Winterberg/Hochsauerlandkreis. Medikamentenknappheit auch an Apotheken im HSK. Manche Mittel sind seit Monaten knapp wegen einer lokalen Besonderheit. Wie Apotheker reagieren.

In den Apotheken des HSK ist die Medikamentenknappheit deutlich spürbar. Vor allem Fiebersäfte für Kinder, Elektrolytlösungen und Cholesterinsenker sind momentan schwierig zu bekommen. Die Problematik nimmt weiter zu – das bestätigt auch Jürgen Schäfer, Apotheker aus Winterberg und Sprecher der Apotheker im Altkreis Brilon.

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Die größten Engpässe bei gängigen Arzneimitteln bestehen nach Jürgen Schäfer, dem Inhaber der Franziskus Apotheke in Winterberg, bei ibuprofen- und paracetamolhaltigen Fiebersäften und bei Elektrolytlösungen, die zur Behandlung von Durchfallerkrankungen wichtig sind. Besonders betroffen seien seit der vergangenen Schützenfestsaison die Präparate Oralpädon und Elotrans. Seitdem Elektrolytlösungen in den Sozialen Medien als beliebtes Mittel gegen den Kater beworben wurden, hätten sich die Bestände in den Apotheken drastisch verringert. Das größte Problem dabei bestehe laut Jürgen Schäfer darin, dass gerade bei Kindern und älteren Menschen Elektrolytlösungen zur Behandlung von Durchfallerkrankungen dringend notwendig sind: „Man muss davon ausgehen, wenn die Leute in der Partyszene zum Kaufen von Elotrans als Anti-Kater-Mittel aufrufen, dass dieses Mittel dann für kleine Kinder und ältere Menschen fehlt, die darauf angewiesen sind.“

Lieferengpässe bei den Wirkstoffen und die fehlenden europäischen Hersteller

Der Winterberger Apotheker Jürgen Schäfer 
Der Winterberger Apotheker Jürgen Schäfer  © WP | Privat

Für den Mangel an Nachschub sind vor allem Lieferengpässe bei den Wirkstoffen und die fehlenden europäischen Hersteller verantwortlich. Die Apotheken müssen diese resultierende Knappheit ausgleichen, um die Versorgung mit Medikamenten sicherzustellen. Das stellt für viele eine große Herausforderung dar. „Die Versorgung von Menschen mit Arzneimitteln soll um jeden Preis sichergestellt werden, das ist die Aufgabe der Apotheken,“ erklärt Jürgen Schäfer, „Wir Apotheker sind jetzt gefordert, neben unserer eigentlichen Arbeit noch zusätzlich Lösungen für fehlende Medikamente zu finden.“ Dazu gehöre es, die Kunden mit geeigneten Ersatzpräparaten zu versorgen, die die nötigen Wirkstoffe enthalten. In Rücksprache mit den zuständigen Ärzten sei es für Apotheken außerdem in Notfällen möglich, individuelle rezeptpflichtige Arzneimittel selbst zu mischen. „Aber auch hier gibt es Engpässe bei den einzelnen Wirkstoffen, da sind wir auch schon unterbrochen.“ Eine weitere Maßnahme bestehe darin, dass bestimmte Medikamente nur in verantwortlichen Mengen ausgegeben werden. „Da gibt es immer wieder Hamsterkäufe“, sagt Jürgen Schäfer, „da müssen wir schon mal drauf achten und rationieren, um immer einen Vorrat für Notfälle zu haben.“

Arzt und Apotheker Hand in Hand

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Auch die Besorgnis der Kunden werde immer deutlicher spürbar. Für Jürgen Schäfer eine Herzensangelegenheit: „Deshalb sind Apotheken auch immer soziale Anlaufstellen und bieten professionelle Beratung.“ Auch in Krisenzeiten würden besorgte Menschen nicht einfach weggeschickt, es soll nach Möglichkeit jedem geholfen werden. Das erfordere eine enge Zusammenarbeit mit anderen Apotheken und den Arztpraxen. „Wenn etwas fehlt, fragen wir dann bei anderen Apotheken Medikamente an oder besprechen mit dem behandelnden Arzt die Gabe alternativer Wirkstoffe. Da arbeiten Arzt und Apotheker Hand in Hand.“

Apotheker fordert: „Der Staat muss tätig werden“

Doch nicht alle Kunden sind in Sorge. In der St. Engelbert Apotheke in Brilon bleibt die Stimmung nach wie vor überwiegend positiv. „Natürlich gibt es Ausnahmefälle“, erzählt eine Mitarbeiterin, „aber die Kundschaft nimmt die Situation eher gelassen.“ Die Menschen würden sich über die Beratungsangebote freuen und nähmen sie gerne und dankbar an. Es gebe zwar auch manchmal Situationen, in denen Kunden zu sehr an ein bestimmtes Arzneimittel gewöhnt sind und nicht auf eine Präparat-Alternative zurückgreifen möchten: „Dabei handelt sich aber nicht um Ernstfälle, da warten die Kunden einfach auf die nächste Lieferung.“

Und wie geht es jetzt weiter? „Der Staat muss tätig werden“, meint Jürgen Schäfer. Es sei notwendig, Strukturen zu schaffen, damit wieder mehr Wirkstoffe und Arzneipräparate in Europa produziert werden können. „Im Moment werden Wirkstoffimporte so günstig wie möglich gemacht und es gibt nur wenige Hersteller.“ Dementsprechend gäbe es auf Dauer keine Möglichkeiten, Ausfälle in der Lieferung eines Importeurs auszugleichen. Deshalb müssen die Bedingungen für eine Produktion in Europa verbessert und Lieferketten gestärkt werden. „Da wird jetzt an den falschen Stellen gespart“, bekundet Jürgen Schäfer. „Das höchste Gut, dass wir haben, ist unsere Gesundheit. Welchen Wert geben wir ihr dann beim Kostenfaktor? Das sollte bei den Sparmaßnahmen bedacht werden.“