Hochsauerland. Für Kliniken werden die Blutkonserven derzeit rationalisiert. Käme es zu einem großen Unglück, könnte Spenderblut sehr knapp werden - auch im HSK.
Das Deutsche Rote Kreuz schlägt Alarm: Die Zahl der verfügbaren Blutkonserven ist so knapp wie nie zuvor. Und dabei steht die maue Zeit der Sommerferien erst noch bevor. „Wir kürzen schon jetzt die Anforderungen der Kliniken um fast die Hälfte. Wer 20 Erythrozyten-Konzentrate, also Blutkonserven, bestellt, der bekommt aktuell nur zehn geliefert“, erklärt Stephan David Küpper. Er ist Pressesprecher des DRK-Blutspendedienstes West. Deutschlandweit seien kurzfristig nur 25.000 Konserven verfügbar. Allein im Bereich des Blutspendedienstes West müssten eigentlich 14.000 Spenden auf Lager sein, um auch für Krisen-Notfälle gewappnet zu sein. Sind es aber nicht. Pro Tag würden hingegen aktuell zwischen 3000 und 3500 verbraucht. Küpper: „Diese Zahlen sind erschreckend. Wenn sie sich nicht bessern, sind wir schon vor den Sommerferien ausgeknockt.“
Nach Corona-Pause Lust auf andere Dinge
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Schützenhalle Medebach, Dienstagabend. Geduldig stehen die Blutspender in einer kleinen Warteschlange. Sie alle haben vorher einen Termin gebucht und kommen zügig an die Reihe. Die Buchung geht relativ einfach über das Internet oder eine App. Zur Not gibt es auch eine Hotline. Man trifft Bekannte, Freunde, unterhält sich. Ehrenamtliche Helfer leiten die Spender freundlich zum Startpunkt der einzelnen Anlaufstellen. Ein Spender muss wieder gehen. Die Corona-Erkrankung liegt noch keine zwei Wochen zurück. Auch wenn sie ohne Symptome war. Sicherheit geht vor. Ob er nicht trotzdem ein Care-Paket mit Süßigkeiten und Saft mitnehmen möchte? Nein, alles gut. Dann bis zum nächsten Mal.
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Corona und die Spätfolgen machen dem Blutspendedienst zu schaffen. „Es gibt nicht nur eine Erklärung für die Spendenmüdigkeit, es gibt viele“, sagt Stephan David Küpper. Statt seine Freizeit für eine Blutspende zu opfern, haben die Menschen nach der Corona-Zwangspause Lust auf andere Dinge: Sie treffen sich mit Freunden im Biergarten oder zu Hause zum Grillen, sie haben Karten für Konzerte, sie fahren in Kurzurlaub. Je mobiler die Menschen sind, desto schwieriger wird es für uns, sie zu erreichen.“ Die sei kein Vorwurf, sondern eine nachvollziehbare Reaktion. Die Engpässe, die man normalerweise erst in den großen Ferien habe, seien schon jetzt da. „Und dann kommt noch hinzu: Wir haben mit Beginn von Corona ein Terminreservierungs-Tool eingeführt. Das hat uns sicher durch die Pandemie getragen, wir hatten nicht einen Hotspot bei Blutspenden. Aber das holt uns jetzt ein.“ Die Menschen seien es leid, sich einzuengen, sich einen Termin zu buchen. Wir können aber auch nicht davon loslassen, weil Ärzte und Gesundheitsminister sagen, vielleicht geht es im Herbst schon wieder los. Wir müssen an der Reservierung festhalten.“
Es geht zügig voran
Sie hat ja auch Ihr Gutes. Sehr zügig geht es hier in Medebach voran. Anonym wie in einer Wahlkabine, müssen mehrere Formulare ausgefüllt werden: Nehmen Sie dauerhaft Medikamente? Wann war die letzte OP? Waren Sie zuletzt in Großbritannien? Hatten Sie schon einmal Hasenpest. Hasenpest? Nein. Weiter geht’s.Im Sauerland ist die Blutspender-Welt mehr oder weniger noch in Ordnung: „Wir verspüren schon ein deutliches Stadt-Land-Gefälle“, sagt Pressesprecher Küpper. Das Blutspenden sei im ländlichen Raum stärker verwurzelt. „In Köln zum Beispiel ist vieles anonym.
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Stichwort Ehrenamt
Im Sauerland sprechen Ehrenamtliche und Vereinsmitglieder untereinander, verabreden sich zum Blutspenden. „Das Ehrenamt spielt auch bei den Blutspende-Aktionen vor Ort eine nicht zu unterschätzende Rolle. Unsere ehrenamtlichen DRK-Kollegen sind die Gastgeber, man kennt und schätzt sie. Und das wird ernst genommen.“ In Köln erwarte man bei einer Spendenaktion 55 Spender, auf dem Land auch schon mal 200. Und trotzdem geht auch hier die Zahl leicht zurück:In Medebach sind an diesem Tag nach Angaben des Blutspendedienstes 160 Spender anvisiert und bis zum Abend rund 120 erschienen. Nach dem Piks in den Finger zur Bestimmung des HB-Wertes im Blut geht es zum Doktor, der den Blutdruck misst, den Fragebogen kontrolliert und den Patienten kurz in Augenschein nimmt. Passt!
Dienstag ist Weltblutspendetag
Am 14. Juni ist der Weltblutspendetag. Am 14. Juni 1868 wurde Karl Landsteiner, der Entdecker der Blutgruppen, geboren. Der Weltblutspendetag wurde 2004 von vier internationalen Organisationen ausgerufen, die sich für sicheres Blut auf der Basis freiwilliger und unentgeltlicher Blutspenden einsetzen.Der Tag soll Menschen daran erinnern, dass Menschen mit Blutverlust (z. B. Gebärende und Unfallopfer) Blutspenden benötigen. Einige Empfängergruppen benötigen Vollblutspenden; andere Blutbestandteile. Zum Weltblutspendetag gibt es vom DRK als Geschenk einen Flowerball (ein Stück in Erde gepresste Blumensaat): Außerdem läuft die Kampagne „Missing Type“. In Texten fehlen die Buchstaben „A“, „B“ und „0“, die für die jeweiligen Blutgruppen stehen und unterstreichen sollen: ohne sie geht nichts. Blutspenderhotline und weitere Infos unter www.blutspendedienst-west.de
120 Spender ist eine sehr gute Zahl und spricht für die hohe Akzeptanz der Rot-Kreuzler im Raum Medebach und die Hilfsbereichtschaft der Bürger dennoch: „Das spiegelt die allgemeine Situation wider. Leider sind wir veranstaltungstechnisch keine Monopolisten mehr und bei gesteigertem Freizeitangebot verschwindet die Blutspende aus dem Fokus der Bevölkerung“, sagt Stephan Jorewitz, Sprecher des DRK-Zentrums für Transfusionsmedizin in Hagen. Leider habe man keineswegs das „Vor-Corona-Niveau“ erreicht. „Ganz im Gegenteil“, sagt Jorewitz und liefert ein paar Zahlen aus dem Bereich des Zentrums Hagen. Laut Vorjahresplanung waren es am 7. Juni 660 Spender, aktuell geplant waren 613; real erschienen waren 472. Das mach ein Minus von 28,5 Prozent.
Viele Kanäle bespielen
Das Rote Kreuz muss mittlerweile viele Kanäle bespielen, um auf seine Spendenaktionen aufmerksam zu machen. Den einen spricht das Transparent auf dem Marktplatz an, der andere hat es in der Zeitung gelesen. „Aber auch bei der Erreichbarkeit unserer Klientel wird deutlich, wie wichtig und vielfältig die ehrenamtliche Mitarbeit ist. Wer sich zum Beispiel gut in Social-Media-Bereich auskennt, kann sich einbringen und Blutspendetermine in den jeweiligen Gruppen posten und teilen. „Wir müssen den Spagat schaffen, eine treue Klientel bei der Stange zu halten und eine neue hinzuzugewinnen“, erklärt Küpper.
„Linker oder rechter Arm?“, fragt der freundliche DRK-Helfer in Medebach. Und schon geht’s auf die Pritsche. Kleiner Plausch. Das letzte Mal gut vertragen? Keine Probleme! Blutgefäße wie Flüsse auf der Landkarte. Läuft.
Zugunglück, Sommerzeit, Reisezeit, Massenunfälle: „Für all diese Szenarien brauchen wir fertig präparierte Konserven in den Kühllagern. Das Blut braucht nach der Spende mindestens 24 Stunden, um beim Patienten eingesetzt werden zu können. Daher sind wir so dringend auf eine Bevorratung angewiesen“, sagt Stephan David Küpper. Um Spender zu rekrutieren, scheut das DRK auch nicht vor ungewöhnlichen Ideen. „Viele sagen: Gebt den Leuten doch 25 Euro auf die Hand, dann kommen sie auch. Das ist aus ethischer Sicht der falsche Ansatz. Außerdem ist die Spendenbereitschaft gegen Bezahlung zum Beispiel an Unikliniken auch nicht besser Wir appellieren dafür, den Menschen im Gegenzug Zeit zu spenden.“ Das könne bedeuten, dass der Mitarbeiter während seiner Arbeitszeit Blut spenden gehen dürfe, ohne auszustempeln. Oder dass auch ein mittelständischer Betrieb mit einem Bus gemeinsam zum Blutspenden fahre. „Ich weiß, dass das in diesen wirtschaftlichen Zeiten eine große Forderung ist“, sagt Stephan David Küpper. Aber der Zweck heiligt die Mittel – vor allem, wenn es um so lebenswichtige Dinge geht.