Winterberg. Mehr als 1000 Patientinnen suchen nach der Schließung der Gynäkologie am MVZ eine neue Praxis. Was das für eine Frau bedeutet, schildert Hannah.
Über 1000 Patientinnen sind von der Schließung der Gynäkologie in Winterberg betroffen. Eine von ihnen ist Hannah W. (Name von der Redaktion geändert), die nur anonym über ihre Situation sprechen will. Auch ein symbolisches Foto wollte sie lieber nicht machen: „Ich fühle mich mit dem Gedanken unwohl, dass ein Foto von mir, so unkenntlich es auch gemacht ist, gedruckt wird“, sagt sie. Seit 2015 ist die 29-jährige Hannah aus WinterbergPatientin der gynäkologischen Praxis im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) St. FranziskusDie Information, dass die Praxis geschlossen wird, hat sie „aus der Zeitung oder von Social Media. Ich erinnere ich mich nicht genau. Aber die Praxis selbst, hat mir das bis heute nicht mitgeteilt“, sagt sie.
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An einem Montag im Oktober hätte sie einen wichtigen Termin bei ihrem Frauenarzt gehabt, sagt Hannah. „Am Freitag davor bekam ich dann einen Anruf und mir wurde gesagt, dass der Termin nicht stattfinden könne. Einfach so und ohne Begründung. Dann wurde noch gesagt, dass ich auch keinen Ersatztermin bekommen kann und in der Woche danach anrufen soll“, erinnert sie sich. Den Termin hätte sie dringend gebraucht. „Ich habe dann am Telefon direkt gefragt: Soll ich mir einen neuen Arzt suchen? Die Antwort war dann: Nein, brauchen Sie nicht.“
„Damit abgefunden, dass ich einen neuen Arzt brauche“
Überrascht habe sie die plötzliche Terminabsage aber nicht, sagt Hannah. Ein komisches Gefühl habe sie schon länger gehabt. „Irgendwie habe ich gespürt, dass das im MVZ nicht gut geht.“ Sie habe auch, wie vereinbart, versucht in der gynäkologischen Praxis anzurufen, um einen neuen Termin zu bekommen. „Nachdem ich 50 Minuten in der Warteschleife war, habe ich dann aufgelegt. Auch mein Partner hat sich einen Tag später für mich in die Warteschleife gehängt, aber das hatte auch keinen Sinn“, erklärt Hannah. „Ich müsste vielleicht dort vorbeifahren. Aber ich habe durch meine Arbeit dafür gar keine Zeit und ehrlich gesagt, habe ich mich damit abgefunden, dass ich einen neuen Arzt brauche.“
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Schon länger hatte sie überlegt zu einer anderen Praxis zu gehen, sich aber immer dagegen entschieden.„Ich hätte sogar konkret die Möglichkeit gehabt die Praxis zu wechseln, bin aber beim MVZ geblieben. Die hatten ja meine Patientenakte und alle Informationen über mich. Das bereue ich jetzt.“ Im Moment hat Hannah keinen Frauenarzt. „Ich hänge in der Luft, wie alle anderen Patientinnen auch“, sagt sie. „Ich muss gucken, dass ich irgendwie schnell eine neue Praxis finde. Ich habe da vielleicht auch schon etwas in Aussicht, aber nur über Vitamin B.“
„Frauengesundheit wieder einmal vernachlässigt“
Eigentlich sei ihr schon wichtig, dass sich ihr Frauenarzt oder ihre Frauenärztin in Winterberg befindet. „Ich wäre auch bereit 30 bis 50 Kilometer in Kauf zu nehmen. Aber durch meine finanzielle Situation tun mir bei den momentanen Spritkosten auch 30 Kilometer weh.“ Sie verstehe zwar das Argument der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe der Überversorgung in der Region zwar, „aber die sehen die ganze Region und nicht die Versorgung vor Ort. Ich finde es auch extrem auffällig, dass hier Frauengesundheit wieder einmal vernachlässigt wird. Das ist in der Medizin zwar nicht neu, aber ein paar Schrauben hätte man bestimmt drehen können?“
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Vom MVZ in Winterberg hätte sie sich mehr Offenheit gewünscht: „Ich finde es nicht gut, dass nicht mit offenen Karten gespielt wurde“, findet Hannah. „Mir wurde dadurch verwehrt, dass ich mir frühzeitig einen neuen Arzt suchen konnte. Das ist ziemlich unfair.“ Auch sieht sie ein hohes Risiko in der Schließung der Gynäkologie in Winterberg. „Es gibt vielleicht Frauen, die dann nicht mehr zum Arzt und damit auch nicht zur Vorsorge gehen. Ich merke das auch an mir selbst. Ich muss aufpassen, dass ich nicht sage: Ich suche mir einfach nichts Neues.“
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Aber noch etwas ist Hannah sehr wichtig: „Die Leute, die im MVZ arbeiten, können ja nichts dafür. Sie machen ja einfach nur ihre Arbeit und ich hoffe, sie kriegen jetzt nicht den ganzen Frust über die Geschichte ab“, betont sie. Außerdem findet sie es gut, dass sich Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann für eine Lösung im Sinne der betroffenen Patientinnen einsetzen will. „Es wäre wirklich schön, wenn das klappen würde.“