Brilon. „Teilweise stehen hier weinende Mütter in der Apotheke“, sagt HSK-Apothekensprecher Jürgen Schäfer und droht mit Streik. Die Lage sei kritisch.
Der Mangel an Antibiotika in Apotheken wird zunehmend zu einem Problem für Patienten, insbesondere für Kinder. Aktuelle Berichte zeigen, dass in vielen Fällen keine ausreichenden Medikamente für Kinder zur Verfügung stehen, um Infektionen zu behandeln.
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Insgesamt fehlen den Apotheken bis zu 600 Arzneimittel. Die Gründe für den Antibiotikamangel sind vielfältig, von Produktionsproblemen bis hin zu Engpässen in der Lieferkette. Experten warnen jedoch vor den möglichen Konsequenzen dieses Mangels und rufen zu dringenden Maßnahmen auf, um das Problem anzugehen.
Weinende Mütter stehen in der Apotheke
So auch Jürgen Schäfer, der Apothekensprecher aus dem Altkreis Brilon: „Wir Apotheker haben die Schnauze voll“, wird er deutlich. Auch er bekommt, wie seine Kollegen, täglich mit den Mangelerscheinungen zu tun: „Teilweise stehen hier weinende Mütter in der Apotheke, die schon zehn andere Apotheken abgeklappert haben, aber nicht fündig wurden. Da liegen die Kinder mit 40 Grad Fieber im Bett und die Eltern wissen nicht, was sie dann noch tun können“, sagt Schäfer. Die einzige Alternative sei dann nur noch das Krankenhaus, in der Hoffnung, dass dort wenigstens noch Restbestände zur Verfügung ständen.
Spätfolgen sind möglich
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Das sei besonders bei typischen Kinderkrankheiten wie Scharlach ein riesiges Problem. Zwar könne die Krankheit auch unbehandelt vollständig ausheilen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Spätfolgen davongetragen würden, sei jedoch nicht gering. Eine mögliche Spätfolge von Scharlach ist rheumatisches Fieber, eine entzündliche Erkrankung, die zu Schmerzen und Schäden an den Gelenken, dem Herzen, dem Nervensystem und anderen Organen führen kann. In seltenen Fällen kann Scharlach auch zu einer lebensbedrohlichen Infektion des Blutes führen, die als Sepsis bezeichnet wird. Wenn die Bakterien ins Blut gelangen, können sie sich im ganzen Körper ausbreiten und zu Organversagen, Schock und Tod führen.
Dabei täten die Apotheker alles in ihrer Macht Stehende, um die Versorgung wenigstens teilweise zu sichern: „Wir als Apotheker sind ja geborene Gutmenschen. Wir tun was wir können und manchmal heißt das, dass wir mitten in der Nacht auf der Seite unseres Großhändlers schauen, ob wieder Medikamente verfügbar seien“, so Schäfer.
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Verantwortlichkeit liegt beim Bund
Diese Situation habe es so bisher noch nicht gegeben. Die Verantwortlichkeiten für den Zustand sieht er vor allem beim Bund: „Der Gesundheitsminister muss jetzt endlich tätig werden“, fordert Schäfer.
Tatsächlich hat das Bundeskabinett am 5. April das „Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ beschlossen, welches jedoch noch vom Bundestag abgesegnet werden muss. Preisregeln für Kinderarzneimittel sollen gelockert werden, da Festbeträge und Rabattverträge abgeschafft werden. Antibiotika mit Wirkstoffproduktion innerhalb der EU müssen nun bei Kassenverträgen berücksichtigt werden. Durch eine Senkung der Zuzahlungsbefreiungsgrenze werde der Preisdruck reduziert. Apotheken-Austauschregeln werden vereinfacht, und Preisinstrumente können bei Marktverengungen gelockert werden. Rabattierte Arzneimittel müssen verbindlich für drei Monate gelagert werden. Die Bewältigung von Lieferengpässen möchte die Bundesregierung durch ein Frühwarnsystem und gestärkte Informationsrechte verbessern. Krankenhäuser müssen bestimmte Arzneimittel bevorraten. Zudem werden Regeln zur Preisbildung angepasst, um die Entwicklung neuer Reserveantibiotika zu fördern.
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Ein Streik ist möglich
Für Bundesminister Lauterbach könne der Mangel so beseitigt werden: „Auch in der Arzneimittelversorgung haben wir es mit der Ökonomisierung übertrieben. Das korrigiert die Bundesregierung mit Augenmaß. Wir machen Deutschland wieder attraktiver als Absatzmarkt für generische Arzneimittel. Wir stärken europäische Produktionsstandorte. Und wir verbessern die Reaktionsmechanismen. Lieferengpässe wie im jüngsten Winter wollen wir damit vermeiden“, so Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach.
Ob das reicht, muss sich noch zeigen. Für den Fall, dass die Apotheken weiterhin unter dem Mangel leiden müssen, hat Jürgen Schäfer schon drastische Maßnahmen angekündigt: „Wir machen dieses Spielchen nicht mehr mit. Wenn es nicht mehr anders geht, werden auch wir Apotheker überlegen, ob ein Streik eine angebrachte Lösung wäre“, so Schäfer. Zwar lasse das Gesetz keinen vollständigen Streik von Apotheken zu, erläutert Schäfer, weil immer eine Notversorgung gewährleistet werden müsse, aber „dann müssen die Leute sich eben in die Schlange vor der Apotheke einreihen und warten“, so die Ankündigung. Das habe es, so Schäfer, bisher noch nie gegeben. Die Situation sei ernst.