Willingen. Willingen soll zum Familienort werden und sein Party-Image ablegen. Doch was sagen die Gastronomen dazu? Die Meinungen gehen weit auseinander.

Willingen schwört dem Partytourismus ab. So planen es jedenfalls die Willinger Tourismusexperten, die eine neue Ausrichtung des Tourismus in der Stadt anstreben: Hin zu Familien mit Kindern, weg von den Tagestouristen, die zum Feiern nach Willingen kommen. Die Fokus-Verschiebung scheint allerdings ein kontrovers diskutiertes Thema zu sein – gerade unter Gastronomen, die in Willingen vom Tourismus leben und für die der Strategie-Wechsel vor allem eines bedeutet: eine Umstellung. Und nicht jeder scheint diese mitmachen zu können. Die WP Brilonfragt bei Gastronomen in Willingen nach.

Pro Neuausrichtung: Brauhaus in Willingen will nicht abhängig vom Partytourismus sein

Jennifer Braune vom Willinger Brauhaus begrüßt das neue Konzept. „Wir freuen uns über die Neuausrichtung und können so flexibler agieren“, sagt sie. Das fällt beim Brauhaus nicht schwer. Das Angebot umfasst neben einer Diskothek auch eine Gastronomie mit großer Außenterrasse und eine Brauerei, in der Besichtigungen stattfinden können. „Wir bieten Buffet und Besichtigungen und haben auch Kapazitäten, unser Restaurant zu erweitern. Wir gehen die Neuausrichtung auf jedenfall mit und sind froh, wenn wir nicht zu abhängig vom Partytourismus sind“, sagt Braune. Natürlich stehe man auch hinter den Feierlustigen Touristen, aber „in Maßen und unter Beachtung der Sperrstunde sowie in Zusammenarbeit mit den nötigen Securitys.“

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Contra Tourismuskonzept: Töff Töff Willingen – „Wovon sollen denn wir Kneipen leben?“

Karin Ramroth gehört die Pension und Bistrorant Töff Töff in Willingen. Sie sieht das neue Tourismuskonzept kritisch. „Seit 20 Jahren bin ich hier in Willingen, ich habe den Aufbau der Stadt als Tourismusort erlebt und mich macht die Neuausrichtung sehr sehr traurig.“ In ihrer Kneipe hätten sich über die Jahre Freundschaften und Stammgäste gefunden. „Die Diskussionen rund um den Partytourismus vermitteln den Eindruck, dass die Gäste die zum Feiern kommen nicht mehr erwünscht sind. Dabei sind das liebe und nette Leute. Ich bin enttäuscht von Willingen.“ Das Problem liege einzig und allein bei den Tagestouristen, die mit Bussen am Morgen anreisen und erst nachts um 12 Uhr wieder abreisen können. „Das ist zu spät, die Gäste können nicht so lange warten, sind müde und sauer. Dementsprechend wird es unter Alkoholeinfluss manchmal unangenehm.“ Doch die Touristen, die sich an die Regeln halten und dennoch in Willingen gerne feiern gehen will Karin Ramroth nicht missen. „Wovon sollen denn wir Kneipen und die Diskotheken leben, wenn die Touristen nicht mehr kommen?“ Sie kann mit ihrer Kneipe und den Zimmern, die sie vermietet, den Fokus nicht auf Familien legen. „Manchmal habe ich natürlich Familien da, aber ich habe eigentlich keine Zimmer für Familien oder Geschäftsleute.“ Familien würden sich ohnehin eher für Ferienwohnungen entscheiden als für Hotelzimmer, davon habe sie mit ihrer Pension nichts. Karin Ramroth wünscht sich von der Stadt vielmehr Investitionen in Sicherheitsdienste, die dafür sorgen, dass das Feiern friedlich stattfindet. Dann würden die Unruhestifter nicht mehr kommen, glaubt sie. „Aber man sieht es ja am Ballermann. Dort wollen sie den Partytourismus seit Jahren abschaffen, schaffen es aber nicht.“

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Es geht beides auf dem Ettelsberg: Die Mischung macht einen Ort wie Willingen aus

Jörg Wilke ist Geschäftsführer der Ettelsberg Seilbahn in Willingen. Dort liegt auch Siggis Hütte, ein beliebter Ort auch für Partytouristen bevor es zurück in die Innenstadt zum Feiern geht. Jörg Wilke glaubt fest, das beides geht. Partytourismus und Familienurlaub schließen sich nicht aus. „Man muss an dieser Stelle klar festhalten, dass diese Konstellation hier seit Jahrzehnten funktioniert. Dies ist am Beispiel der Koexistenz des Brauhauses neben dem Familotel Sonnenpark klar zu sehen“, argumentiert er. Er begrüßt das neue Konzept, auch wenn es teilweise nur viele Dinge in den Vordergrund rücke, die es schon lange gebe – „aber leider in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder gern hinter dem Thema „Feiern“ verschwinden. Wer beispielsweise unseren Betrieb anschaut wird schnell feststellen, dass der samstägliche sicher getränkelastige Wochenendtourismus nur einen kleinen Teil unseres Angebots darstellt.“ Jörg Wilke hat in den letzten 20 Jahren fast ausschließlich in Bereiche investiert, die nicht auf das Wochenendgeschäft ausgelegt sind: Der Bau des Aussichtsturms, die stetige Erweiterung des Abenteuerspielplatzes, die Beschneiungsanlage, der Bikepark sind nur einige Beispiele.

Tagsüber ist es noch ruhig in Willingen. Per Seilbahn geht es zur Siggis Hütte. Jörg Wilke, Geschäftsführer der Seilbahn, glaubt, dass Party- und Familientourismus sich nicht ausschließen müssen.
Tagsüber ist es noch ruhig in Willingen. Per Seilbahn geht es zur Siggis Hütte. Jörg Wilke, Geschäftsführer der Seilbahn, glaubt, dass Party- und Familientourismus sich nicht ausschließen müssen. © Ramona Richter | Ramona Richter

„Wir glauben nicht, wir wissen aber, dass Willingen viel mehr als nur Party zu bieten hat. Leider wird dieses Teilangebot zu Unrecht immer wieder zum einzigen Synonym für unsere gesamtes Angebot in der Gemeinde genutzt. Die Vielzahl an Willinger Freizeitattraktionen sowie die Angebote in den Bereichen Wandern, Biken, Tagung und auch Gesundheit/Wellness oder das beste Familienhotel Deutschlands suchen in ihrer Qualität und Vielfalt sicher deutschlandweit bereits heute ihresgleichen“, sagt Jörg Wilke. Natürlich gehöre zu einem schönen Urlaub auch das Thema Gastronomie. „Hier haben wir vielleicht an den Samstagen sicher viele wirklich gute Menschen bei uns zu Gast. Leider ist es wie in allen Lebensbereichen: Die wenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten, prägen den Ruf aller. Und diese gilt es künftig von unserer Gästeliste zu streichen“, macht er klar. Die Gäste, die sich nicht benehmen können, würden Willingen nicht fehlen. Denn durch deren Fernbleiben würden sich alle anderen umso wohler fühlen und gerne wiederkommen. Jörg Wilke: „Grundsätzlich muss man aber sagen, dass es die Mischung macht. Ein striktes entweder – oder kann nicht das Ziel sein, denn am Ende lebt ein in vielerlei Hinsicht quirliger Ort wie Willingen von seiner ganzjährigen Vielfalt in allen Bereichen.“