Marsberg. Klaus Dropmann aus Marsberg traf die Frau von Wladimir Putin vor Jahren persönlich. Der Russlandkenner über Land, Kultur, Menschen und den Krieg.

Auch für Klaus Dropmann (68) aus Marsberg ist die aktuelle Situation rund um den Ukraine-Krieg und den Aggressor Wladimir Putin aus dem Moskauer Kreml schier unerträglich und er kann und will eigentlich nicht glauben, wie er im Gespräch mit der WP traurig sagt, wie unschuldige Menschen und vor allem auch die Kinder unter dem Einmarsch der russischen Soldaten leiden müssen.

Als Russischlehrer am Carolus Magnus Gymnasium Marsberg hat sich Klaus Dropmann fast 35 Jahre für die russische Sprache und die deutsch-russische Verständigung eingesetzt. Eine Flusskreuzfahrt von Moskau nach St. Petersburg stand schon vor zwei Jahren auf dem Reiseprogramm von Klaus und Elke Dropmann. Dann kam Corona. Die Reise wurde abgesagt. Und jetzt der Krieg. Die Reise ist storniert.

Die WP sprach mit ihm über Russland, Putin, den Krieg, die deutsch-russische Verständigung und Ludmilla Putina, die geschiedene Ehefrau von Wladimir Putin.

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Herr Dropmann, Sie haben Frau Putina persönlich kennengelernt?

Ja. Das war 2002 während des deutsch-russischen Jugendforums in Moskau. Sie hatte die Schirmherrschaft russischerseits übernommen. Doris Schröder Köpf, die damalige Ehefrau des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder war übrigens Schirmherrin auf deutscher Seite. Ich habe mit Frau Putina kurz während einer gemeinsamen Schifffahrt auf der Moskwa gesprochen und sie um ein Autogramm mit Grüßen für meine Tochter gebeten. Sie war sehr herzlich, aufgeschlossen und freundschaftlich und hat meine Bitte sofort erfüllt. Während der Schifffahrt hat sie sich mit den Jugendlichen unterhalten. Es war ihr großer Verdienst, dass sich die Nähe zu Jugendlichen gesucht hat.

Russland – Land mit seiner Vielfalt an Gegensätzen

Glauben Sie, Sie werden die Flußkreuzfahrt von Moskau nach St. Petersburg je nachholen können?

In der momentanen Situation sicher eher nicht. Man muss aber die politische und touristische Entwicklung abwarten. Zudem wird man ja auch nicht gerade jünger, um eine solche doch anstrengende, aber erlebnisreiche Reise antreten zu können. Sie wäre jedoch ein Traum und bleibt es auch. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Was fasziniert Sie so sehr an Russland und der russischen Sprache?

Es ist das Land mit seiner Vielfalt an Gegensätzen. Wenn man nur an die verschiedenartigen Landschaften denkt. Die Ausdehnung über 10.000 km von West nach Ost ist schon beeindruckend, zumal man auf viele verschiedene Völkerschaften stößt. Ich habe das Land sowohl im Sommer als auch den typisch russischen Winter kennenlernen können. Die russische Sprache ist der Schlüssel nicht nur zur russischen Kultur mit seinen zahlreichen Schriftstellern und Komponisten, sondern auch ein Mittel, um sich in ganz Osteuropa verständigen zu können.

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Bewunderung für Mut und Widerstand der ukrainischen Bevölkerung

Ukrainische Soldaten fahren auf einem Panzer von Typ APC auf einer Straßen der Stadt Trostianets
Ukrainische Soldaten fahren auf einem Panzer von Typ APC auf einer Straßen der Stadt Trostianets © dpa | Efrem Lukatsky

Der Krieg in der Ukraine zieht sich jetzt schon in die vierte Woche hinein. Die Angriffe Russlands gehen weiter. Täglich gehen neue menschenrechtsverachtende Meldungen mit vielen Toten unter Soldaten und Zivilisten durch die Medien. Wie geht es Ihnen persönlich damit?

Die momentane Situation beunruhigt mich sehr, da nicht nur zahlreiche Menschenleben zu beklagen sind, sondern auch viele Orte mit historischen Gebäuden und vor allem auch Wohnhäuser, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen zerstört werden. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern mit ihren Familien ihre Heimat verlassen haben aus Angst, bei den Angriffen der russischen Armee getötet zu werden, ihre zerstörten Wohnungen mit Hab und Gut nicht mehr vorfinden zu können. Zudem beunruhigt mich die Tatsache, dass Proteste und das Kundtun von Meinungsfreiheit in russischen Städten nicht möglich ist, ohne Repressalien in Form von Festnahmen zu befürchten. Jeden Tag sehe und höre ich voller Scham und Grauen die Berichterstattung über immer wieder neue Greueltaten und bewundere gleichzeitig den Mut und Widerstand der ukrainischen Bevölkerung.

Was denken Sie, lässt sich der Krieg durch Diplomatie und Sanktionen wohl überhaupt noch stoppen?

Die Sanktionen sind sicher eine Möglichkeit, um Putin und seinem Regime Möglichkeiten der Reaktion zu zeigen, beinhalten aber auch von russischer Seite wiederum Gegenreaktionen. Darüber hinaus merkt zum momentanen Zeitpunkt die russische Bevölkerung davon noch kaum etwas. Die einzige Möglichkeit, den Krieg zu beenden sehe ich in diplomatischen Verhandlungen gegebenenfalls durch einen neutralen Vermittler, wobei beide Seiten zu Zugeständnissen bereit sein müssten. Voraussetzung für eine solche mögliche diplomatische Lösung müsste eine sofortige Einstellung aller Kriegshandlungen auf beiden Seiten sein.

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Was beunruhigt Sie im Bezug auf den Krieg am meisten?

Hier müssen zunächst die Drohungen gesehen werden, die Putin in mehreren Fernsehansprachen getätigt hat bis hin zum Einsatz atomarer Waffen. Die Gefahr ist groß, dass Putin nach der Ukraine auch auf andere Gebiete übergreifen könnte. In seiner ersten fast eine Stunde dauernden Fernsehrede an die Nation hat er immer wieder auf die Geschichte zurückgegriffen und Namen wie Lenin und Stalin ins Gespräch gebracht. Dabei missachtet er die Ära Gorbatschovs völlig, die dem russischen Volk Perestroika und Glasnost gebracht hatten.

Appell des Deutschen Russischlehreverbandes

Sie haben sich über drei Jahrzehnte immens für die deutsch-russische Verständigung eingesetzt. Sie waren bis Juni 2021 20 Jahre lang Vorsitzender des Russisch-Lehrerverbandes NRW und sind aktuell 2. Vorsitzender im Deutschen Russischlehrerverband. Sie haben Netzwerke geschaffen. Wie war immer die Zusammenarbeit unter den Institutionen?

Wir haben uns immer – und verstehen uns auch jetzt noch so – wie eine große Familie gefühlt, die sich um die Belange der Russischlehrer/innen und ihrer Schüler/innen kümmert und jederzeit bereit ist, Hilfestellungen zu geben und sich auszutauschen. Alle Vorstandsmitglieder leisten ihre Arbeit ehrenamtlich.

Wie ist die Zusammenarbeit jetzt?

Die aktuelle Situation schweißt uns noch enger zusammen. So haben wir als Vorstand einen Appell des Deutschen Russischlehreverbandes (www.russischlehrer-deutschland.de) verfasst, den wir auch an die Botschaft und die Generalkonsulate sowie alle Stellen, mit denen wir zusammenarbeiten, versandt haben.

Was war Ihr einschneidendes Erlebnis im Rahmen Ihrer Ehrenämter rund um die russische Sprache?

Da sind verschiedene Ereignisse zu nennen: Im Jahre 2002 fand das 1. Deutsch-Russische Jugendforum mit ca. 300 Jugendlichen in Moskau und Berlin statt, bei dem wir in Moskau u. a. im zentralen Kreml-Gebäude – wo Putin seine Staatsgäste empfängt- und in Berlin der Besuch im Bundeskanzleramt mit Führung durch die verschiedenen Räumlichkeiten auf dem Programm hatten. In einer Arbeitsgruppe unter meiner Leitung konnte im Rahmen des Forums die Idee zur Entwicklung einer Briefmarke zum Deutsch-Russischen Jugendaustausch entstehen, die sowohl in Russland als auch in Deutschland herausgegeben wurde und in Berlin in feierlichem Rahmen im Finanzministerium präsentiert wurde. Als Mitglied der bundesweiten Russischolympiade in der Arbeitsgemeinschaft Bundesweiter Schülerwettbewerbe (von der KMK als förderungswürdiger Wettbewerb anerkannt) hatte ich vor einigen Jahren die Ehre zum Sommerfest des damaligen Bundespräsidenten Gauck eingeladen zu sein, ein unvergessliches Erlebnis.

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Als Russisch-Lehrer haben sie dafür gesorgt, dass viele Schüler des Marsberger Gymnasiums erfolgreich bei Landesolympiaden und des bundesweiten Wettbewerbes „Spielend russisch lernen“ waren. Wann fanden die letzten Wettbewerbe statt?

Bedingt durch die Corona-Pandemie konnte die Landesolympiade 2021 nach einem Ausfall in 2020 nur digital durchgeführt werden, bei der ich als Jury-Mitglied aktiv gewesen bin. Geplant war in 2022 die Landesolympiade am Gymnasium in Euskirchen. Ob sie angesichts der aktuellen Lage wird stattfinden können, steht zum momentanen Zeitpunkt noch nicht fest. Coronabedingt mussten wir auch die für März vorgesehene Bundesolympiade in Marburg absagen und auf November verschieben, ob diese und unter welchen Umständen stattfinden kann, ist zur Zeit noch nicht geklärt. Wegen der politischen Lage wurde der Spielecup „Spielend Russisch lernen“ für 2022 ausgesetzt.

Ob es wohl jemals wieder welche geben wird?

Die Hoffnung bleibt, aber leider kann niemand von uns die Zukunft vorhersagen.

Sie haben Schülerreisen nach Moskau und Leningrad durchgeführt. Woran erinnern Sie sich gerne?

Die Schülerreisen waren immer von einem vielfältigen Programm geprägt, das u. a. Schulbesuche, Gespräche und Treffen mit russischen Jugendlichen in einem Klub am Abend, aber auch den Besuch des russisch-orthodoxen Klosters in Sergiev Posad, 70 km vor den Toren Moskaus, beinhaltete. Beeindruckt waren die Schüler/innen auch immer wieder vom Besuch einer Vorstellung im Russischen Staatszirkus in Moskau.

Sie waren sicherlich auch oft privat dort?

Bei meinen vielen Reisen habe ich u.a. auch von Marsberg aus eine Reise „Auf den Spuren des Russisch-Orthodoxen Christentums“ nach Moskau und Kiew mit einer Gruppe durchgeführt. Dabei hatten wir auch Gespräche im Außenamt der Orthodoxen Kirche in Moskau und haben das Kloster Sergiev Posad sowie das Höhlenkloster in Kiew mit dem Ursprung des Christentums in Russland besucht. Ein weiterer Höhepunkt war 2006 eine von mir organisierte Gruppenreise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis in die Mongolei und nach Peking. Dabei konnten wir im Zug, aber auch bei Begegnungen in Russland, u. a. am Baikalsee die russische Gastfreundschaft erleben.