Hallenberg. Es ist mehr als nur ein Theaterstück. Zwei Jesus-Darsteller erzählen, was den besonderen Reiz der „Passion“ in Hallenberg ausmacht.

Die Bärte sprießen, das Haupthaar wächst. Während mit dem Kreuzestod Jesu Christi laut Evangelium der Vorhang des Tempels entzweiriss, wurde er in Hallenberg gerade erst aufgebaut. Und während mit dem Osterfest die Auferstehung Jesu gefeiert wird, bereiten sich die Hallenberger auf seine Leidensgeschichte vor. Hallenberg spielt die „Passion“. 2020 wäre das Stück an der Reihe gewesen. Denn seit 1950 stellt die Bühne alle zehn Jahre die „Passion“ auf ihren Spielplan. Es gibt dann nicht die Zweigliederung Familien- und Erwachsenenstück. Es gibt nur die „Passion“. Und für die braucht es viele engagierte Mitspieler/innen. 2020 sorgte allerdings Corona dafür, dass die Kreuze auf der Sauerländer Schädelhöhe leer blieben.

Erste Kostümproben für die Passion in Hallenberg

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Wechselbad der Gefühle

Spielen wir oder spielen wir nicht? Philipp Mause (32), der die Hauptrolle übernimmt, durchlebte damals ein Wechselbad der Gefühle. Denn bis zur tatsächlichen Absage der kompletten Spielsaison waren schon einige Online- Proben gelaufen. „Ich war natürlich enttäuscht, denn das Passionsjahr ist kein ,normales‘ Stück für uns. Ich glaube auf kein anderes Stück in Hallenberg trifft es mehr zu, wenn man sagt, man lässt sich mit Haut und Haaren darauf ein. Es ist ja für jeden auch eine private Passion: Man verändert sich vom Aussehen her,“ sagt der Jesus-Darsteller, der sehr professionell an seine Rolle herangeht. Er spiele auf der Freilichtbühne mit, weil er Spaß an dem Hobby habe. „Was die Passion aber besonders macht, ist die Tatsache, dass es hier um eine reale Person geht. Jeder hat eine Meinung und Erwartung, hat ein Bild von Jesus. Fiktive Rollen bieten da eine andere kreative Freiheit.“

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„Glaubhaft verkörpern“

Heribert Knecht, lange Zeit Sprecher der Bühne, jetzt Ehrenmitglied und u.a. Präsident des Verbandes Deutscher Freilichtbühnen, hat den Jesus zweimal gespielt - 1990 und 2000: „Ich erinnere mich gerne an die Zeit als ,Jesus-Darsteller’. Ich finde auch, dass diese Rolle nicht so pauschal mit anderen großen Rollen vergleichbar ist. Zumindest habe ich den Druck auf mich als ungleich höher empfunden. Vermutlich ist das heute etwas anders. Damals wie heute fließen aber durch die zahlreichen intensiven Proben, durch die Kostüme, die entsprechenden musikalischen Einspielungen viele Faktoren mit ein, um in die notwendige Stimmung zu kommen, sich in die Jesusrolle hineinzuversetzen, sie glaubhaft zu verkörpern.“

Fast hätte Jesus einen Rückzieher gemacht

Fast hätte sich Philipp Mause 2019 nicht um die Rolle des Jesus beworben: „Ich war der Meinung: der Jesus ist nichts für mich. So, wie ich ihn zu dem Zeitpunkt gesehen habe, war das keine Rolle, mit der ich mich hätte identifizieren können. Ich bin auch schon mal launisch, kann laut werden und würde manche Sachen anders regeln, als er es vermutlich getan hätte“, sagt der 32-Jährige, der bei Viessmann im Änderungswesen arbeitet.

Er habe aber trotzdem für die Rolle vorgesprochen, weil er neugierig sei und sich ausprobieren wolle. Bei den Vorbereitungen habe sich aber gezeigt, dass es doch viele Parallelen gebe, die er so vorher gar nicht gesehen habe. „Jeder legt die Rolle anders an. Man kann die Jesusse vergangener Jahre nicht miteinander vergleichen. Ich finde es spannend, dem Jesus meine Art einzuhauchen.“ Vor dem Leidensweg Jesu, der dem Schauspieler auch körperlich einiges abverlangen wird, hat Philipp Mause sehr viel Respekt: „Ab dem Garten Getsemani stellt sich Jesus seiner Aufgabe und lässt alles über sich ergehen - nicht nur körperlich bei der Geißelung oder bei der Kreuzigung, sondern auch die Verschmähungen durch das Volk. Dass ich dabei mehr oder weniger körperlich entblößt sein werde, spielt eher eine untergeordnete Rolle. Denn unser Golgatha ist ja weit vom Publikum entfernt. Ich weiß nicht, ob und wie man diese Situation üben kann. Das ist eine Szene, die auf der Bühne im Kontext geprobt werden muss, das haben wir bislang noch nicht gemacht.“

In den vergangenen Jahren war Philipp Mause eher in lustigen Rollen zu sehen. Fällt es da schwer, den „Schalter“ umzulegen zum Beispiel vom Kiez-Musical „Heiße Ecke“ auf die Passion? Mause: „Nein, hier gibt es keinen Schalter. Zwischen beiden Stücken liegt ein knappes halbes Jahr. Das ist genug Zeit, um sich zu sammeln und auf die neue Rolle einzulassen. In der vergangenen Spielzeiten haben wir ja schon häufiger zwischen Komödien wie ,Kohlhiesels Töchter’ zu ernsteren Stücken wie ,Les Miserables“ oder ,Die Päpstin’ gewechselt. Ich denke, das tut der Grundstimmung im Ensemble keinen Abbruch. Wir können hier gut zwischen auf und hinter der Bühne unterscheiden“, so Mause, der in diesem Jahr mit zu den Spielleitern zählt. Das heißt: Nach der Premiere sind er und weitere Akteure für den reibungslosen Ablauf und für den Zusammenhalt des Ensembles verantwortlich.

Aktuell sei man in Detailproben mit den Sprechrollen im Heimstudio und starte nach Ostern in die Volksszenen. „Da steigt dann die Vorfreude im Ensemble, dass es endlich losgeht. Und das hebt auch die Erwartungshaltung, weil man dann erstmals sieht, was bislang so passiert ist und wie die besetzten Rollen ihre Figuren anlegen und auf der Bühne umsetzen.“

Nach 2010 spielt Knecht in seiner siebten Passion nun auch schon zum zweiten Mal die Rolle des Josef von Arimatäa. „Mein eigenes Verhältnis zum Glauben hat sich, so meine ich, durch diese Rollen nicht grundsätzlich verändert. Vielleicht wird das eine oder andere aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Vielleicht liegt das auch am Alter.“ Mit Uwe Bautz sei diesmal erneut ein anderer Regisseur für die Inszenierung verantwortlich. Und jeder habe seine eigene Herangehensweise. „Ich bin aber überzeugt davon, dass wir in Hallenberg wieder eine spannende, glaubhafte Passionsdarstellung auf die Bühne bringen werden, die auch den Menschen im Jetzt und Heute noch etwas mit auf den Weg geben kann.“

Heribert Knecht spielte 1990 und 2000 den Jesus.
Heribert Knecht spielte 1990 und 2000 den Jesus. © WP | WP

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Eine der jüngsten Mitspielerinnen ist übrigens Florentine Schmidt, die am 21. April drei Jahre alt wird. Für sie ist es ihre zweiten Saison auf der Freilichtbühne. Beim „Gestiefelten Kater“ in 2022 hat sie an der Hand ihrer Mutter ein Kind im Volk gespielt und hat es geliebt zu tanzen. Zur Passion selbst hat sie noch keine Meinung. Aber ihre Mutter Kathrin Schmidt (38) sagt: „Die Passion ist eine Tradition und gehört zur Freilichtbühne dazu. Jeder, der sich als Freilichtbühnenmitglied sieht, sollte einmal eine Passion erleben und mitspielen. Bei mir ist es nach 2000 und 2010 die dritte. Dieses Jahr finde ich es zusätzlich schön, weil meine große Tochter Josephine zur Kommunion kommt und das Thema Passion gerade zu Ostern ein großes Thema ist.“

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Ältester Mitspieler ist diesmal der 79-jährige Wolfgang Kaiser, der seit 42 Jahren mit auf der Bühne steht. Er hat seit 1960 bei insgesamt sechs Passionsspielen mitgemacht, zweimal als Apostel Matthäus und in anderen Rollen. In diesem Jahr steht er als Hoher Rat auf der Bühne. Die Passion war für ihn immer ein „entscheidendes Highlight“, nicht nur wegen des guten Zuspruchs der Zuschauer, der sich stets in besonders hohen Besucherzahlen ausgedrückt hat. Das Passionsspiel ist für ihn vielmehr auch eine „Bestätigung des Glaubens“. Seinem Vater, Anton Kaiser, der als Mitbegründer der Freilichtbühne gelten kann, hat er einst das Versprechen abgegeben, bei der Passion mitzuspielen, solange es ihm möglich ist.