Brilon/Bad Arolsen. Kein Opfer des Nazi-Regimes darf je vergessen werden. Die Arolsen Archives wollen in einer Woche 30.000 Namen digitalisieren. Wer hilft mit?

Hinter jedem Namen steht eine Geschichte, ein Schicksal. Und jeder Name zählt - „every name counts“. So heißt daher auch eine weltweit beachtete Aktion der „Arolsen Archives“. Das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus hat Hinweise und Daten zu 17,5 Millionen Menschen gesammelt. Aber selbst heute noch sind nicht alle Namen und Daten digitalisiert und online recherchierbar. Hier setzt „Every name counts“ an.

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Jeder kann mitmachen und mithelfen

Jeder – Privatpersonen, Schüler, Studenten, Rentner – kann sich auf die Online-Seite der „Arolsen Archives“ klicken und dort original, oftmals handschriftliche oder mit Schreibmaschine getippte Häftlingsakten oder Registraturkarten aufrufen. Wer das selbst einmal gemacht hat, der bekommt ganz plötzlich eine andere Beziehung zu der Person und zu diesem düstersten Kapitel deutscher Geschichte.

Online-Recherche in den Arolsen Archives und Hilfe bei der Digitalisierung von Namen.
Online-Recherche in den Arolsen Archives und Hilfe bei der Digitalisierung von Namen. © wp | Arolsen Archives

Häftling „Kopel Gurwitsch“ - um ein reales Beispiel zu nennen - ist dann plötzlich nicht mehr der Häftling mit der Nummer 56696. Beim Lesen der Karte und beim Übertragen der Daten in eine Online-Maske passiert etwas zwischen „Kopel Gurwitsch“ oder einem anderen Häftling und dem Online-Bearbeiter, das sich nur schwer beschreiben lässt. Die Direktorin der „Archives“, Floriane Azoulay, erklärt das so: „Viele erzählen uns, dass sie beim Mitmachen einen unmittelbaren Bezug zu der Person fühlen, deren Namen sie erfassen. Sie empfinden das große Unrecht und schlagen selbst die Brücke zu heute.“

Challenge: In einer Woche 30.000 Namen - klappt das?

Die Möglichkeit, bei „Every name counts“ mitzumachen gibt es jederzeit. Doch in dieser Woche veranstalten die „Arolsen Archives“ eine Art Challenge anlässlich des jährlichen Holocaust-Gedenktages am 27. Januar. An jenem Januartag 1945 wurden die Vernichtungslagers in Auschwitz befreit.

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30.000 Häftlingskarten sollen nun in dieser Woche erfasst werden – und zwar ganz speziell aus dem Konzentrationslager Stuffhoff. Warum gerade dieses KZ? „Bereits einen Tag nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen errichteten die deutschen Besatzer im September 1939 das KZ Stutthof. Bis zur Befreiung waren etwa 110.000 Männer, Frauen und Kinder aus 28 Ländern in diesem Lager inhaftiert - etwa 65.000 Menschen wurden dort ermordet. In den Fokus rückte Stutthof zuletzt durch das späte Urteil gegen eine KZ-Stenotypistin“, so „Arolsen Archives“ in einer Presse-Info. Die 97-jährige KZ-Gehilfin war 2022 wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen schuldig gesprochen worden.

Online-Hilfe ist sehr einfach

Rund 60.000 Freiwillige aus aller Welt haben seit Frühjahr 2020 mitgemacht. Insgesamt haben sie über sechs Millionen Dokumente bearbeitet. Da jedes Dokument zur Qualitätssicherung insgesamt drei Mal von unterschiedlichen Personen erfasst werden muss, sind es bereits über zwei Millionen fertig digitalisierte Dokumente.
Die Challenge mit 30.000 Dokumenten aus dem KZ Stutthof findet noch bis zum 29. Januar statt.

Den Freiwilligen steht nun ein neu entwickeltes Tool zur Eingabe der Daten zur Verfügung, das intuitiv nutzbar ist und einfach verständliche Erklärungen bietet.

Da dieses Lager dennoch in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist, wurden für die Challenge speziell diese Dokumente ausgewählt. Aktuelle Schirmfrau von „#everynamecounts“ ist übrigens die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Eine Reihe von deutschen und internationalen Institutionen, Schulen sowie auch Unternehmen werden sich an der Challenge 2023 beteiligen, darunter das Bundesarchiv, der Zentralrat der Juden in Deutschland, Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Reporter ohne Grenzen Deutschland, das U.S Generalkonsulat Frankfurt, die Jewish Claims Conference, das Memorial Center Srebrenica sowie die Firma Pfizer.

Vielleicht auch Sie? Hier kommen Sie zu den Dokumenten: aroa.to/everynamecounts