Hochsauerlandkreis. Krankenhäuser in Brilon, Olsberg, Marsberg, Meschede und Arnsberg ächzen unter Gas-und Strompreisen. Die Not ist existenziell groß. Der Hilferuf.

Viele Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen sehen sich angesichts der explodierenden Gas- und Strompreise in Existenznot. Der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, Ingo Morell, warnt davor, dass 300 NRW-Krankenhäuser „personell und finanziell vollkommen ausgepowert in den Corona-Herbst“ gehen. Er fordert den sofortigen Inflationsausgleich. Droht der Gesundheitsversorgung im HSK der Kollaps?

Kosten für Energie werden sich für HSK-Kliniken verzehnfachen

Die Kosten für Erdgas haben sich für Krankenhäuser in diesem Jahr mindestens verdreifacht. Im nächsten Jahr müsse man sogar über acht- bis zehnfache Erdgaspreise sprechen, so Morell. „Ebenso wie in über 90 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland wird auch im Klinikum Hochsauerland bisher Gas als Energieträger zur Wärmeversorgung genutzt, beispielsweise für Raumwärme und Warmwasser“, erklärt Richard Bornkeßel, Sprecher des Hochsauerlandklinikums. Das betrifft auch die Krankenhäuser in Brilon, Marsberg oder Olsberg. „Die Energieversorgung im St.-Marien-Hospital Marsberg ist auch von Gas abhängig und kann nicht kurzfristig von anderen Energieträgern abgelöst werden“, so Siegfried Rörig, Kaufmännischer Direktor des St.-Marien-Hospitals Marsberg. Zwar kann laut Frank Leber, Geschäftsführer der Elisabethklinik, in Olsberg auch mit Öl geheizt werden, doch auch der Ölpreis sei „deutlich gestiegen.“ Geschäftsführer des Maria Hilf in Brilon, René Thiemann, erwartet eine Preissteigerung um das acht- bis zehnfache. „Das Risiko, welches von Herrn Morell angesprochen wird, gilt also auch für uns.“

Das Maria Hilf in Brilon befürchtet ebenso steigende Preise wie alle Krankenhäuser im HSK.
Das Maria Hilf in Brilon befürchtet ebenso steigende Preise wie alle Krankenhäuser im HSK. © WP

8 Millionen kWh Strom und 20 Millionen kWh Gas für die Hochsauerlandkliniken

Dabei ist der Energieverbrauch in den Kliniken immens. Richard Bornkeßel rechnet beispielhaft vor: „Die vier Krankenhausstandorte des Klinikums Hochsauerland in Arnsberg und Meschede verfügen über 927 Betten, verzeichnen ca. 40.000 stationäre und über 100.000 ambulante Behandlungsfälle jährlich und hatten dabei zuletzt einen durchschnittlichen jährlichen Energiebedarf von ca. 8 Millionen kWh Strom und 20 Millionen kWh Gas.“ Siegfried Rörig zieht einen Vergleich heran: „Beispielsweise ist im bundesweiten Durchschnitt der Jahresstromverbrauch pro Bett doppelt so hoch wie der Verbrauch eines dreiköpfigen Haushaltes.“

Lesen Sie auch:Händler in Winterberg zur Energiekrise: „Machen uns Sorgen“

Maßnahmen für finanziellen Ausgleich für Krankenhäuser im HSK entscheidend

Hinzu kommt, das die Gasumlage auch die Kliniken trifft. Rörig: „Durch frühzeitigen Abschluss der Versorgungsverträge hoffen wir jedoch noch etwas Zeit zu haben, bis die Preissteigerungen auch bei uns voll durchschlagen.“ Kliniken wie die in Marsberg oder das Hochsauerlandklinikum sichern sich ihren Energiebedarf rund 2 oder 3 Jahre im Vorlauf. Mit dem Auslaufen der Lieferverträge sind allerdings enorme Preissteigerungen zu erwarten. Bornkeßel: „Da die „Vergütungen“ für die verschiedenen Krankenhausleistungen staatlich festgelegt sind, können Krankenhäuser gestiegene Preis nicht an die Kostenträger weitergeben. Zum Ausgleich sind daher staatliche Hilfen unerlässlich.“ Siegfried Rörig betont: „Die staatliche Corona Hilfen sind Mitte des Jahres ausgelaufen, obwohl wir weiterhin mit coronabedingten Einschränkungen zurechtkommen müssen. Hinzu kommen nun die Preisexplosionen in allen Bereichen. Ja, ohne staatliche Hilfen wird es nicht gehen.“ Über Aktionen wie die aktuelle bundesweite Kampagne der Deutschen Krankenhausgesellschaft werde versucht politisch zu intervenieren, um die Regierung auf die Situation aufmerksam zu machen. Ziel sind entsprechende Maßnahmen für einen kurzfristigen finanziellen Ausgleich für alle Krankenhäuser sowie langfristig Struktur- und Finanzierungsreformen. René Thiemann stimmt dem zu: „Sollten die Krankenhäuser keine Unterstützung bekommen, werden viele Häuser wirtschaftlich in die Enge getrieben, ja. Für uns Krankenhäuser wird es wichtig sein, die zu erwartenden Kostensteigerungen ab 2023 im Rahmen der Verhandlungen mit den Krankenkassen über den Landesbasisfallwert geltend zu machen. Der für das laufende Jahr geltende Landesbasisfallwert berücksichtigt leider nicht die Auswirkungen des Ukrainekrieges.“

Lesen Sie auch:Überteuerte Winterreifen: Autofahrer im HSK sollten handeln

Folgen des Krieges in der Ukraine treffen Kliniken nach Pandemie hart

Dabei treffen die Folgen des Kriegs in der Ukraine die Kliniken nach rund drei Krisenjahren, in denen die Corona-Pandemie die Krankenhäuser an ihre Grenzen gebracht hat. Siegfried Rörig dazu: „Die Gesamtsituation der Kliniken in Deutschland ist schwierig. Die Pandemie ist noch nicht ausgestanden, der Fachkräftemangel ist existent und die Sachkosten, nicht nur, aber auch bei der Energie, steigen in allen relevanten Bereichen.“ Spätestens 2023 würden wahrscheinlich 70 Prozent der Kliniken rote Zahlen schreiben. „Ohne politische Aktivität wird das unvermeidbar sein. Hier erwarten wir von den verantwortlichen politischen Entscheidungsträgern, dass sie für einen ausreichenden finanziellen Ausgleich der Mehrkosten sorgen. Vorschläge hierzu wurden bereits durch die Krankenhausgesellschaft an die politischen Akteure kommuniziert.“

Lesen Sie auch:Gastronomie und Hotels in Winterberg müssen Zukunft sichern

Kosten sparen durch Nachhaltigkeitsprojekte in Marsberg, Meschede und Arnsberg

Energie zu sparen, um wenigstens einen Teil der Kosten zu sparen, ist laut Frank Leber nur geringfügig möglich, da verschiedene Maßnahmen (Beleuchtung) bereits in der Vergangenheit umgesetzt wurden. Im Klinikum Hochsauerland wurde vor geraumer Zeit ebenfalls ein Maßnahmenpaket mit Hinblick auf mehr Nachhaltigkeit geschnürt. So wurden drei bisher zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzte Blockheizkraftwerken durch modernste, hocheffiziente, energiesparende und wasserstofffähige Anlagen ersetzt, Photovoltaik-Anlagen sind in der Planung, ebenso die Beteiligung der Klinik an einem Windpark. In Marsberg wurde in den letzten Jahren der Verbrauch von Strom und Gas um 15 Prozent gesenkt. Dachsanierung und die Fassadendämmung sowie neue Fenster mit Dreifachverglasung sollen Energie sparen. „Außerdem haben wir alle Leuchtmittel gegen LEDs ausgetauscht und die Heizpumpen gegen Hocheffizienzpumpen ausgewechselt“, so Rörig. Lüftungsanlagen der OP-Abteilung wurden durch Frequenzumrichter und Präsenzschaltungen optimiert, wodurch ebenfalls Strom, Wärme und Kälte gespart wird. In Brilon appelliert die Klinikleitung an die Mitarbeiter, die gängigen Optionen zum Energiesparen zu nutzen, wie weniger heizen und die Beleuchtungen ausschalten.