Medebach. Die kommissarische Direktorin des Amtsgerichts Medebach ist erstmal nur ein Jahr im Amt. Die Suche nach einem Nachfolger ist hart. Droht das Aus?

Dieses Gebäude im Herzen der Stadt Medebach atmet Geschichte. 1853 wurde das Amtsgericht in der Marktstraße 2 errichtet und steht mittlerweile unter Denkmalschutz. Doch einen Bestandsschutz hat die Institution nicht, fürchten nicht wenige. Zwar reicht die Rechtsgeschichte in Medebach mehr als 1000 Jahre zurück, inklusive Hexenprozesse, doch die heutigen Angestellten treibt eine Sorge um, dass man ihnen das Gericht dicht macht.

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Die kommissarische Direktorin des Amtsgerichts Medebach Isabel Möllenberg.
Die kommissarische Direktorin des Amtsgerichts Medebach Isabel Möllenberg. © WP | Benedikt Schülter

Düstere Zukunftsaussichten

Die hölzerne Eingangstür knarzt wenn man das Gebäude betritt. Durch eine hochmoderne Sicherheitsschleuse hindurch wird man dann von einem Justizbeamten in die schmalen Gänge des Gerichts geleitet. Isabel Möllenberg empfängt im ersten Stock in ihrem Büro. Direkt gegenüber, ein paar Türen weiter, ist der Gerichtssaal. Die 38-jährige Richterin aus Brilon ist seit dem 1. Mai die neue Direktorin des Amtsgerichtes. „Ich bin hier alleine für die Verwaltungsangelegenheiten zuständig“, sagt sie und lässt ihren Blick über die gesammelten Gesetzestexte in der Vitrine hinter ihrem Schreibtisch schweifen.

Eigentlich soll es heute um die Vorstellung von Möllenberg gehen. Doch „die Neue“ hat auch ein anderes Anliegen. Ihre Belegschaft sei besorgt, sagt sie. „Viele haben Angst davor, dass die Behörde hier wegrationalisiert wird“, sagt die Richterin. Grund sei, dass es immer schwieriger werde, Richterstellen auf dem Land zu besetzen. Sie selbst hat sich bereit erklärt, für ein Jahr kommissarisch das Gericht zu leiten. Doch spätestens am 1. Mai 2023 müsste sehr wahrscheinlich ein neuer Direktor oder eine neue Direktorin hier die Stelle antreten. Und da sehe es momentan düster aus, sagt sie. Das Medebacher Gericht sei beispielsweise im Vergleich mit dem Amtsgericht in Brilon klein, berichtet sie. Drei Richterinnen, Möllenberg eingeschlossen, teilen sich 1,5 Stellen. 17 Mitarbeiter seien hier beschäftigt.

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Zivil- und Strafverfahren

„Wenn kein Nachfolger gefunden wird, brennt hier die Hütte“, sagt die Direktorin und nimmt einen ernsten Gesichtsausdruck an. „Ich hoffe, dass Gerichte in der Fläche, wie Medebach erhalten bleiben können, obwohl die Stellenbesetzung nicht zuletzt aufgrund der Besoldungslage schwierig sein dürfte“, sagt sie. Denn es gehe hier ja nicht nur um den Erhalt der Arbeitsplätze, sondern auch um eine bürgernahe Justiz. Schließlich werden hier Zivil- aber auch diverse Strafverfahren verhandelt und bearbeitet.

Möllenberg ist sich sicher, dass man die Stelle attraktiver machen müsste. Doch wenn man schon die Richter nicht dazu bewegen könnte, in die Region zu ziehen, sollte man zumindest einen finanziellen Anreiz bieten zu pendeln. Hier gebe es aber einen Knackpunkt, so die Brilonerin. Denn die Direktorenstelle sei lediglich mit R1 plus einer Amtszulage besoldet die bei knapp 243 Euro brutto liege. Das gleiche dann die Spritkosten eines Pendlers, der von weiter herkomme, nicht aus, sagt sie. „Den Menschen vor Ort ist es nicht zumutbar, wegen aller Rechtsstreitigkeiten bis nach Brilon oder zu weiter gelegenen Gerichten zu reisen“, warnt sie.

Justizministerium beruhigt

Tatsächlich berechnet sich die Besoldung für Direktorinnen und Direktoren von Amtsgerichten nach den Vorschriften des Landesbesoldungsgesetzes NRW, teilt der Pressesprecher des NRW-Justizministeriums, Wolfgang Schorn, auf WP-Anfrage mit. Maßgeblich sei die Anzahl der an dem jeweiligen Amtsgericht vorhandenen Richterplanstellen. Bei Amtsgerichten mit bis zu drei Richterplanstellen – hierzu zählt auch das Amtsgericht Medebach – werde der Direktor nun mal nach der Besoldungsgruppe R1 mit einer Amtszulage besoldet. Bei Amtsgerichten mit vier Richterplanstellen erfolge eine Besoldung nach der Besoldungsgruppe R 2; ab acht Richterplanstellen wird eine Amtszulage zu R 2 gewährt.

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Doch Schorn macht Hoffnung: „Es besteht Zuversicht, die Stelle im üblichen zeitlichen Rahmen nachbesetzen zu können“, schreibt er. Die Gerichtsstandorte seien in Nordrhein-Westfalen gesetzlich festgelegt. Aus Paragraf 11 Nr. 7 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen folge der Amtsgerichtsstandort Medebach. „Wollte man dies ändern, wäre eine entsprechende Entscheidung des Gesetzgebers erforderlich. Eine solche Änderung ist aktuell von hier aus nicht beabsichtigt. Eine bürgernahe Justiz ist durch die Vielzahl der Gerichte gerade auch an kleinen Standorten gut gewährleistet“, so Schorn.

Trotzdem macht sich auch der Bürgermeister in Medebach, Thomas Grosche, weiterhin Gedanken. Dabei habe es bezüglich der Personalfindungen am Medebacher Gericht in der Vergangenheit immer schon Sorgen wegen einer möglichen Schließung gegeben, sagt er. Deshalb weise seine Kommune immer wieder auf die Wichtigkeit des Standortes bei den entscheidenden Stellen hin. Der langfristige Erhalt der Arbeitsplätze habe höchste Priorität und auch die Bürgernähe sei ein wichtiges Kriterium. „Das Gebäude steht an einer exponierten Stellen. Man kann sich Medebach ohne Amtsgericht nicht vorstellen“, sagt er.