Winterberg. Viel Kranke und Personalausfall: Tim-Henning Förster von der Winterberger Sauerlandpraxis über die Medikamentenknappheit und die Lage der Praxen.

Die gesundheitliche Versorgung ist nicht nur für Kinder gerade am Limit. Auch bei der Versorgung von Erwachsenen mangelt es nicht nur an manchen Medikamenten, sondern es treten auch neue Herausforderungen in den Vordergrund – und Corona gibt es auch noch. Mediziner Tim-Henning Förster aus der Sauerlandpraxis im Raum Winterberg gibt einen Überblick über die aktuelle Lage.

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Kann man die Infektionslage bei Kindern mit denen bei Erwachsenen vergleichen – bzw. sind auch so viele Erwachsene krank wie Kinder?

Tim-Henning Förster: Eins zu Eins kann man die Lage natürlich nicht übertragen, aber hinter jedem kranken Kind steht auch mindestens ein Elternteil und da die Infekte in der Regel ansteckend sind, zeigt sich auch bei uns eine hohe Belastung durch Infekte. Ein zusätzliches großes Problem sind die Eltern, die im Beruf, auch bei uns als Medizinische Fachangestellte (MfA), ausfallen, da sie sich um die kranken Kinder zu Hause kümmern müssen.

 Blick in das automatisierte Medikamentenlager einer Apotheke. Hausärzte und Apotheken rechnen trotz der angekündigten Gegenmaßnahmen mit einem anhaltenden Medikamentenmangel in den kommenden Monaten.
Blick in das automatisierte Medikamentenlager einer Apotheke. Hausärzte und Apotheken rechnen trotz der angekündigten Gegenmaßnahmen mit einem anhaltenden Medikamentenmangel in den kommenden Monaten. © dpa | Jan Woitas

Welche Krankheiten begegnen Ihnen derzeit in Ihrer Praxis am öftesten?

Aktuell haben wir es in der Tat hauptsächlich mit Infekten zu tun, aber auch zunehmend mit gesundheitlichen Problemen, die auf die angespannten Situationen durch die steigenden Preise und Unsicherheiten in der Zukunft zurückzuführen sind.

Wie schätzen Sie den aktuellen Stand der Grippewelle im HSK ein? Erwarten Sie noch mehr Infektionen?

Die Grippewelle selbst scheint wieder etwas abzuflachen, leider meldet sich mit Corona ein alter Bekannter mit steigenden Krankheitsfällen zurück. Die Schulferien werden sicher zum einen für eine Entspannung bei den Infekten führen, aber durch vermehrte Reisen an den Feiertagen wird es dann wieder zu einer größeren Vermischung von Infektionen kommen.

Wie ist es mit Corona? Welche Rolle spielt das Virus derzeit in Ihrem Alltag? Wie hat sich das Virus in ihrer Wahrnehmung verändert – sind die Infektionszahlen zurückgegangen, was sind die typischsten Symptome mittlerweile?

Wie oben angedeutet spüren wir eine Zunahme von Fällen mit erhöhter Krankheitslast, nachdem Corona in den letzten Wochen doch eher zu einem normalen Alltagsbegleiter geworden ist. Im Hinterkopf muss man aber die Situation in den asiatischen Ländern, besonders China behalten, wo die Lage zu eskalieren scheint, was uns in den nächsten Wochen vermutlich in vielen Bereichen des Alltags keine große Freude bescheren wird.

Wie kann ich die gängigsten Grippe- oder Erkältungssymptome Zuhause behandeln? Ab wann sollte ich zum Arzt gehen?

Kopf- und Gliederschmerzen, Husten und Schnupfen lassen sich tatsächlich gut zu Hause behandeln, hier helfen die klassischen Hausmittel wie Wadenwickel oder Zwiebelsaft schon meist ausreichend. Dazu die oft fehlende Geduld, denn ein normaler Virusinfekt dauert seine 10 bis 14 Tage. Sollten die fieberhaften Temperaturen länger als fünf Tage anhalten oder der Husten mit viel Auswurf einhergehen, ist es durchaus ratsam einen Arzt aufzusuchen.

Gleichzeitig werden viele Medikamente auch für Erwachsene knapp. Welche Medikamente fehlen derzeit am häufigsten? Gibt es zu jedem Medikament Alternativen? Ich kann mir vorstellen, dass es gerade zu verschiedenen Krebsmedikamenten keine unkomplizierte Alternative gibt? Wie kann man den Patienten in solchen Fällen helfen?

Ein großes Problem. Wir behandeln in der Praxis recht viele Kinder, hier versuchen wir oft Tabletten in niedrigen Dosierungen einzusetzen, da Fiebersäfte kaum erhältlich sind. Bei den Erwachsenen sehen wir Probleme bei Wassertabletten und Psychopharmaka. Noch gibt es Alternativen, es bringt hier auch nichts Medikamente zu bunkern, dadurch werden die Probleme leider nur größer. Vom Mangel an Krebsmedikamenten sind wir glücklicherweise noch nicht direkt betroffen.

Und schlussendlich: Wie geht es Ihnen und Ihrem Team? Gibt es überhaupt noch Atempausen, wie schultern Sie die Belastungen? Welche Entlastungen wünschen Sie sich für 2023?

Danke der Nachfrage, die letzten Wochen und Monate haben natürlich auch an unserem Nervenkostüm genagt. Der deutsche Städtetag hat noch längere Öffnungszeiten und offene Praxen an den Feiertagen gefordert, bei beschränkten Budgets und ausgelaugten Teams eine nahezu absurde Forderung. Wir haben in den gesamten Praxis zum Glück ein richtig tolles Team mit starkem Zusammenhalt, das ist eine ganz wichtige Grundlage, um die Belastungen zu schultern. Entlastungen für 2023? Weniger Belastungen, eine Aufhebung der Leistungsbudgetierungen, weniger Bürokratie - das sind utopische Wünsche die oben auf dem Wunschzettel für 2023 stehen, dazu natürlich Gesundheit im körperlichen und sozialen Bereich.

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