Brilon. Im Altkreis Brilon gibt es mehr Armut. Die Städte und die Caritas Brilon entwickeln Strategien, um das zu ändern. Das sind die ersten Schritte.
Corona, Angriffskrieg, Inflation, Energienot: Die Krisen- und Mängelliste ist lang. Deren Auswirkungen sind einschneidend, tendenziell auch existenziell. Auch im Altkreis Brilon gibt es mehr Armut. Mit Blick auf das Krisengemenge und die aktuellen wie zukünftigen Herausforderungen hatte Heinz-Georg Eirund, Vorstand Caritasverband Brilon, die sechs Bürgermeister aus dem Altkreis Brilon zu einem Strategiegespräch eingeladen. Im Fokus stand: Die Entwicklung einer gemeinsamen strategischen und operativen Handlungsleitlinie, um die enormen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.
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Caritas Brilon Anwältin für soziale Gerechtigkeit
Es geht also um eine langfristige, tragfähige Strategie sowie um ganz konkrete Hilfen, die Bedürftige jetzt bekommen müssen. „Dabei geht es nicht nur um mehr Geld, sondern auch darum, wie wir aus unseren Rollen und Verantwortlichkeiten für die Menschen in unseren Städten eine Stütze sein können“, betonte Caritas-Vorstand Heinz-Georg Eirund. Ein strategisches Ziel der Caritas Brilon ist, als Anwältin für soziale Gerechtigkeit auch auf Armut einzuwirken, diese transparent zu machen und notwendige existenzsichernde Angebote für die Menschen in Not vorzuhalten. Ein Auftrag, den die Caritas nicht alleine erfüllen kann. Und auch nicht muss. „Natürlich tragen auch wir für die Menschen in unseren Städten Verantwortung“, sagte Brilons Bürgermeister Dr. Christof Bartsch, der angesichts der Krisenlagen mit Corona, Krieg und Teuerung zunehmendes Potenzial für gesellschaftliche Verwerfungen erkannte und benannte. Dazu konnte Bürgermeister Michael Beckmann aus Winterberg ein aktuelles Beispiel nennen: Ein Facebook-Post der Stadt Winterberg, um Wohnungen für ukrainische Flüchtlinge zu finden, hatte eine Kommentarflut ausgelöst. „Und hier kommen Sorgen und Nöte unserer Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck, die wir ernst nehmen und hinterfragen müssen,“ so Bürgermeister Beckmann.
Stundungsanträge bei der Stadt Marsberg eingegangen
Zum Auftakt des ersten Strategiegesprächs berichtete auch Bürgermeister Thomas Schröder, dass die ersten Stundungsanträge bei der Stadt Marsberg eingegangen wären. Viele Bürger blicken sorgenvoll in ihr Portemonnaie. „Zugleich gibt es Bürger, die aus Scham auf Leistungen verzichten, die ihnen gesetzlich zustehen würden“, sagte Markus Becker, Sozialamtsleiter der Stadt Hallenberg. Die Vertreter der Städte Olsberg und Medebach waren terminlich verhindert, haben aber ihr Interesse und ihre Mitarbeit zugesichert. Am Beispiel der Warenkörbe verdeutlichten Koordinator Uli Schilling und Elisabeth Schilling, Fachbereich Beratung und Offene Hilfen, anhand von Zahlen, Daten, Fakten die Entwicklung der Bedürftigkeit im Altkreis Brilon.
Zahlen, Probleme und Hilfen
Entwicklung der Bedürftigkeit am Beispiel der Caritas-Warenkörbe
Warenkorb Brilon: Kundenzahl 12/2021: 330, 30/09/2022: 578
Warenkorb Winterberg: Kundenzahl 12/2021: 190, 30/09/2022: 365
Warenkorb Medebach: Kundenzahl 12/2021: 130, 30/09/2022: 254
Warenkorb Olsberg – seit Oktober gibt es einen Aufnahmestopp neuer Kunden: Kundenzahl 12/2021: 190, 30/09/2022: 419
Aktuelle Problematik der Warenkörbe:
•Warenspenden werden weniger
•Spendengestützte Zukäufe aufgrund von Lieferengpässen schwieriger
•Aufgrund der erhöhten Kundenzahl bekommt der einzelne Kunde weniger
•Betriebskosten 60.000 Euro
Konkrete Hilfen während der beiden Corona-Lockdowns:
•Lockdowns im März bis Juni 2020 und November 2020 bis 2021
•In zehn Monaten Lockdown zehn Lebensmittelverteil- und Gutscheinaktionen für die Warenkorb-Kunden durchgeführt•Gesamtkosten: 65.933 Euro
•Finanziert durch: Erzbistum Paderborn: 27.701 Eurolokale Stiftungen und Caritas-Konferenzen: 4.580 EuroPrivatspenden: 3.130 Eurovier Kommunen mit Warenkörben: 4.000 EuroCaritasverband Brilon 25.521 Euro
•Zusätzlich unterstützen die Städte Brilon, Winterberg, Medebach und Olsberg, in denen es Warenkörbe gibt, die Neustarts nach den beiden Lockdowns mit insgesamt 12.000 Euro
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Nach Sichtung und erster Bewertung der aktuellen Situation beschlossen die Stadt- und Caritasvertreter, den Kreis der Akteure auszuweiten: Zu einem Folgegespräch sollen weitere Institutionen aus der Freien Wohlfahrtspflege und die Kirchen einbezogen werden, um den Menschen in der Heimatregion ganz konkrete zielgruppengerechte Hilfen anzubieten.