Brilon. In Brilon fließt Gas aus Russland oder Norwegen. Was passiert bei einem Embargo und wohin dreht sich die Preisspirale. Die Stadtwerke antworten:
Die Leitungen von Nordstream I führen natürlich nicht direkt bis nach Brilon. Aber wer in der Stadt des Waldes mit Gas heizt, wird auch Energie aus Russland in seiner Heizung verbrennen. Wie viele andere Energielieferanten auch haben die Stadtwerke Brilon keinen direkten Einfluss darauf, aus welchen Quellen das Gas kommt und wie sich die künftige Preisentwicklung gestalten wird. Fakt ist, die Nachfrage bestimmt den Preis und auch das Heizen mit anderen Energieformen wird nicht günstiger werden, prognostiziert Christoph Höing. Er ist Fachbereichsleiter Vertrieb/Marketing/Verbrauchsabrechnung bei den Stadtwerken.
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H-Gas und L-Gas
Kann man sagen, in welchem Umfang in Brilon mit Gas aus Russland geheizt wird?
Christoph Höing: Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen H-Gas und L-Gas. Das bedeutet High- and Low-Quality. Beim H-Gas ist der Brennwert höher. Das L-Gas stammt überwiegend aus eigenen Quellen aus Deutschland oder aus den Niederlanden. Das H-Gas kommt aus Norwegen oder eben aus Russland. In Brilon haben wir ausschließlich H-Gas, sodass es wahrscheinlich ist, dass das Gas zu einem gewissen Anteil auch aus Russland stammt. Wie hoch der ist, kann man nicht sagen. Die Stadtwerke Brilon beschaffen ihre Energiemengen bei Großhändlern und haben keinen Einfluss darauf, welches Gas aus welcher Region physisch in den Leitungen beim Kunden ankommt. Die großen Gas-Importeure, bei denen wiederum die Großhändler einkaufen, legen durch ihre Beschaffung fest, aus welcher Region das Gas in Deutschland ankommt.
Wo ist die zentrale Verteilerstelle, von der aus das Gas für den Raum Brilon ins Netzt eingespeist wird?
Im Stadtgebiet Brilon selbst gibt es mehrere Übergabepunkte in Form von Gasdruckregelanlagen, an denen das Gas aus dem Hochdrucknetz in das Verteilnetz eingespeist und auf einen niedrigeren Druck heruntergeregelt wird. Wo es tatsächlich herkommt, kann man nicht sagen: Das Netz verteilt sich immer tiefer und verästelt sich immer mehr. In Greifswald kommen zum Beispiel die Leitungen von Nordstream an und von immer größeren Leitungen geht es in immer kleineren weiter, bis es dann irgendwann beim Endverbraucher im Haus ist. Die Mischung des Gases passiert bei unseren vorgelagerten Netzbetreibern, die größere Verteilernetze haben.
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Briloner Gasnetz ist 194 Kilometer lang
Wie lang ist eigentlich das Gasnetz im gesamten Briloner Stadtgebiet und wie viele Menschen heizen hier mit Gas?
Das Netz inklusive Hausanschlüssen ist rund 194 Kilometer lang. Insgesamt gibt es in Brilon 4196 Hausanschlüsse; in Mehrfamilienhäusern hängen aber an einem Haus auch mehrere Zähler. Daher sprechen wir von 4800 Zählern. Vielleicht noch eine interessante Zahl: Der höchste Verbrauch im vergangenen Jahr war am 10. Februar 2021 um 8 Uhr. Da wurden 68.000 Kilowattstunden binnen einer Stunde verbraucht. Im Jahr 2021 wurde in Brilon Gas für rund 182 Millionen Kilowattstunden verbraucht.
Weitere Infos
Tagesaktuelle Daten zu den Gasspeicherfüllständen in Europa findet man hier: https://agsi.gie.eu/#/
Die Entwicklung der Preise kann man beispielsweise auf den Seiten der Energiebörse in Leipzig einsehen: https://www.powernext.com/futures-market-data
Ist das Gasnetz im Besitz der Stadtwerke oder ist es wie beim Strom, dass das Netzwerk von den Stadtwerken genutzt wird, aber jemand anderem gehört?
Das Gasnetz gehört uns selbst. Aber auch über dieses Netz kann jeder andere Anbieter Kunden beliefern. Das ist wie beim Strom auch. Wer nicht direkt bei uns Kunde ist, bekommt dasselbe Gas, das durch die Leitungen fließt, aber abgerechnet wird über einen anderen Anbieter.
Kann es aufgrund der Ukraine-Situation zu Lieferengpässen kommen?
Derzeit gibt es keine Engpässe bei der Gasversorgung - wie sich die Situation weiter entwickelt ist nur schwer vorherzusagen. Die Gasversorgung ist insgesamt ein wichtiger Baustein der Versorgungssicherheit sowohl für die Versorgung mit Wärme als auch für die Stromerzeugung und die Industrie. Die Energiewirtschaft nimmt ihre hohe Verantwortung wahr und bereitet sich auf Krisensituationen gewissenhaft vor. Klar ist: Geschützte Kunden, wie etwa private Haushalte, werden so lange, wie es geht, beliefert. Wir haben in Europa Sicherungsmechanismen, die in einer Engpasssituation greifen. In jedem Fall sind Haushaltkunden und Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser durch gesetzliche Bestimmungen besonders geschützt. Auch würden im Falle eines Engpasses vertraglich geregelte Abschaltvereinbarungen mit der Industrie oder der Wechsel auf andere Energieträger die Nachfrage nach Erdgas drosseln. Die Energiewirtschaft steht in engem Austausch mit der Bundesregierung bzw. vor allem mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Bundesnetzagentur. Sie beobachtet die aktuelle Lage genau und bewertet sie regelmäßig entlang der bestehenden Vorsorgepläne.
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Wie hat sich der Preis für Gas im Laufe der vergangenen sechs Wochen entwickelt?
Der Druck auf die Strom- und Gaspreise aufgrund des Krieges in der Ukraine ist enorm. Hinzu kommt, dass die Großhandelspreise bereits vor Kriegsausbruch auf einem außergewöhnlich hohen Niveau lagen. Das verteuert für die Energieversorger die Beschaffung von Strom und Gas ganz erheblich. Das Preisniveau ist in den letzten 1,5 Jahren extrem gestiegen. Im Vergleich zu den Vorjahren ist der Preis um mehr als das achtfache gestiegen bzw. zwischenzeitlich sogar um das 20-fache. Die Zahl bezieht sich auf die Beschaffung.
Haben Bestandskunden in irgendeiner Form eine Preisgarantie bzw. Deckelung? Kann man aktuell noch zu Ihnen wechseln oder lohnt sich das gar nicht?
Wir beschaffen Gasmengen kontinuierlich und haben daher einen Teil unserer Mengen schon jetzt bis zum Jahr 2025 eingedeckt. Dadurch können wir Preisschwankungen teilweise ausgleichen. Durch den extremen Preisanstieg in den vergangenen Monaten waren aber auch wir gezwungen, unsere Preise anzuheben. Jedoch konnten wir unseren Bestandskunden eine Preisgarantie bis Ende diesen Jahres machen. Man kann noch neu zu uns wechseln, dann aber zu einem höheren Preis. Das liegt daran, dass wir die zusätzlichen Mengen entsprechend nachkaufen müssen und nicht einfach so übrig haben. Aber viele sind immer noch dankbar, dass sie überhaupt einen Lieferanten finden, weil einige Kunden vor die Tür gesetzt worden sind. Wir erleben daher, dass Kunden trotz der höheren Preise bei uns abschließen, weil sie ansonsten keine Chance haben, aktuell einen zuverlässigen Lieferanten zu finden.