Hochsauerlandkreis/Paderborn. Die Kinderkliniken rund um den HSK stoßen an ihre Grenzen, Kinder müssen stundenlang warten. Briloner Eltern berichten von ihren Ängsten:

150 Kinder sind am vergangenen Wochenende in die Kinderklinik in Paderborn gekommen. Ein Großteil von ihnen ist an der Influenza oder dem RS-Virus erkrankt. Die Paderborner Klinik St. Louise kommt – wie jede andere Kinderklinik auch – an ihre Grenzen. Massiv. Zahlreiche Kinderarztpraxen und -kliniken schlagen öffentlich Alarm, Fiebersäfte für Kinder werden knapp. Auf den Sozialen Netzwerken gehen Eltern mit ihren Sorgen und der Verzweiflung an die Öffentlichkeit. Auch Mütter und Väter im Hochsauerlandkreis sorgen sich – und berichten von ihren Erlebnissen.

Mutter aus Brilon muss mit Kindern über eine Stunde fahren

Ramona Maria aus Brilon fasst gegenüber der WP die Lage rund um die Kinderärzte zusammen: „Wir müssen mit bald sechs Kindern, eine Stunde zum nächsten Kinderarzt fahren, der uns nicht angewiesen hat! Die meisten nehmen einen gar nicht mehr auf, auch im Notfall wird man nicht drangenommen. Die Klinik in Arnsberg ist meist auch völlig überlaufen. Wirkliche Alternativen gibt es nicht, außer man fährt mehrere Stunden.“ Insgesamt stehen im HSK 16,75 kinderärztliche Versorgungsaufträge zur Verfügung (Vollzeitäquivalente), die von 20 Ärztinnen und Ärzten ausgeübt werden. Das bedeutet, dass 2864 Kinder und Jugendliche auf einen Arzt kommen. Der Versorgungsgrad liegt laut KVWL bei 113,1 Prozent (Stand: aktuell gültiger Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Westfalen-Lippe vom November 2022). Die KVWL gab erst vor kurzem gegenüber der WP an, dass die Versorgungslage die Kinderärzte betreffend ausreichend sei. Unzumutbare Wege müssten nicht zurückgelegt werden. Eltern mit kranken oder fiebernden Kindern sehen das anders.

Zugezogene haben es schwer, Kinderärzte zu finden die noch Kapazitäten haben

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Angela R. aus Brilon schreibt der WP von ihren Erfahrungen: „Wir sind dem HSK vor kurzem neu zugezogen und letzte Woche waren meine beiden Kleinkinder so krank, dass sie dringend ärztliche Hilfe benötigten, um entsprechende Medikamente zu erhalten. Von sämtlichen Kinderärzten in Brilon wurden wir abgewiesen, in Olsberg war niemand erreichbar und in Marsberg hat man uns auch abgelehnt weil die die Kapazitäten für Marsberger frei halten müssen. Letztendlich musste ich mit beiden Kindern in dem Zustand 60 Minuten bis nach Bad Sassendorf fahren.“ Das sei eigentlich unzumutbar gewesen, wie sie sagt. „Von der Medikamentensituation in Apotheken ganz zu schweigen… Die Kliniken sind ewig weit weg. Im Ernstfall ein unmöglicher Zustand“, fasst sie zusammen. Dilan Miran Zeryam aus Brilon ergänzt: „Wir brauchen in Brilon eine kleine Kinderklinik, man muss hier immer eine Weltreise machen um eine Klinik zu erreichen, das finde ich nicht so toll. Da muss sich was ändern!“

Doch obwohl gleich drei Kinderkliniken in der Nähe liegen – Paderborn, Lippstadt und Arnsberg – bleibt die Situation sehr angespannt. Ein Zustand, der schnell belastend und beängstigend für Familien sein kann. Rita Nabouchi aus Brilon erzählt: „Mein Enkel (3 Jahre) hatte am Wochenende 40 Grad Fieber und Husten. In der Notfall-Ambulanz in Paderborn standen Eltern mit ihren Kindern bis auf die Straße. Und dann gibts auch nicht alle benötigten Medikamente. Ich finde so ein Zustand ist für ein Land wie Deutschland nicht tragbar.“

Ärzte appellieren an Eltern: Kinder beim Kinderarzt vorstellen

„Spätestens ab 21 Uhr – also mit Schließen der Bereitschaftsdienstpraxis im Medico – steigt die Patientenzahl in der Notaufnahme sprunghaft an. Die Folge sind Wartezeiten von 4 bis 6 und im Einzelfall bis zu 8 Stunden für Eltern mit Kindern, die nur leicht erkrankt sind. Dazu zählen einfache Infekte der oberen Luftwege mit Schnupfen, Husten oder erhöhter Temperatur“, schildert der Paderborner Oberarzt André Wilken aus Sicht der Klinik. Das gesamte Team der Paderborner Pediatrie appelliert öffentlich an die Eltern, rechtzeitig während der Öffnungszeit der niedergelassenen Kinderärzte dort vorstellig zu werden, wenn ein Infekt behandlungspflichtig zu werden droht, und nicht auf die Abendstunden oder das Wochenende zu warten. Dieser Bitte schließt sich auch die Lippstädter Kinderklinik an, die ebenfalls unter dem hohen Aufkommen der Patienten ächzt. Erste Anlaufstelle sei immer der Kinderarzt oder der kinderärztliche Notdienst.

Wilken bittet in einer Mitteilung, die an die WP gegangen ist, alle Wartenden um Geduld und Verständnis – selbst dann, wenn die Wartezeit extrem lang sein sollte. „Wir behandeln die Kinder nach dem Schweregrad ihrer Erkrankung, nicht nach der Reihenfolge des Eintreffens in der Notaufnahme“, erklärt Ebinger.