Olsberg/Brilon. Zigarette im Gesicht ausgedrückt, mit einem Messer bedroht: Das wirft eine Brilonerin ihrem Ex-Freund vor. Doch ihre Aussagen widersprechen sich.

Die Vorwürfe klingen grausam. Ein 21-Jähriger soll vor zwei Jahren seiner Ex-Freundin eine Zigarette im Gesicht ausgedrückt haben. Soll ihr ein Messer an den Bauch, sie bedroht haben. Jetzt, mehr als zwei Jahre später, muss er sich vor Gericht deswegen verantworten. Die Anklage lautet: versuchte gefährliche Körperverletzung. Der Angeklagte bestreitet die Vorfälle. Er sagt: „Das stimmt so nicht.“

Er habe versucht, eine Zigarette in ihrem Gesicht auszudrücken

Januar 2021. Die Anklageschrift schildert die Ereignisse, wie sie passiert sein sollen. Der Angeklagte habe sich mit seiner damaligen Freundin und einer kleinen Clique im Olsberger Kurpark aufgehalten. Er habe versucht, eine Zigarette in ihrem Gesicht auszudrücken, daraufhin sei sie gestürzt. Später habe er ihr ein Messer vor den Bauch sowie den Oberschenkel gehalten. Der Angeklagte bestreitet dies. Er habe in der Tat von 2018 bis 2020 in Olsberg gelebt. Im Januar 2021 aber nicht. Ein Jahr zuvor habe sein Großvater einen Schlaganfall erlitten, der 21-Jährige sei bei ihm gewesen und erst Mitte 2021 wieder nach Olsberg zurückgekehrt. „Es kann also gar nicht im Januar passiert sein“, sagt er.

Im Gerichtssaal im Amtsgericht Brilon musste sich der 21-Jährige verantworten.
Im Gerichtssaal im Amtsgericht Brilon musste sich der 21-Jährige verantworten. © WP | Franz Köster

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„Meine Freundin hat gemerkt, dass ich Angst hatte und hat mich weggeholt“

Im Zeugenstand wird seine Ex-Freundin gehört. Die 16-Jährige spricht emotionslos, muss oft lange überlegen bis sie etwas sagt. „Ich war im Kurpark unterwegs, mit Freunden zusammen. Er hatte ein Messer dabei und hielt es mir an den Körper. Meine Freundin hat gemerkt, dass ich Angst hatte und hat mich weggeholt. Er ist uns an einen Tisch gefolgt und hat das Messer in den Tisch gerammt, ganz nahe an meiner Hand. Meine Freundin hat mich dann wieder weggeholt.“ Das ist ihre erste Version. Auf Nachfrage von Richter Härtel wird sie genauer. „Wir standen dann an der Konzerthalle und er hat mir ein Messer an den Bauch gehalten und mich gefragt, ob ich schon etwas spüre.“ Sie ergänzt: „Seitdem ich ihn kenne, hatte ich Angst vor ihm.“ Getrennt hätten sie sich irgendwann im Sommer 2021. Richter Härtel hakt nach, auf der Wache am 16. Januar habe sie angegeben, dass sie sich vor einem Tag, also kurz nach den Ereignissen im Kurpark getrennt hätten. Ganz genau weiß die Zeugin das nicht mehr. Wieder hakt Richter Härtel nach. Manchmal, das fragt er unverbindlich, habe man schon von Beziehungsstreits gehört, in denen eine Zigarette eine Rolle spiele. Ob sie so etwas auch erlebt habe. „Nein, das weiß ich nicht“, antwortet die Zeugin. Der Staatsanwalt fragt konkreter: „Hat Ihr Ex-Freund Ihnen eine Zigarette im Gesicht ausgedrückt an diesem Abend?“ Plötzlich nickt sie. Jetzt wisse sie wieder. „Das war aber nichts schlimmes, er hat es nur versucht und das habe ich auf der Wache nicht erzählt.“ „So steht es aber im Protokoll, das auf der Wache angefertigt wurde“, wird ihr vorgehalten. „Vielleicht hat meine Mama das erzählt, ich weiß ja nicht was sie manchmal den Polizisten sagt“, erwidert das Mädchen nur. Selbst, ob es ihre Entscheidung oder die der Mutter gewesen sei, zur Wache zu gehen und Anzeige zu erstatten, weiß sie nicht mehr. Mal sagt sie es wäre die Mutter gewesen, mal heißt es, es sei ihre eigene Entscheidung gewesen. Richter Härtel fragt offen: „War die Anzeige auf der Wache ein Racheaktion?“ Die Zeugin verneint.

Zu schwammig seien die Aussagen der Zeugin

Als die Zeugin den Saal verlässt, wendet sich Richter Härtel an den Staatsanwalt und den Pflichtverteidiger Oliver Brock. Er schlägt vor, das Verfahren einzustellen. Zu schwammig seien die Aussagen der Zeugin. Man ist sich einig, das Verfahren aber noch nicht vorbei, denn ein weiterer Anklagepunkt wird verhandelt. Der 21-Jährige soll im Januar 2022 in Olsberg in ein Haus eingebrochen sein, das wegen eines Brandes leer gestanden habe. Der Angeklagte gibt diesen Vorfall unumwunden zu. Er habe den Schlüssel aus dem Briefkasten genommen und sei in das Haus eingedrungen. Mitgenommen habe er einen Akkuschrauber, Schmuck und ein Schwert.

Auch der 21-Jährige erzählt ohne Emotionen

Bevor die Plädoyers folgen, fragt Richter Härtel den Angeklagten nach seiner Kindheit. Auch der 21-Jährige erzählt ohne Emotionen. Sein Vater sei schon immer heroinabhängig, mit zwei sei er zu seinen Großeltern gekommen. Nach der Förderschule habe er die Berufsschule abgebrochen. „Aber ich will wieder anfangen. Im Sommer im Gartenbau arbeiten und dann im Herbst wieder zur Berufsschule“, sagt er.

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Er beantragt statt einer Geldstrafe Sozialstunden

Der Staatsanwalt plädiert auf eine Verurteilung wegen Diebstahls. Zugunsten des Angeklagten sei zu bemerken, dass der Schlüssel des Hauses im Briefkasten gelegen habe. Der Sachverhalt, wie er sich im Kurpark zugetragen haben soll, sei nicht beweisbar. Nach Erwachsenenstrafrecht solle er zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt werden. Pflichtverteidiger Oliver Brock betont: „Das Eindringen in das Haus hat doch eher etwas von dem Trend unter Jugendlichen, Lost Places zu finden.“ Er beantragt statt einer Geldstrafe Sozialstunden.

Richter Härtel befindet den Angeklagten letztlich des Diebstahls schuldig. 450 Euro soll er zahlen, verurteilt wird er aber unter dem Jugendstrafrecht. Härtel argumentiert mit der Familiengeschichte des Angeklagten. „Menschen, die in einem behüteten Umfeld aufwachsen, haben es mitunter leichter sich in den zugegeben schweren Zeiten durchzuschlagen“, sagt er. Das Urteil ist rechtskräftig.