Brilon. Die Energiekrise zehrt auch an der Briloner Bahnhofstraße. Händler und Unternehmer müssen umdenken. Könnte der Hubertaler helfen?
- In der Briloner Bahnhofstraße ist einiges in Bewegung. Ladenlokale ziehen um, es entstehen Leerstände – und fehlender Nachwuchs wird zum Problem.
- Oliver Dülme, Wirtschaftsförderer in Brilon, setzt sich für Aufenthaltsqualität und Förderung ein, um die Innenstadt zu beleben.
- Die Stadt Brilon hat ihren Einzelhandel in Krisen mit dem Hubertaler unterstützt. Ob er in Zeiten von Inflation und Energiekrise wieder aufgelegt wird, wäre Sache des Rates.
Eigentlich war verabredet, dass Oliver Dülme, Wirtschaftsförderer in Brilon, zu einem Spaziergang mit der WP vorbeikommt. Ziel: Die Bahnhofstraße, Zentrum Brilons, in der sich in den letzten Wochen und Monaten viel getan hat. In der sich noch viel tun wird und die sich in den letzten Jahren Krisen wie Pandemie und Inflation tapfer widersetzt. Doch es regnet und Oliver Dülme nimmt erst einmal im Büro Platz, um ein Gespräch über die Innenstadt zu führen. Dabei wird auch vor Problemen nicht halt gemacht.
Bahnhofstraße Brilon: Die Frequenz
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Am 13. September ist der Millionste Passant durch die Briloner Innenstadt gelaufen. „Diese Zahl haben wir in diesem Jahr über zwei Monate früher als im letzten Jahr erreicht. Natürlich hatten wir 2021 mit Corona einige Einschränkungen, doch der Trend ist weiterhin positiv, wir verzeichnen deutlich mehr Besucher in der Innenstadt. Daher freuen wir uns, dass wir diese Marke schon jetzt erreicht haben. Die Brilonerinnen und Briloner, sowie die zahlreichen Gäste aus nah und fern, sind den Geschäften in der Innenstadt weiterhin treu“, so ein zufriedener Christian Leiße, Vorsitzender von Prima Brilon, in einer Pressemitteilung von diesem Tag. Oliver Dülme ordnet die Zahl ein. „Seit Mai haben wir überdurchschnittliche Zahlen. Man kann sagen, dass wir nach Corona sehr viel mehr Menschen zählen können, die Frequenz ist gestiegen.“ Zwei Messstellen zählen in der Bahnhofstraße wie viele Passanten täglich durch die Stadt laufen. Eine liegt bei Linnea, dem Modegeschäft. Die andere beim Volksbankcenter. Die aktuellen Zahlen können mit einem kostenfreien Account auf Hystreet.com mitverfolgt werden. Dort ist auch zu sehen, dass sich die Zahl der Passanten im Vergleich zu letztem Jahr um 6,7 Prozent erhöht hat. Allein der Monat August hat 97.521 Menschen an der Messstelle in der Bahnhofstraße Mitte vorbeigetrieben. An der Messstelle Bahnhofstraße West, also dem oberen Teil der Einkaufsstraße, waren es sogar 143.635 Passanten. Hier liegt die Steigerung der Passantenzahlen im Vergleich zu letzten Jahr sogar bei 29,7 Prozent.
„Natürlich kostet uns die Baustelle rund um das Woolworthgebäude Passanten, aber durch die vielen Feste im September können wir diesen Verlust mehr als wett machen“, ist sich Oliver Dülme sicher. Dennoch, aus den Zahlen lässt sich auch ein Problem ablesen: Der obere Teil der Bahnhofstraße ist anscheinend attraktiver als der untere beim Volksbankcenter:
Bahnhofstraße Brilon: Die Problemzone
Dessen ist sich auch Oliver Dülme bewusst: „Der Einzelhandel schrumpft natürlich immer mehr Richtung Marktplatz zusammen, diesen Prozess kann man nahezu überall beobachten.“ Dass die Modekette C&A seine große Fläche im letzten Jahr verlassen hat, sei ein Schlag gewesen. Dazu kommen Leerstände durch Ruhestand (Stilart) und Umzug (Brillen Rottler). Wird der untere Teil der Bahnhofstraße zum Problem? Oliver Dülme: „Umso wichtiger ist doch, dass der Investor sofort Geld in die Hand genommen hat, um das ehemalige C&A-Gebäude zu renovieren.“ Unten hat Woolworth nun eine ebenerdige Fläche, frisch renoviert mit einem neuen Sortiment. Die oberen Geschosse, bisher immer leerstehend, werden zu einem Tanz-und einem Fitnessstudio. „Eventuell kommt eine Gastronomie mit in das Gebäude. All diese Lösungen sind Frequenzbringer für unsere Innenstadt und sorgen für eine attraktive Nachnutzung – insbesondere in den sonst eher unbelebten Abendstunden und Randzeiten.“ Dennoch, die Leerstände bleiben. „Der Einzelhandel hat sich immer schon gewandelt insbesondere die Mieten haben sich seit den 90ern und den 2000ern verändert. Die Vermieter müssen sich anpassen und die Mieten senken, damit die Betreiber einen gewinnbringend erwirtschaften können. Sonst gibt es viele unnötige Leerstände“, erklärt Dülme.
Bahnhofstraße Brilon: Der Einzelhandel und sein Nachwuchs
Dabei ist der inhabergeführte Einzelhandel das wichtigste Aushängeschild für die Stadt. „Der hochwertige Einzelhandel mit einer hohen Beratungsleistung sind wichtig“, so Dülme. Dies bindet auch die Loyalität der Kunden und täusche auch über das vermeintliche Manko von geringerer Auswahl an Produkten hinweg. Das Problem hier: Der fehlende Nachwuchs. „Den heutigen Besatz an inhabergeführten Läden zu halten ist schwer. Gerade junge Menschen müssen sich trauen und diesen Schritt in die Selbstständigkeit gehen, um die Angebotsvielfalt zu erhalten.“ Viele bringen dazu nicht den Mut auf. „Wir als Stadt können nur dafür sorgen, dass wir für genug Aufenthaltsqualität sorgen, den Tourismus bewerben und Arbeitskräfte in den Ort ziehen können, jede finanzielle Förderung ist ein Eingriff in die freue Marktwirtschaft. Es ist also sehr schwer, den Einzelhandel überhaupt zu fördern“, so Dülme. Das Sofortprogramm der Stadt könne höchstens dabei unterstützen, die Mieten zu bezuschussen. Der Vermieter verzichtet in diesem Zug auf einen Teil der Miete, der Händler muss beweisen, dass er nachhaltig wirtschaften kann und die Stadt bezahlt 10 Prozent der Summe. Drei Ladenlokale wurden so schon gefördert. Mehr ist von städtischer Seite nicht drin. „Zur Eröffnung des eigenen Ladenlokals gehört auch viel Idealismus, Leidenschaft und Risikobereitschaft. Das tut man aus Überzeugung“, sagt Oliver Dülme.
Bahnhofstraße Brilon: Die Energiekrise
Zu den Risiken allgemein kommen nun die Krisen der Gegenwart und Vergangenheit. Corona-Lockdowns sollten hinter dem Einzelhandel liegen, nun droht der Energie-Preisschock. „Das sind Unwägbarkeiten, das ist klar“, sagt Oliver Dülme. Dabei hat die Stadt in der letzten Krise proaktiv geholfen – mit dem Hubertaler. Einem Gutschein, den man für 20 Euro erwerben konnte. Die Stadt legte bei jedem Gutschein fünf Euro dazu, sodass am Ende ein Gutschein 25 Euro wert war. Eine Lösung für Brilon, die auch während Inflation und Rezession greifen könnte. „Das ist ein Beschluss, der im Rat der Stadt getroffen werden muss“, sagt Oliver Dülme. Natürlich schaut auch der Wirtschaftsförderer mit Sorge in die Wintermonate. Teure Preise werden für weniger Touristen und Kaufkraft sorgen, die Frequenz in der Stadt wird sinken. „Einzelhandel und Gastronomie werden das unweigerlich merken, aber die Lösungen können nicht in der Kommunalpolitik beschlossen werden.“
Bahnhofstraße Brilon: Die Baustellen
Trotz anscheinendem Dauerkrisenmodus, in dem der Einzelhandel sich überall befindet, investiert die Stadt in ihre Bahnhofstraße. Zusätzliche Bänke werden aufgestellt, Bepflanzung geplant. Parkgebühren sind in Brilon so günstig wie es geht. „Wir versuchen auf die Wünsche der Händler einzugehen und wirklich alles für die Attraktivität der Bahnhofstraße zu tun.“