Hochsauerland. Die Ampel-Regierung plant, Cannabis in Deutschland zu legalisieren. Was sagen Apotheker aus dem Sauerland? Pro und Contra des Konflikts.

„Als Heilberufler sehen die Apothekerinnen und Apotheker die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken kritisch“, sagt Nina Grunsky, Pressereferentin des Apothekerverband Westfalen-Lippe. Auf legalem Weg kann man in Deutschland bisher kein Cannabis erwerben. Ausgenommen ist nur, wer ein Rezept vom Arzt hat. Das könnte sich aber bald ändern. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Ende Oktober einen Eckpunkteplan für eine Legalisierung beschlossen, so die dpa. Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen demnach in Zukunft rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis wäre straffrei und auch ein privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt. Ein Verkauf an Erwachsene wolle man in Fachgeschäften und eventuell auch Apotheken möglich machen. Für ein Gesetzt müssen die Pläne allerdings noch europa- und völkerrechtlich in Brüssel überprüft werden.

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Das Vorhaben findet viel Zuspruch, aber auch Bedenken werden an verschiedenen Stellen geäußert. Cannabis verringere laut Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) die Aufmerksamkeit, schränke Bewegungsabläufe ein und führe zu Apathie, also Teilnahmslosigkeit, sagt Nina Grunsky, Pressereferentin des Apothekerverband Westfalen-Lippe. „Das Risiko für Arbeits- und Verkehrsunfälle steigt. Zudem kann bei genetischer Vorbelastung schon ein einmaliger Konsum eine Psychose auslösen. Das Risiko für psychische Störungen ist ebenfalls erhöht“, so Grunsky. „Besondere Risikofaktoren sind unter anderem der frühe Beginn des Cannabiskonsums im Jugendalter, intensiver Gebrauch sowie der zusätzliche Konsum von Tabak.“ Die Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen Cannabis bereits legalisiert ist, deute laut AMK darauf hin, dass die Zahl von Cannabiskonsumstörungen zunehme.

Möglicherweise schwere Nebenwirkungen

Da bislang nur ein Eckpunktepapier öffentlich sei und noch kein Gesetzentwurf vorliege, sei zu den Plänen der Bundesregierung zu wenig bekannt, um diese solide beurteilen zu können, sagt Grunsky: „Viele Fragen sind derzeit noch offen, insbesondere wie im Falle einer Legalisierung gewährleistet werden kann, dass ein erwachsener Käufer Drogen an Jugendliche weiterverkauft. Oder wie auszuschließen ist, dass Cannabis in missbräuchlichen Mengen gekauft und konsumiert wird.“ Von einer Legalisierung verspreche sich die Politik den Schwarzmarkt einzudämmen, die Produktqualität zu erhöhen und den Jugendschutz zu stärken. Aber Grunsky gibt zu Bedenken: „Dem stehen möglicherweise schwere ‘Nebenwirkungen’ entgegen, etwa vermehrte Schulabbrüche, Verkehrs- und Arbeitsunfälle, Arbeitsuntüchtigkeit und so weiter.“

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Unklar sei außerdem noch, „ob und wie die Apotheken in den Vertrieb eingebunden werden. Für den Fall, dass der Vertrieb auch über Apotheken erfolgen soll, geraten die Apothekerinnen und Apotheker allerdings in eine Zwickmühle: Sie sind Heilberufler – keine Drogendealer“, so Grunsky. Die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums, gerade für jüngere Menschen, seien hoch. „Wenn der Gesetzgeber aber beschließt, Cannabis zu legalisieren, dann könnte es sinnvoll sein, dass die erwachsenen Konsumenten zumindest heilberuflich verantwortungsbewusst begleitet und beraten werden, damit sie sich nicht an anderen Stellen versorgen, wo Qualitätsstandards nicht eingehalten werden.“ Klar sei, dass kein Apotheker dazu verpflichtet werden könne, Cannabis zu Genusszwecken abzugeben. „Dies muss die freie Entscheidung jedes einzelnen bleiben.“

Probleme aus anderen Ländern bekannt

Viele Apotheken in der Region wollten sich auf Anfrage zur Thematik nicht äußern. Unter anderem wohl auch aus Angst das Falsche zu sagen. Apothekerin Sandra Dietrich-Siebert von der Adler-Apotheke in Brilon sieht die Situation „etwas zwiegespalten: auf der einen Seite geht es um eine Konsumdroge wie etwa Alkohol oder Zigaretten, eine Entkriminalisierung wäre also wünschenswert.“ Sie erklärt: „Man sieht aber auch Probleme in anderen Ländern wie Holland, wo die Drogenmafia sehr aktiv ist. Hier geht es dann um andere härtere Drogen. Also stellt man sich schon die Frage, ob die Legalisierung dann das Einfallstor für solche Strukturen ist?“ Sie sieht dahingehend eine sorgfältige Planung der Gesetzgeber als dringend notwendig.

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Auch die Apothekerin plädiert auf ausreichende Aufklärung, wie bei Zigaretten und Alkohol, um den Jugendschutz zu gewährleisten. „Cannabis ist nicht harmlos, auch wenn das häufig gesagt wird.“ Gerade bei Jugendlichen sehe sie eine große Gefahr, denn auch langfristige Schäden seien nicht genug erforscht.„Es muss auch über die gesundheitlichen Gefährdungen im allgemeinen die Aufklärung in der gesamten Bevölkerung vorangetrieben werden: raus aus der kriminellen Ecke hin zum Wissen über die möglichen Folgen. Eine weitere Erforschung der Wirkung und potenziell schädlichen Wirkung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wäre ebenso wichtig, um bestmöglich aufzuklären“, sagt sie.

Zum gesellschaftlichen Auftrag der Gesundheitsförderung durch Apotheken passt der Verkauf von Genusscannabis Dietrich-Sieberts Meinung nach nicht. „Dann müsste ich ja auch Zigaretten und Alkohol verkaufen?“, meint sie. Auch sieht sie sich und ihre Kollegen im heilberuflichen Konflikt, den auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe anführt. „Aktuell kann ich mir nicht vorstellen, dass ich Genuss-Cannabis verkaufe, zumindest nicht unter diesen vorgesehenen Rahmenbedingungen“, schließt die Apothekerin.