Bigge. Die Olsbergerin Nadine Hoischen ist vom Bauch abwärts gelähmt. Von ihrem Rollstuhl aus steigt sie Kletterwände hoch und hat einen großen Traum.
Als Rollifahrerin klettern? Klingt unglaublich. Doch Nadine Hoischen zeigt, dass vieles möglich ist. Die 30-Jährige ist seit ihrer Geburt vom Bauch abwärts gelähmt. Trotzdem hat sie das Klettern zu ihrem Hobby gemacht. Und ist damit sehr erfolgreich: Beim Anerkennungs-Wettbewerb für die Special Olympics NRW hat sie sich für die nationalen Spiele in Thüringen im nächsten Jahr qualifiziert. Noch steht nicht fest, ob sie tatsächlich zugelassen wird. Die Bewerbung läuft noch.
WP-Newsletter per Mail: Was ist los in Brilon, Olsberg, Marsberg, Winterberg, Medebach und Hallenberg? Holen Sie sich den Newsletter für Ihren täglichen Nachrichtenüberblick
Nur mit der Kraft der Arme
Unabhängig von sportlichen Erfolgen, ist das Klettern für die junge Frau ein Hobby, das ihr Dinge ermöglicht, die sie sich vor ein paar Jahren selbst nicht zugetraut hätte. Sie sagt: „Für mich ist das jedes Mal wieder ein total schönes Erlebnis. Sonst komme ich aus dem Rollstuhl ja gar nicht raus.“ Und das ist ihr die Anstrengung wert. Wenn man sieht, wie sich die 30-Jährige langsam, nur mit der Kraft ihrer Arme an der Kletterwand hochkämpft, ahnt man, wie viel Kraft und Ausdauer sie aufwenden muss, um schließlich in zwölf Metern Höhe ihr Ziel zu erreichen.
Doch ganz ohne fremde Hilfe geht es nicht. Wie auch jeder Kletterer ohne Handicap braucht Nadine natürlich jemanden, der sie vom Boden aus sichert. Darüber hinaus steht ihr als Begleitkletterer Sascha Kowalski ein Helfer zur Seite, der mit ihr klettert und ihre Füße Tritt für Tritt zum jeweils nächsten Kletterpunkt setzt. Und von dort aus muss die junge Frau dann zeigen, was sie in den Armen hat. „Ein Fitnessstudio brauche ich zum Trainieren nicht. Durch das Rollifahrern habe ich ja täglich ein gutes Armtraining“, schmunzelt die 30-Jährige.
Lesen Sie auch:Willingen: Die coolsten Erlebnisse für Biker im Sauerland
Begleitkletterer ist immer dabei
Die Route, die sie an der Kletterwand erklimmt, wählt Nadine Hoischen selbst und bestimmt damit auch den Schwierigkeitsgrad. Sie erzählt, wie wichtig für sie ein guter Begleitkletterer ist, damit sie sich an der Wand wirklich sicher fühlt. „Dabei hat man natürlich schon sehr engen Körperkontakt. Dafür braucht man viel Vertrauen. Man möchte ja nicht von einem Fremden angefasst werden“, sagt Nadine Hoischen. Zur Klettergruppe gehören auch ehrenamtliche Begleiter wie Mareike Menke. Sie ist Teil des Kletterteams und hat viel Spaß daran, sportliche Aktionen des Josefsheims aktiv zu unterstützen. Auch bei den Wettkämpfen begleitet sie Nadine Hoischen und fiebert mit.
Gelebte Inklusion im Sport
Als Trainer steht den Kletterern des Bigger Josefsheims Jürgen Mies zur Seite. Der Mobilitätstrainer freut sich, dass sich eine Gruppe von Kletterern zusammengefunden hat. Ihm ist es wichtig, dass durch die sportlichen Angebote der Einrichtung der Spaß an der Bewegung und am Sport gefördert wird. Ein ganz wichtiger Aspekt ist für ihn aber auch, dass im Sport Inklusion wirklich gelebt wird, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen Sport machen. Deshalb freut er sich, dass beim Training in der Kletterhalle in Willingen ein ganz gemischtes Publikum an der Kletterwand trainiert und nicht nur die Josefsheim-Gruppe allein dort trainiert.
Lesen Sie auch: HSK-Kitas: Debatte um Quereinsteiger wegen Personalnot
Klettersport hat viele positive Auswirkungen
Jürgen Mies ist überzeugt, dass der Klettersport viele positive Auswirkungen für die Teilnehmer hat: „Klettern fördert viele soziale Aspekte. Das hat auch eine dreijährige Studie des Forschungsinstituts für Inklusion durch Bewegung und Sport in Köln gezeigt, an der das Josefsheim teilgenommen hat. Sport macht Spaß, ist eine tolle Freizeitgestaltung, hat aber auch pädagogische und therapeutische Wirkungen, indem das Selbstbewusstsein gestärkt wird, die Kommunikation verbessert, Ängste abgebaut werden und der Teamgeist gefördert wird.“
Erst war Nadine skeptisch, dann total begeistert
Zum Klettersport ist Nadine Hoischen übrigens eher zufällig gekommen. Vor ein paar Jahren hat eine Freundin sie beim Tag der Begegnung in Köln aufgefordert, es doch einfach mal auszuprobieren. Die junge Frau war skeptisch, konnte sich selbst nicht vorstellen, als Rollstuhlfahrerin ausgerechnet Klettersport zu machen. „Dann habe ich mich überreden lassen und war total begeistert. Ich bin richtig froh, dass ich das damals ausprobiert habe“, sagt die junge Frau rückblickend.
Inzwischen klettert sie nicht nur selbst, sondern sichert auch andere Sportler mit und ohne Behinderung beim Klettern ab. Bei den nationalen Spielen in Berlin hat sie diese wichtige Aufgabe übernommen. Und als nächstes wird sie bei den World-Games 2023 in Berlin diesen Job übernehmen. Und mit Blick auf die Teilnahme an den nationalen Special Olympics 2024 in Thüringen heißt es jetzt Daumen drücken für Nadine Hoischen! Der Klettersport ist bei der Veranstaltung eine von zehn Sportarten bei den Winterspielen. Die Special Olympics sind die weltweite größte, vom Internationalen Olympischen Komitee offiziell anerkannte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.
Lesen Sie auch:Westfalenpost Winterberg/Brilon jetzt auf Instagram folgen