Hochsauerland. Karneval ist Brauchtum und beim Verkleiden ist erlaubt, was gefällt. Stimmt das? So denken Sauerländer Karnevalisten über Indianerkostüme und Co.
Darf man am Rosenmontag Federschmuck tragen und als Indianer gehen? Darf man sich Schlitzaugen anmalen, Lampions an eine Rikscha binden und Kamelle werfen? Und würde es die Gefühle anderer Menschen - zum Beispiel aus der Ukraine - verletzen, wenn ein Vladimir-Putin-Pappkopf auf einer Gasleitung säße und hämisch lachend auf einem Motivwagen durch den Ort zöge? Die Wahl des Kostüms ist kompliziert geworden. Mitunter steht man schon mit einer Feder am Kopf und einem Tomahawk im Hosenbund mit halbem Bein im komplizierten Kulturkampf. Und auch Rücksichtnahme und Taktgefühl sind in diesen Tagen gefragter denn je. Wie sieht das im Sauerland aus?
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Thema schnell vom Tisch
„Wir haben im Verein einmal darüber gesprochen, ob zum Beispiel Indianer tabu sein sollten. Und waren uns bei dem Thema schnell einig“, sagt Marcel Brieden (32) von der Karnevalsvereinigung Thülen. Wer im Karneval mitmischt, darf auch machen, was er möchte. Und die Kostümierung als Indianer sei keine Diskriminierung, sondern nur Freude am Verkleiden. „Wir mussten auch politisch keine Maßregeln ausgeben, weil wir gar nicht politisch sein wollen.“ Nach zwei Jahren coronabedingter rosenmontäglicher Zwangsabstinenz hätten die Leute einfach nur unbändige Lust darauf, zu feiern und ausgelassen und fröhlich zu sein, so Brieden. „Wir brauchen keine politischen Motivwagen. Wir haben zum Beispiel einen Wagen komplett als Karussell gebaut, das sich dreht. Es gibt einen Lego-Wagen, Schnappi das Känguru oder Jack aus der Kiste – kurz: lockere und lustige Sachen.“
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Einfach fröhlich sein
Brieden schätzt, dass beim Thülener Karneval insgesamt 600 bis 650 Aktive mitmischen und er weiß, dass die Vorfreude groß ist. „Die ersten Wagenbauer haben schon im November begonnen. Bei den Fußtruppen gibt es die eine oder andere Veränderung, weil sich die Konstellationen unter den Leuten geändert haben. Aber zu uns kommen auch viele von außerhalb. Der Briloner und der Altenbürener Hofstaat sind dabei. Wir werden elf Wagen, vier Musikvereine und 15 Fußgruppen haben. Und das Programm unserer großen Sitzung am Samstagabend ist eine Stunde länger als sonst – einfach, weil so viele Lust auf Karneval haben.“ Der Umzug in Thülen startet am Rosenmontag um 14.01 Uhr.
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Auch eine Frage von Brauchtum
Eine Stunde vorher ziehen die Narren im benachbarten Madfeld los. Dort richtet der Schützenverein den Karneval aus. Und der fühlt sich dem Brauchtum verpflichtet. „Daher stellen wir Kostüme, die vor 20 Jahren in Ordnung waren, jetzt nicht plötzlich in Frage“, sagt Schriftführer Nicolas Amen, der für die Diskussion wenig Verständnis zeigt. „Wir haben über das Thema gar nicht erst gesprochen. Ich glaube auch, dass sich nicht die aufregen, die sich vielleicht verletzt fühlen könnten. Es sind andere, die gar nicht betroffen sind.“ Man vertraue auf das Fingerspitzengefühl der Narren und man kenne doch seine Leute. Es gebe keinerlei Zensur. „Die Teilnehmer beschreiben mit der Anmeldung kurz ihren Wagen oder ihre Fußgruppe. Wenn da wirklich etwas dabei sein wollte, das grenzwertig wäre, würden wir das am Tag der Veranstaltung klären. Aber das hat es bislang noch nie gegeben.“ Auch Amen ist davon überzeugt, dass die Motivwagen nicht politisch sein werden. „Die großen, zum Beispiel aus dem Kölner Karneval bekannten Pappmaché-Figuren müssen auch schon sehr gut gemacht sein. Dafür muss man Leute haben. Es gibt genug lokale und unverfänglichere Themen. Und es kommt immer auf die Umsetzung an.“
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In Erlinghausen hat die Umzugspause noch ein Jahr länger gedauert. Noch kurz vor Corona verhagelten Sturm und Regen 2020 den Narren den Umzug. „Wir konnte damals nur in der Halle feiern: Das war schön, aber trotzdem freuen wir uns jetzt auf den Umzug am Sonntag ab 14 Uhr“, sagt Ludger Asshauer, Vorsitzender des Erlinghäuser Karnevalsvereins. Die Diskussion um „kulturelle Aneignung“ sei gar nicht erst geführt worden. „Wer beim Karneval mitmacht, darf anziehen, was er möchte. Da ist noch nie jemand übers Ziel hinaus geschossen und da halten wir auch keinen Daumen drauf.“
Wenig politisch motiviert
Auch bei den Motiv-Wagen gehe es weniger politisch zu. Die Schützen sind mit einem Wagen als Kugelfang dabei, es gibt einen „Sonderzug nach Pankow“, einen riesigen Wanderschuh oder das Thema „Fake News“. Ansonsten stichelt man auch schon mal augenzwinkernd in Richtung Nachbardorf. „Die meisten Wagen sind noch von vor drei Jahren, als sie nicht zum Einsatz kamen. Sie wurden untergestellt und brennen förmlich darauf jetzt zum Einsatz zu kommen - so wie die Karnevalisten auch.“ Allein das zeige, dass die Themen zeitlos, nicht unbedingt politisch und nie verletzend seien. 17 Wagen, zehn Fußtruppen, fünf Musikvereine - dahinter stehen rund 600 Akteure, die nach Corona und all den Einschränkungen einfach nur eins wollen. Sorglos feiern!