Medebach/Hallenberg/Hochsauerland. Nicht nur der russische Angriffskrieg treibt viele Menschen in die Flucht. HSK-Kommunen wollen helfen. Bürgermeister schätzen die Lage prekär ein
Das Thema Flüchtlinge beschäftigt die Kommunen im HSK. Der Druck ist auch in Hallenberg und Medebach groß, bestätigen deren Bürgermeister. Laut dem Präsidenten des Landkreistages, Reinhard Sager, müssten Städte und Gemeinde in diesem Jahr mit deutlich steigenden Flüchtlingszahlen rechnen. Bundeskanzler Scholz solle diese Herausforderung zur Chefsache machen, denn den Kommunen drohe „ein Kollaps“ und die Stimmung in der Bevölkerung kippe. Sogar der Rechtsstaat sei bedroht.
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Vom Bund hört man „Sonntagsreden“
Medebachs Bürgermeister Thomas Grosche teilt diese Auffassung grundsätzlich. Die aktuellen Zahlen seien inzwischen deutlich höher als zu den Spitzenzeiten in 2015. Eine deutschlandweite -aber auch europäische- Koordination und Steuerung sei notwendig. „Wir tun, was wir können und sind täglich auf der Suche nach Wohnraum. Ziel ist es, weiter eine dezentrale Unterbringung in Mietwohnungen hinzubekommen. Dabei stoßen wir aber an unsere Grenzen und werden zum Beispiel nun erstmalig auf einen ehemaligen Beherbergungsbetrieb, der von einem Investor gekauft und für die Flüchtlingsaufnahme hergerichtet wird, zurückgreifen müssen“, sagte Grosche, der das genaue Objekt erst dann benennen will, wenn „alles in trockenen Tüchern“ ist. Außerdem liefen am Kindergarten in Oberschledorn und der Grundschule in Medebach zudem Anbauplanungen.
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Grosche teilt die teils massive Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Selbstverständlich müsse ein Land wie Deutschland Menschen, die von Krieg und Verfolgung bedroht seien, helfen. „Es muss aber auch alles zu bewältigen sein. Damit meine ich nicht nur den Wohnraum und die finanziellen Belastungen. Genauso wichtig ist die Integration der Menschen in Gesellschaft, Bildungssystem und Berufsleben“, sagte er. Ehrenamtliche sowie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Rathaus arbeiteten an der Belastungsgrenze und teilweise darüber hinaus. Vom Bund höre man aber lediglich „Sonntagsreden“ und Aussagen zur „gesamtgesellschaftlichen Verantwortung“. Konkrete Unterstützungen oder Perspektiven bleibe die Regierung aber sowohl finanziell als auch inhaltlich schuldig.
Herausforderungen werden größer
Bisher plane man aber nicht, Turnhallen zu Flüchtlingsunterkünften umzufunktionieren. „Wir haben nur eine große Sporthalle und zwei kleinere im Stadtgebiet. Diese müssen aus meiner Sicht für den elementar wichtigen Schul- und Vereinssport, der übrigens auch hervorragende Integrationsarbeit leistet, erhalten bleiben“, sagt Grosche.
Nicht zuletzt wegen des verheerenden Erdbebens in Syrien und Türkei rechnet auch Hallenbergs Bürgermeister Enrico Eppner mit weiter steigenden Flüchtlingszahlen. Kleinere Städte und Gemeinden kämen damit kapazitiv an ihre Grenzen und würden daher auf eine passgenaue Verteilung beziehungsweise der Unterbringung in den Kommunen unter hinzuziehen von Plätzen in weiteren Landeseinrichtungen angewiesen sein. „Die Herausforderung sind groß und werden größer. In der Stadt Hallenberg stellt uns die Unterbringungssituation an sich vor die höchsten Hürden, aktuell sind wir zusätzlich zu dezentralen Lösungen auch in die zentrale Unterbringung gegangen“, sagt Eppner.
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Die Suche nach geeignetem Wohnraum bleibe ein fortwährender Prozess. Auch die Kapazitäten der Schule sowie der Kitas würden durchgehend beachtet. „Auf der Suche nach „Schuldigen“ die Hände lediglich in Richtung des Bundes zu strecken, ist in dieser prekären Situation unangebracht. Wenn gleich ich mir dort mehr Engagement wünschen würde, so ist festzustellen, dass das Land NRW hier deutlich nachlegen muss“, erklärt der Bürgermeister.
In der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 bis 2017 habe das Land rund 80.000 eigene Plätze zur Verfügung gestellt, die ersten Planungen seitens der Landesregierung haben bis März 2023 lediglich 30.000 Plätze aufgezeigt. „Wir gehen von einer weitaus stärkeren Fluchtbewegung aus.“ Es handele sich abseits vieler Statistiken und monetären Zahlen über einen humanitären Notstand und viele schreckliche Einzelschicksale. Es zählten Ergebnisse und keine Schuldzuweisungen, daher begrüße er es, dass sich die kommunalen Spitzenverbände, die Länder und der Bund zu einem gemeinsamen Arbeitsprozess verständigt haben. „Dies ist der einzige zielführende Weg, die vor uns stehenden Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen“, so Eppner. Die Stadt Hallenberg besitze den Zugriff auf eine Sporthalle oder auch eine Stadthalle. Man befinde sich aktuell aber noch nicht in der Situation, diese für geflüchtete Mitmenschen als Unterkunft nutzen zu müssen. „Wir halten weiter daran fest, dass die dezentrale Unterbringung die würdigste und integrativste Lösung darstellt und zeigen bei der Suche nach geeignetem Wohnraum einen langen Atem.“
Da die Städte Medebach und Hallenberg dringend Wohnraum für geflüchtete Menschen suchen, bitten sie um Unterstützung. In Medebach nimmt Philipp Rosenau vom Sozialamt Angebote entgegen: p.rosenau@medebach.de sowie unter 02982/400115.
In Hallenberg können sich Wohnungsbesitzer an Markus Becker: m.becker@stadt-hallenberg.de und 02984/303140.