Marsberg. Ein Spaziergänger findet den krebskranken Ziegenbock bei Marsberg. Die Ohrmarken sind entfernt. Die traurige Geschichte von Edelbock „Günni“.
Dass man Hunde an der Autobahn aussetzt oder Katzenbabys anonym im Pappkarton vor einem Tierheim abstellt, gehört leider zur Tagesordnung. Dass man aber seinem kranken Ziegenbock die Ohrmarken entfernt, damit man ihn seinem Besitzer nicht mehr zuordnen kann, und das Tier an einem Waldweg aussetzt, ist schon eher ungewöhnlich. „Hier wollte sich wohl jemand die Tierarztkosten sparen“, vermutet Elke Heinemann, Vorsitzende des Tierschutzvereins Marsberg. Doch der Reihe nach:
Viele ignorierten ihn
Der eigentlich recht stattliche Ziegenbock wird vergangenen Freitag auf einem Waldweg zwischen Marsberg und Bredelar entdeckt. „Das ist eigentlich ein viel befahrener Weg, wo auch viele ihre Hunde ausführen. Eigentlich hätten sich mehrere Passanten über die Ziege wundern müssen“, sagt Heinemann. Ein Spaziergänger – der den Ziegenbock inzwischen auch vorübergehend bei sich aufgenommen hat - entdeckt das Tier, informiert den Tierschutzverein und sorgt dafür, dass es nun vorübergehend in Obhut genommen wurde. Heinemann: „Vielleicht war er schon länger da draußen. Er machte einen abgemagerten Eindruck.“
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Bei näheren Untersuchungen durch einen Tierarzt wird festgestellt, dass der Bock einen Tumor an einem Hoden hat. Heinemann: „Wenn er kastriert wird, ist das Geschwür weg und das Tier auch wieder gesund.“ Sie kann nicht verstehen, dass ein Halter sich von seinem Tier trennt, um finanziell nicht für etwaige Behandlungskosten aufkommen zu müssen. Der Verein will Strafanzeige stellen und hofft, dass der Halter ausfindig gemacht wird. „Niemand muss und darf ein Tier aussetzen, nur weil er die Kosten beim Tierarzt scheut.“
Angst vor Tierarztkosten?
In der Tat sind die Tierarztkosten im Allgemeinen seit Ende November 2022 gestiegen. Nach den Anpassungen der Gebührenordnung müssen Halterinnen und Halter tiefer in die Tasche greifen. Ein Besuch beim Tierarzt für die allgemeine Untersuchung eines Hundes kostet laut Tierärztekammer etwa zehn Euro mehr – 23,62 Euro statt 13,47 Euro. Katzenbesitzer werden für eine allgemeine Untersuchung (bisher knapp neun Euro) nun mit 23,60 Euro zur Kasse gebeten. Seit der letzten Erhöhung der Gebührenordnung waren allerdings auch mehr als 20 Jahre vergangen.
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Mit der Anschaffung eines Tieres allein ist es nicht getan. Neben Futterkosten ist ein Halter/eine Halterin natürlich auch in der Pflicht, sich um das Wohlergehen seines Schutzbefohlenen im Krankheitsfall zu kümmern. „Unser Veterinäramt hat seit Ende November und damit seit Inkrafttreten der neuen Gebührenordnung keinen Anstieg von Tierschutzanzeigen registriert“, sagt Kreissprecher Martin Reuther auf Nachfrage. Das macht Hoffnung, dass es sich hier in Sachen Ziegenbock um einen Einzelfall handeln könnte. Wer finanziell knapp bei Kasse ist, darf aber auch nicht damit rechnen, dass ihm/ihr das Sozialamt in solchen Fällen unter die Arme greift.
Nach Unterstützung suchen und nicht einfach aussetzen
„Es ist in jedem Fall einen Versuch wert, bei einem Tierschutzverein um Hilfe für die Tierarztkosten nachzufragen. Auf gar keinen Fall ist es zu akzeptieren, dass aus finanziellen Gründen ein Tier ausgesetzt wird. Tierschutzvereine kümmern sich auch um Schafe, Ziegen oder andere nicht mehr gewollte Tiere, da sie mit entsprechenden Aufnahmestellen in einem Notfall zusammen arbeiten. Ich bin entsetzt, dass man einem hilflosen Tier so etwas antut, indem es im Wald ausgesetzt wird“, sagt Elke Heinemann.
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Sie empfiehlt außerdem, im Internet nach Stiftungen zu suchen, die solche Menschen unterstützen, die sich zum Beispiel hohe Kosten für eine Tieroperation nicht leisten können. Der Cartoonist Uli Stein hat zum Beispiel eine Stiftung ins Leben gerufen, die zumindest Vereinen im Tierschutz unter die Arme greift. „Man muss suchen und direkt anrufen. Ansonsten sollten Tierhalter über den Abschluss einer Kranken- oder OP-Versicherung nachdenken oder mit dem jeweiligen Tierarzt über Ratenzahlung sprechen. Auf keinen Fall darf so ein ein Tier einfach ausgesetzt werden.“
Auf „Günni“ getauft
Der Ziegenbock wurde übrigens von seinem derzeitigen Pfleger „Günni“ genannt. Der Bock sei aktuell viel zu vernachlässigt, er müsse laut Tierarzt erst aufgepäppelt werden, bevor er ihn einer Operation unterziehen könne. Das Narkoserisiko wäre zu groß, so der Tierschutzverein.
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Der Bock ist offenbar sehr aufmerksam und es handelt sich bei „Günni“ um einen bunten Edelziegenbock. Vielleicht kennt jemand das Tier?
Angaben werden auch anonym entgegengenommen unter 0151 191 117 17 beim Tierschutzverein Marsberg, für den sich auch die Frage stellt, wo „Günni“ endgültig bleiben soll, wenn er wieder gesund ist? Heinemann: „Vielleicht findet er ja einen Liebhaber, der ihn übernehmen will?“