Hochsauerlandkreis. Ist das machbar? Fast 3000 Kinder kommen im Hochsauerland auf einen Kinderarzt. In drei Städten gibt es sogar keine Praxis. Was Kinderärzte sagen

Stundenlang stehen Eltern oft vor den Kinderarztpraxen. Überfüllte Warteräume, lange Anfahrtszeiten, Patientenaufnahmestopp. Die gesundheitliche Versorgung der Kinder scheint im HSK an ihre Grenzen zu stoßen. Wie sieht die Lage konkret aus?

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Wie viele Kinderärzte gibt es im Hochsauerlandkreis?

„Der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) liegt die optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten besonders am Herzen“, so Stefan Kuster, Sprecher der KVWL. Insgesamt stehen im HSK 16,75 kinderärztliche Versorgungsaufträge zur Verfügung (Vollzeitäquivalente), die von 20 Ärztinnen und Ärzten ausgeübt werden. Das bedeutet, dass 2864 Kinder und Jugendliche auf einen Arzt kommen. Der Versorgungsgrad liegt laut KVWL bei 113,1 Prozent (Stand: aktuell gültiger Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Westfalen-Lippe vom November 2022). In 2019 wurde die Verhältniszahl Kind pro Arzt sogar stark abgesenkt, damals lag sie bei 3859. „Im Hochsauerlandkreis sind dadurch drei neue Versorgungsaufträge hinzugekommen, also eine Verbesserung um rund 20 Prozent“, so Kuster. Die Niederlassung von Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten wird gemäß der Bedarfsplanungs-Richtlinie als Teil der Allgemeinen fachärztlichen Versorgung auf Ebene der Kreise oder kreisfreien Städte geplant. Kuster: „Darum wird der HSK bei der kinder- und jugendärztlichen Versorgung als Ganzes betrachtet.“

Michael Ecken ist Kinderarzt in Brilon. Das Aufkommen in der Praxis ist groß.
Michael Ecken ist Kinderarzt in Brilon. Das Aufkommen in der Praxis ist groß. © WP

Warum gibt es in vielen Städten keinen Kinderarzt? Wäre es vonnöten, dass jede Stadt einen eigenen Kinderarzt hat?

„In fast allen Städten im Hochsauerlandkreis gibt es Kinderärztinnen und -ärzte, die Verteilung ist für einen solchen Landkreis recht gut“, so Kuster zur WP. Ausgenommen sind derzeit Eslohe, Hallenberg und Winterberg. „In diesen Städten ist die Zahl der Kinder- und Jugendlichen nicht ausreichend, um eine kinderärztliche Praxis wirtschaftlich zu betreiben. Um Kinderärzte aufzusuchen, müssen jedoch keine unzumutbaren Wege zurückgelegt werden“, betont der KVWL-Sprecher.

Ab wann können Ärzte einen Aufnahmestopp verhängen?

Generell dürfen Ärztinnen und Ärzte – außer in Notfällen – Patientinnen und Patienten ablehnen. Bürgerinnen und Bürger haben also grundsätzlich einen Anspruch auf medizinische Behandlung, jedoch nicht bei einem bestimmten Arzt oder einer bestimmten Ärztin. „Wenn Praxen wegen einer hohen Inanspruchnahme überlastet sind und die Aufnahme weiterer Patienten dazu führen kann, dass Praxispersonal kündigt oder krank wird, ist es letztlich auch im Interesse der Patienten, dass neue Patienten abgewiesen werden“, erklärt Kuster. Allerdings müssen akute Erkrankungen immer behandelt werden. Michael Ecken, Kinderarzt in Brilon, gibt an, dass er ebenfalls keinen Aufnahmestopp hat: „Da immer wieder Patientinnen und Patienten 18 Jahre alt werden und wir als Kinder- und Jugendärzte sie dann nicht mehr behandeln dürfen, können wir auch regelmäßig neue Kinder aufnehmen. Da gibt es bei uns überhaupt keine Voraussetzungen oder Einschränkungen für eine Aufnahme.“

Mehrere Tausend Kinder kommen auf einen Arzt. Wie wird dieser „Ansturm“ bewältigt?

„Mit einem langjährigen eingespielten Team“, sagt Michael Ecken. Mit Beginn der Corona-Pandemie sei die Praxisorganisation völlig umgekrempelt worden. „Wir hätten anfangs nicht gedacht, dass das überhaupt funktionieren kann: Wir arbeiten komplett ohne Wartezimmer und nur nach telefonischer Terminabsprache, trennen Gesunde und Kranke zeitlich voneinander. Wir können den Familien so unsere Praxisräume reservieren, sie begegnen keinen anderen kranken Personen und wir können die Kinder, ihre Eltern und auch uns bestmöglich schützen.“ Diese Vorgehensweise sei für Eckens Mitarbeiterinnen gerade in der aktuellen Infektzeit ein riesiger Organisationsaufwand, habe sich aber bewährt. Das Telefon klingelt allerdings mehrere 100 Mal an einem ganz normalen Tag in seiner Praxis. „Damit draußen niemand länger warten muss, muss es drinnen natürlich zügig gehen. Da wünsche ich mir manches Mal viel mehr Zeit zum ausführlichen Gespräch, die gibt es aber kaum, vor allem nicht im Winter“, bedauert er.

Steht es Familien vor Ort zu, beim örtlichen Kinderarzt aufgenommen zu werden?

Diese Frage beantwortet Kuster mit einem klaren Nein.

Was wird durch die KVWL getan, um die Versorgung der Kinder gerade im ländlichen Bereich zu verbessern?

Durch die Verbesserung der Bedarfsplanung wurde die Anzahl der Kinderärzte im Hochsauerlandkreis signifikant erhöht. Bei Engpässen setzt sich die KVWL auch für die Erteilung von Sonderbedarfen ein. „Allerdings ist der kinderärztliche Nachwuchs nicht üppig. Gegebenenfalls werden Förderanreize gesetzt, um eine Versorgungslücke zu verhindern“, so Kuster. Auf der politischen Ebene setze sich die KVWL für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der kinderärztlichen Versorgung ein, um zum Beispiel die Folgen der Pandemie und der Energiepreisexplosion abzumildern.