Marsberg. Beckenbodentherapie wird von vielen Fachärzten noch nicht anerkannt. Melanie Rosenkranz aus Marsberg erklärt, warum sie medizinisch wichtig ist
„Die Menschen werden offener und sensibler für ihren Köper.“ Melanie Rosenkranz aus Marsberg sieht in dem steigenden Interesse und Bewusstsein für Gesundheit eine positive Entwicklung. Die 45-Jährige ist Physiotherapeutin bei Activa, der Praxis für Krankengymnastik, Prävention und Rehabilitation in Marsberg und hat sich auf die Beckenbodentherapie spezialisiert. Die gesundheitliche Relevanz des Beckenbodens und damit auch der gezielten Therapie ist jedoch längst noch nicht überall angekommen, sie wird auch von vielen Fachärzten nicht anerkannt.
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„Gerade in der alten medizinischen Schule hat die Beckenbodentherapie oft noch einen schweren Stand“, erklärt die Expertin. Dabei spiele der Beckenboden gesamtgesundheitlich für eine wichtige Rolle: „In der Gynäkologie und der Geburtshilfe wird die Bedeutung der Beckenbodengesundheit schon anerkannt. Sie ist aber auch für die Orthopädie sehr wichtig, ebenso für die Urologie und die innere Medizin. Auch in der Psychosomatik hat der Beckenboden große Relevanz.“ Bei dem Beckenboden handelt es sich um ein mehrschichtiges Muskelkonstrukt, das zusammen mit dem Zwerchfell, der Bauch- und der tiefen Rückenmuskulatur den Körper stützt. Dabei erfüllt es viele Funktionen, zum Beispiel sorgt es für ein gutes Gleichgewicht und stabilisiert den Körper. Auch werden durch den Beckenboden die Organe kontrolliert, die für die Ausscheidung wichtig sind. Melanie Rosenkranz ist sich sicher: „Wenn mit dem Körper etwas nicht stimmt, läuft das auch über den Beckenboden. Es geht alles durch die Körpermitte.“ Deshalb wirken sich gesundheitliche Probleme in vielen verschiedenen Fachbereichen auf den Bereich des Beckenbodens aus. So können zum Beispiel Harn- oder Stuhlinkontinenz, Schmerzen im Becken oder im Genitalraum oder körperliche Anspannung als Symptome auftreten, wenn gynäkologische, urologische oder auch psychosomatische Beschwerden vorliegen.
Therapienetzwerk in der Region
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In vielen Fällen kann eine Beckenbodentherapie helfen. „Um zu wissen, wo genau die Ursachen für Beschwerden liegen, wird zuerst ein ganzheitlicher Befund gemacht“, beschreibt die Physiotherapeutin das Verfahren. Je nachdem, um welche Beschwerden es sich handelt, gebe es dann wie in anderen Bereichen der Physiotherapie auch ganz verschiedene Therapiemaßnahmen. „Auf Grundlage des Befunds und im Gespräch mit den Patienten entwerfen wir dann einen Therapieplan. Die Behandlung wird genau an die Bedürfnisse angepasst.“
Aktuell entsteht in der Region ein Netzwerk aus spezialisierten Therapeutinnen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologie Geburtshilfe Urologie Proktologie (AG GGUP). Das Ziel ist es, die Beckenbodentherapie in einer Qualität anbieten zu können, die dem aktuellen medizinischen Standard entspricht. Auf der Homepage der AG GGUP können sich Ärzte und Patienten über die Arbeit der AG informieren und entsprechende Therapeutinnen und Therapeuten in ihrer Nähe finden. Auch Informationen über die Möglichkeit einer ärztlichen Verordnung von Physiotherapie und über Hilfsmittel können auf der Homepage nachgelesen werden.
Mythen über den Beckenboden
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Über das Thema Beckenbodengesundheit gibt es viele Mythen. Mit einigen räumt Melanie Rosenkranz auf: „Es stimmt zum Beispiel nicht, dass nur Frauen auf ihren Beckenboden achten sollten. Zwar haben Männer weniger Probleme, weil ihre Beckenform eine andere ist, aber sie können trotzdem von einem Training profitieren.“ Ein weiterer Mythos besteht in der Annahme, dass Frauen nur während und nach einer Schwangerschaft den Beckenboden trainieren müssen: „Beckenbodengesundheit ist für jede Altersgruppe relevant. Ich habe auch Kinder und Seniorinnen als Patientinnen, das Thema betrifft jede Altersklasse.“ Auch die weit verbreitete Annahme, dass bei Problemen der Beckenboden grundsätzlich zu schwach ist und durch Training gestärkt werden muss, stimme so nicht: „Natürlich kann gezieltes Training bei bestimmten Beschwerden helfen, aber häufig ist der Beckenboden auch überspannt, wodurch auch Beschwerden entstehen.“ Grundsätzlich sei es wichtig, zu messen und zu schauen, wo genau das Problem liegt. Daran müsse das Training ausgerichtet werden. „Das Ziel ist es, den Beckenboden anspannen und auch entspannen zu können.“