Brilon. Das Konzept der Sekundarschule Brilon setzt auf individuelles Lernen. Dabei läuft vieles anders als wir es von unserer eigenen Schulzeit kennen.

Hausaufgabe bis morgen: Mathebuch, Seite 48, Nr. 1, Vokabeln Lektion 3 für den Test am Freitag, Inhaltsangabe Deutsch-Trainer Seite 16 als Vorbereitung auf die Klassenarbeit nächste Woche. Alle lernen nach einem vorgegebenen Plan. So kennen es die meisten von uns noch aus ihrer Schulzeit. Dass Schule heute ganz anders funktionieren kann, zeigt die Sekundarschule Brilon. Sie setzt auf Individuelles Lernen, hat dafür ein eigenes Konzept auf die Beine gestellt und bewirbt sich damit jetzt für den renommierten Deutschen Schulpreis.

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Eigenverantwortung stärken

Wer mit Schulleiterin Anja Strube und der Didaktischen Leiterin Nadine Bromisch spricht, erfährt, dass die Heinrich-Lübke-Schule auf Flexibilität setzt und erreichen möchte, dass Schüler/innen selbstständig und eigenverantwortlich lernen. Klingt gut, aber klappt das auch? Die beiden Pädagoginnen sagen: „Ja, das klappt sehr gut. Und dafür haben wir auch sehr viel Zeit in die Entwicklung unseres Konzeptes investiert, haben Hospitationen gemacht und stecken sehr viel Energie in die Umsetzung und Weiterentwicklung.“

Kompetenzraster-Arbeit

Zentrale Grundlage des Schulkonzeptes ist die „Kompetenzrasterarbeit“. Und die funktioniert so: In den Fächern Mathe, Deutsch und Englisch sind alle Kompetenzen, die im Laufe der Schulzeit erreicht werden sollten, in einem Raster notiert und werden durch die Schüler/innen dokumentiert. Durch Diagnose-Tests wird der Ist-Stand jedes Einzelnen bestimmt. Stärken und Schwächen werden aufgezeigt und es gibt Hinweise, wo genau man weiterarbeiten kann. Die Schüler/innen arbeiten mit Trainingslisten, die auf ihre individuelle Niveaustufe abgestimmt sind. Nach der Übungsphase wird ein Test geschrieben und man kann eine neue Kompetenzstufe erreichen.

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Blick in das Lernbüro der Heinrich-Lübke-Schule in Brilon. Sophia Hoffschlag, Nadine Bromisch und Eileen Donschen zeigen, wie die Schüler hier lernen.
Blick in das Lernbüro der Heinrich-Lübke-Schule in Brilon. Sophia Hoffschlag, Nadine Bromisch und Eileen Donschen zeigen, wie die Schüler hier lernen. © Jutta Klute | Jutta Klute

Das sagen Schülerinnen

Schülerin Freya Bödefeld (16) erklärt, wie sie mit diesem System klarkommt: „Man kann sich selbst für eine Lernstufe von 0 bis 3 entscheiden. Wenn man einmal die 3 gewählt hat, dann hat man schon den Ehrgeiz, auch auf diesem Niveau weiter zu machen. Von der 5. Klasse an wird selbstständiges Arbeiten gefördert. Man ist für seine Erfolge selbst verantwortlich.“ Und auch die 15-jährige Filiz Kücük findet diese Art zu lernen gut: „Auch wenn man zuerst vielleicht mit einem niedrigen Niveau startet, weil man noch unsicher ist, ob man ein höheres schafft, kann man später noch wechseln. So kann man selbst entscheiden, wie man lernen möchte.“

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Projektarbeit

Ein weiterer wichtiger Baustein ist an der Sekundarschule die Projektarbeit, die für die Klassen 9 und 10 an einem Tag pro Woche stattfindet. Freya Bödefeld, Lasse Thiem und Filiz Kücük haben zum Beispiel gemeinsam Podcasts zu aktuellen politischen Themen produziert. Freya erklärt: „Bei der Projektarbeit lernt man mit anderen zusammen zu arbeiten und bekommt ein Ergebnis, das man präsentieren kann und mit dem alle zufrieden sind.“ In den Fluren der Schule finden sich Sitzecken und Tische für Gruppenarbeit. Anja Strube erklärt, dass die Jugendlichen an ihrer Schule nicht nur in den Klassenräumen lernen, sondern sich einen Platz suchen können, an dem sie zum Beispiel ihre Arbeitsblätter bearbeiten können oder ein Projekt besprechen möchten. Wer möchte, kann dafür auch das „Lernbüro“ benutzen. Hier ist immer jemand von den Lehrkräften als Ansprechpartner vor Ort. Man kann sich aber einfach auch mal zurückziehen. Es gibt gemütliche Sitzkissen, einen Tisch, an dem man auf dem Boden sitzen kann und „ganz normale“ Arbeitsplätze.

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Nadine Bromisch, Didaktische Leiterin Heinrich-Lübke-Schule Brilon (Sekundarschule).
Nadine Bromisch, Didaktische Leiterin Heinrich-Lübke-Schule Brilon (Sekundarschule). © Jutta Klute | Jutta Klute

Lernwerkstatt

Der 15-jährige Lasse Thiem (15) findet die Lernwerkstatt super: „Dort kann man sich auf ein Thema besser fokussieren und konzentrierter arbeiten als zum Beispiel zu Hause, wo man sich schneller ablenken lässt.“ Auch Annika Schmidt (14) findet die Art, wie an ihrer Schule gelernt wird, richtig gut: „Man kann selbst entscheiden. Dadurch hat man viel mehr Lust zu lernen. Gut finde ich auch, dass man nicht unbedingt den Lehrer braucht, wenn man etwas erklärt haben möchte. Man kann auch zu Mitschülern gehen. Dafür gibt es bei uns extra Experten, die andere unterstützen.“

Pilotprojekt: Tests statt Arbeiten

Ebenfalls ein ungewöhnlicher Ansatz ist ein Pilotprojekt, das auf Tests statt Klassenarbeiten setzt. Es wird in den Klassen 5 bis 7 in Englisch erprobt und in Mathe in einigen anderen Jahrgangsstufen. Dabei entscheiden die Schüler/innen selbst, wann sie ihren Kompetenznachweis ablegen müssen. Das heißt: Einen festen Termin für die Klassenarbeit gibt es nicht.

Ziel: Qualität von Schule und Unterricht verbessern

Unter dem Motto „Für mehr gute Schulen!“ haben es sich die Robert Bosch Stiftung und die Heidehof Stiftung zum Ziel gesetzt, die Qualität von Schule und Unterricht in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Herausragende Projekte werden seit 2006 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.

„Unterricht besser machen“ ist das Motto des Deutschen Schulpreises 2022. Allgemeinbildende und berufliche Schulen in öffentlicher oder privater Trägerschaft in Deutschland sowie Deutsche Auslandsschulen können sich bis Ende März bewerben.

Bewerbung für Schulpreis

Schulleiterin Anja Strube berichtet, dass vor der Corona-Pandemie viele Lehrkräfte aus ganz NRW nach Brilon kommen seien, um das Konzept im Rahmen einer Hospitation kennen zu lernen: „Auch das hat uns in der Entscheidung bestärkt, uns für den Deutschen Schulpreis zu bewerben. Der Wettbewerbs-Schwerpunkt liegt diesmal auf individuellem Unterricht, der Schüler/innen auf die Herausforderungen von morgen vorbereitet. Das passt thematisch genau zu uns.“

Ziel sei es, die Kinder stark zu machen, damit sie Verantwortung für ihr Lernen übernehmen: „Wir sind hier ganz weit weg von dem Gedanken, dass Schüler/innen alle zur gleichen Zeit die gleichen Aufgaben machen und am gleichen Tag eine Klassenarbeit schreiben. Unser Ansatz ist sehr individuell und es gibt viel Flexibilität. Wir wollen niemanden frustrieren, aber auch keinen unterfordern.“ Lasse Thiem bringt es so auf den Punkt: „Ich finde das Schulkonzept gut, weil jeder Kopf anders denk und jeder anders lernt. Und das wird hier berücksichtigt.“

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