Medebach. Tatjana und Stefan eröffnen eine Falknerei im Sauerland. Es ist Beruf und Leidenschaft zugleich. Über die Vogelflüsterer und ihre Liebe zu Falken

James Bond lässt sich nicht gern streicheln. Die anderen mögen das; er nicht. Ob das Wasser, das er täglich zu sich nimmt, geschüttelt oder gerührt ist, dürfte ihm ganz nonchalant am Gefieder vorbei gehen. Mit der Ringnummer 007 am Fuß hat er aber auf jeden Fall die Lizenz zum Töten und zum Fliegen. James ist eine Schneeeule. 40 andere Greifvögel und Eulen wie sie haben in Medebach ein neues Zuhause gefunden. Denn Tatjana Kosfeld und ihr Mann Stefan haben dort die „Falknerei im Sauerland“ eröffnet. Rotmilan, Steppenadler, Falkland Karakara oder Gerfalken kann man hier erleben. Aber die Falknerei ist kein Durchlauf-Zoo. Besuchs- und Begegnungstermine muss man vorab buchen. Dafür versprechen die Kosfelds: „Sie werden die Federn spüren!“

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Vom Opa gelernt

Der Opa war Jäger. Schon mit sechs Jahren ist die kleine Tatjana aus Rösenbeck mit ihm auf die Pirsch gegangen. „Wenn ich einmal jagen gehe, dann mit Greifvögeln“, sagt sie schon damals. Vor 15 macht sie das „grüne Abitur“, also ihren Jagd- und sofort im Anschluss ihren Falknerschein. Woher kommt diese Faszination? „Ich mag die Fairness. Tier gegen Tier und ich liebe das Team Mensch-Tier!“ Bis sie mit der eigenen Falknerei ihre Herzenssache zum Hauptberuf machen kann, ziehen einige Vogelgenerationen gen Süden. Die Ausbildung als Optikerin muss sie abbrechen: Allergie gegen Glas- und Kunststoff-Staub. Dann sattelt sie um als Einzelhandelskauffrau im Bereich Reitsport und wird schließlich Personaldisponentin. Vor einigen Jahren wirft sie all das hin und baut sich im Raum Marsberg nach und nach eine Falknerei auf.

„Sie werden die Federn spüren!“, verspricht Tatjana Kosfeld von der „Falknerei im Sauerland“ in Medebach.
„Sie werden die Federn spüren!“, verspricht Tatjana Kosfeld von der „Falknerei im Sauerland“ in Medebach. © WP | Falknerei im Sauerland

Auf mittelalterlichen Märkten, in Altenheimen, Kindergärten, Schulen oder bei Stadtfesten und Eventunternehmen wie dem von Jochen Schweizer ist die Frau mit den Greifvögeln, die in eine Männerdomäne eingedrungen ist, sehr gefragt. Bei Trauungen lässt sie die majestätischen Tiere durchs Kirchenschiff segeln und die Ringe für das Brautpaar einfliegen. Bei solchen Spezial-Frachtflügen kommt „Kari“ zum Einsatze, ein Sibirischer Uhu mit der beachtlichen Spannweite von 1,80 Meter. Andere Hochzeitspaare lassen sich mit „Tizian“, dem Rotrückenbussard, oder mit der Schleiereule „Tom“ ablichten.

Kontakt und Infos

Unter www.falknerei-im-sauerland.de gibt es eine sehr umfassende Internetseite mit allen Angeboten.Telefonisch ist die Falknerei unter 01516 2609773 zu erreichen oder per Mail falknereiimsauerland.de

Wieder andere lassen Fotos von sich machen mit einem der stattlichen Vögel auf dem Arm. Und bei den VIP-Tagen buchen Personengruppen eine Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel inklusive einem Tag mit Greifvögeln und Eulen. „Uns geht es nicht darum, die Tiere als Attraktion zu verkaufen. Wir möchten, dass sich Mensch und Tier in einer wirklich einmaligen Atmosphäre begegnen. Denn nur was man liebt und kennt, kann man auch schützen. Unter Anleitung trainieren die Besucher mit den Vögeln und lernen viel über deren Verhalten“, sagt die 43-Jährige.

Kein Zoo, Besuche vorher buchen

Um die Euphorie aller Medebacher und Gäste zu bremsen: Man kann die Falknerei nicht einfach so besuchen. „Wir haben ein vielfältiges Programm. Das geht mit dem Kids Day los, bei dem Kinder im Alter von zwei bis sieben Jahren mit einer Begleitperson etwa 30 Minuten lang die Tiere kennenlernen dürfen. Es gibt aber zum Beispiel auch Gruppen-Falknertage oder Gruppen-Eulentage ab 16 Jahre, private Falknerkurse für Einsteiger oder besagte Fotoshootings – buchbar mit einem Profi-Fotografen oder zum Selbst-Fotografieren“, erklärt Tatjana Kosfeld. Was es derzeit noch nicht gibt, sind Flug-Shows: „Wir befinden uns hier unmittelbar in einem Vogelschutzgebiet auf der einen Seite und der Hauptstraße auf der anderen Seite. Es wäre zu gefährlich, die Tiere einfach fliegen zu lassen.“ Aber eine Freiflughalle auf dem Gelände ist in Planung. So lange muss zum Beispiel der freche Falkland-Falke „Nicky“ an der Lockschnur gehalten werden, wenn er die Besucher „anfliegt“ um ein vorher verstecktes Fleischbröckchen zu stibitzen. Die ist zehn Meter lang. Ansonsten dürfen die Tiere aber auch mal einen „Ausflug“ im benachbarten Revier eines Freundes machen.

Tatjana und Stefan Kosfeld haben ihre Passion zum Beruf gemacht und in Medebach ihre Falknerei eröffnet.
Tatjana und Stefan Kosfeld haben ihre Passion zum Beruf gemacht und in Medebach ihre Falknerei eröffnet. © Falknerei | privat

Schon viel geschafft

Tatjana und Stefan Kosfeld haben in den vergangenen Monaten einiges geschafft, aber auch noch viel vor sich: Zäune wurden aufgestellt, die Hütten gezimmert, in denen die Vögel falknerisch gehalten werden. Das heißt: Sie leben nicht in Draht-Volieren, sondern in sogenannten Flugdrahtanlagen. Sie tragen ein „Geschüh“, werden quasi an der langen Leine gehalten und haben eine Rückzugsmöglichkeit in ihrer Hütte. „Die Tiere sind speziell für die Falknerei gezüchtet und kennen das nicht anders“, erklärt die Fachfrau, die viel über Greifvögel weiß und ihr Wissen gerne mit anderen teilt.

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Und wie kam die Falknerei nun nach Medebach? Weil die Erben der langjährigen Pächterin im Raum Marsberg das Gelände für sich nutzen wollten, mussten die Kosfelds sich mit 40 Vögeln, drei Pferden, vier Eseln und zwei Lamas nach einer Alternative umsehen. „Es war wirklich schwierig. Zum Schluss habe ich bei allen möglichen Ferienhäusern angerufen.“ In Medebach sei der Gesprächspartner ausgesprochen nett gewesen; er hatte zwar kein freies Objekt, verwies aber an die Stadt. Denn die Touristik GmbH hatte den alten Gasthof, der zuletzt unter dem Namen „Pfeffermühle“ firmierte, mit Hilfe der Kommune gekauft. „Das Gebäude prägt das Bild unseres Ortseingangs und da wollten wir in der Nutzung ein Wörtchen mitreden“, sagt Wirtschaftsförderer Michael Aufmhof. Hintergedanke war von vornherein: Ein Konzepten finden, das zu Medebach und seiner Touristenstruktur passt.

Hier am Ortseingang von Medebach war lange Zeit ein gastronomischer Betrieb. Jetzt ist hier die Falknerei eingezogen.
Hier am Ortseingang von Medebach war lange Zeit ein gastronomischer Betrieb. Jetzt ist hier die Falknerei eingezogen. © wp | Rita Maurer

Studenten der Fachhochschule Südwestfalen befassten sich zwischenzeitlich mit den Zukunftsperspektiven und entwickelten Ideen wie „Aktivhof mit Labyrinth und Escaperoom“ oder „Erlebnis-Gastronomie“. Doch dann kam Corona und dann kam Tatjana Kosfeld die mit ihrer Falknerei: „Die Chemie hat sofort gestimmt. Der Wirtschaftsförderer, der Bürgermeister – alle waren sehr hilfsbereit und kooperativ. Wir haben das Haus und das Gelände zunächst gepachtet mit der Option, es später kaufen zu können“, sagt sie.

Bis in den Sommer sind die meisten Kurse und Events in der Falknerei bereits ausgebucht: James Bond ist eh ein Eigenbrötler und Trauring-Transporteur „Kari“ hat nur noch wenige Termine frei. Je nach Entfernung bis zum Hochzeitsort lassen sich das Team Uhu-Falkner ihren Einsatz auch einige hundert Euro kosten: Um es mit James Bond zu sagen: Man lebt nur zweimal!

Stefan Kosfeld mit einem Greifvogel.
Stefan Kosfeld mit einem Greifvogel. © WP | Privat