidung für die Schwimmbadnutzung vorgeschrieben. „Es hat bis jetzt aber auch keine Nachfrage gegeben.“ Somit gebe es für den Betrieb aktuell noch keine Veranlassung, die alten Strukturen zu ändern.
In Brilon ist die Lage ähnlich: „Laut der Badeordnung für das Waldfreibad Gudenhagen und der Badeordnung für das Briloner Hallenbad ist der Aufenthalt im Freibad beziehungsweise in der Schwimmhalle nur in üblicher Badekleidung gestattet“, erklärt die Pressestelle der Stadt Brilon. Die Entscheidung darüber, ob eine Badekleidung diesen Anforderungen entspricht, liege beim Schwimmmeister. „Bislang gab es diesbezüglich keine Nachfrage“, erklärt Dietmar Michel, Schwimmmeister vom Hallenbad Brilon, „Wir lassen das auf uns zukommen und warten ab, was die Saison bringt.“
Auch in Winterberg sei noch keine dementsprechende Anfrage eingegangen, so Pressesprecherin Rabea Kappen. „In unserer Badeordnung steht, dass der Aufenthalt im Nassbereich der Bäder nur in üblicher Badebekleidung gestattet wird.“
Im Aqua Olsberg, dessen Sauna- und Solebereich zwar weiterhin geschlossen bleiben, das jedoch Freizeitbad aktuell wieder geöffnet ist, sieht es ähnlich aus: „Im Aqua Olsberg hat es aktuell und in der Vergangenheit keine entsprechenden Anfragen zum Thema gegeben“, so Elisabeth Nieder von der Stadt Olsberg. Sollte es tatsächlich zu entsprechenden Anfragen kommen, werde man versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, welche die Interessen aller Besucherinnen und Besucher berücksichtigt.
Frage der Intimsphäre
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Eine Online-Umfrage in den Sozialen Medien zeigte auch bei vielen potenziellen Badegästen im Hochsauerlandkreis ein geteiltes Meinungsbild: Die Hälfte der Teilnehmenden befürwortet das Baden ohne Oberbekleidung für alle, während knapp 21 % eher dagegen sind. Ein großer Anteil der Teilnehmenden, knapp 29 %, findet das Thema schwierig.
Eine junge Frau aus dem Raum Marsberg, die anonym bleiben möchte, bringt die Problematik auf den Punkt: Sie befürchtet, dass sich Frauen ohne Oberbekleidung in öffentlichen Badeanstalten nicht sicher fühlen können. Der Grund dafür seien andere Menschen, welche die Intimsphäre solcher Frauen nicht respektieren. Es bestehe immer die Gefahr, angestarrt oder heimlich fotografiert zu werden. Nicht selten komme es vor, dass solche Bilder dann im Netz landen: „Die Schwierigkeit liegt für mich nicht am Thema selbst, sondern eher an unseren Social Medias. Heutzutage wird so viel heimlich aufgenommen und ins Netz gestellt.“ Diesbezüglich habe sie schon in anderen Situationen einschlägige Erfahrungen gemacht, die die junge Frau geprägt haben. Das fange schon bei der Kleidung an, aufgrund welcher sie manchmal angestarrt werde: „Ich mag mir nicht vorstellen, wenn man oben ohne im Freibad liegt und angegafft wird. Solange es solche respektlosen Menschen gibt, werde ich mich oben ohne in der Öffentlichkeit nicht zeigen. Einfach um mich selbst zu schützen. Anderen mag das vielleicht nichts ausmachen, genau deswegen ist das Thema so schwierig.“ Die Frage, ob Baden „oben ohne“ für alle möglich sein sollte, ist also nicht nur eine Frage der geschlechtergerechten Badeordnung, sondern vor allem auch eine Frage der Sicherheit der Intimsphäre von Frauen und weiblich gelesenen Menschen.