Willingen. Ein Aufschwung lässt in Willingen Lockdown-Defizite schmelzen. Das neue Konzept soll die Dynamik beschleunigen: Mehr Familie statt Trinkgelage.

Der Tourismus in Willingen hat sich vergleichsweise schnell erholt. Bis zum Jahresende 2021 hatte sich der durch den siebenmonatigen Lockdown bedingte Komplettausfall innerhalb eines halben Jahres auf ein Minus von 7,8 Prozent reduziert. In einigen Monaten lagen die Übernachtungszahlen sogar über dem Vor-Krisen-Niveau. Mit diesen Erfahrungen und guten Projekten blicken die Willinger Tourismusexperten optimistisch ins Jahr 2022.

WP-Newsletter per Mail: Was ist los in Brilon, Olsberg, Marsberg, Winterberg, Medebach und Hallenberg? Holen Sie sich den Newsletter für Ihren täglichen Nachrichtenüberblick

Mit einem Minus von 99 Prozent stieg der Willinger Tourismus im Mai aus dem Lockdown aus und in das aktive Geschäft wieder ein. Direkt im Juni zog die Nachfrage spürbar an. Nachdem die Gastgeber sich bereits im Juli über 4,4 Prozent mehr Gäste freuen durften, legte der August sprunghaft zu. Mit 117.689 Übernachtungen lag er um rund 17.000 über dem des Vorkrisenjahres 2019. Auch der September (91.667) und der Oktober (107.045) überstiegen den Zeitraum 2019 um rund 6.000 beziehungsweise 8.000 Übernachtungen. Diese Zahlen sind umso positiver zu bewerten vor dem Hintergrund des in der zweiten Sommerhälfte und im Herbst oftmals kühlen und regnerischen Wetters.

Lesen Sie auch:Partybus Winterberg mit Tabledance-Stange und Nebelmaschine

Tourismuskonzept soll einen weiteren Aufschwung bringen

Die Monate November und Dezember waren im Vergleichszeitraum 2020 aufgrund des Lockdowns geschlossen und spielten somit auf das nur leichte Minus mit ein. Die Verbreitung der Omikron Welle verhinderte ein noch besseres Ergebnis, heißt es in er Bilanz. Dennoch sei die aktuelle Entwicklung sehr positiv zu bewerten: Im Jahr 2020 waren die Betriebe vier, 2021 fünf Monate geschlossen. Mit der Gesamtzahl von 535.507 Übernachtungen erreichen die Willinger Gastgeber dennoch mehr als die Hälfte des Vorkrisenjahrs 2019 (1.038.318), das macht einen Rückgang um 48 Prozent.

Der Viadukt in Willingen – die Tourismusstadt in Nordhessen an der Grenze zum Sauerland setzt künftig mehr auf Familienurlauber.
Der Viadukt in Willingen – die Tourismusstadt in Nordhessen an der Grenze zum Sauerland setzt künftig mehr auf Familienurlauber. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Das neues Tourismuskonzept soll einen weiteren Aufschwung bringen. Anfang Februar hatten die Verantwortlichen die fast fertige Version dem Gemeindevorstand vorgestellt. Das Leitbild Willingens als „lebendiger Outdoor-Spot im Sauerland für die ganze Familie“ gibt die Richtung vor. Anders als bisher rücken Familien deutlich stärker in den Fokus. Stärker als bisher ist auch die Gewichtung der Outdoor-Aktiv-Angebote. Die Top-Themen sind dabei Mountainbike, Familie und Kinder, Wandern, Naturerleben, Ski und Snowboard sowie Winterurlaub. Die Zielgruppenausrichtung passt sehr gut zu denen der GrimmHeimat Nordhessen und des Sauerlandtourismus, so dass in Zukunft die Synergien einer gemeinsamen Vermarktung der Regionen noch besser genutzt werden, heißt es in einer Mitteilung. Nach wie vor sei der Clubtourismus ausdrücklich kein Bestandteil des Tourismuskonzeptes. Der Partygast in seiner extremen Form ist in Willingen nicht erwünscht.

Urlauber aus Dänemark und Polen ins Auge gefasst

Über die bekannten und bewährten Quellmärkte hinaus sollen Gäste in neuen Regionen angesprochen werden. Dazu gehören Niedersachsen und Thüringen. Als weitere potenzielle Quellmärkte werden Dänemark und Polen ins Auge gefasst. Für die Bereiche Nachhaltigkeit und Organisation sollen eigene Konzepte entwickelt werden. Die finale Konzept-Version wird sobald wie möglich zur Abstimmung vorgelegt, sodass die Umsetzung noch 2022 beginnen kann.

Profilbildende Projekte mit Strahlkraft für die Region

Unternehmen und die Gemeinde mit der Tourist-Information haben viel vor. Mit dem größten Trailpark-Netz Deutschlands und wahrscheinlich sogar Europas will sich die Region in den nächsten Jahren im Mountainbike-Tourismus noch stärker von vergleichbaren Mittelgebirgsdestinationen absetzen und ihr Profil dahingehend schärfen. Dazu sollen auch weitere Entwicklungen im MTB ZONE Bikepark beitragen. Der als längste Hängebrücke der Welt geplante Skywalk hat bereits bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt und soll im Herbst fertig sein. Die Bauarbeiten am Lagunen-Erlebnisbad schreiten voran. Geplante Fertigstellung ist Frühjahr 2023. Der geplante Umbau des Usselner Bahnhofs zu einem touristisch genutzten Informationszentrum, den Plänen eines Investors zu einer 5.000 Quadratmeter großen Indoor-Spielfläche und vielen weiteren Vorhaben zeigen, dass die Entwicklung in Willingen noch lange nicht abgeschlossen ist.

Lesen Sie auch:Explosion in Züschen: Experten finden unerwartete Ursache

Etwa die Hälfte aller Urlaubsreisen fand 2021 in Deutschland statt und damit anteilig in etwa so viele wie in den 1970er Jahren. Erhebungen zufolge, plant jeder zweite Reisewillige 2022 seinen Urlaub in Deutschland. „Dies ist die Chance, dem Inlandtourismus nachhaltig Auftrieb zu verleihen“, ist Tourismusdirektor Norbert Lopatta überzeugt. Die erforderlichen Signale würden allerdings fehlen. Während sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Mecklenburg-Vorpommern für den Erhalt von 2.000 Arbeitsplätzen bei den MV-Werften einsetze, registriere kaum jemand, dass der DEHOGA den pandemiebedingten Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im deutschen Gastgewerbe auf rund 94.000 per September 2021 beziffert. „Hier ist politischer Handlungsbedarf und die Stärkung des nationalen Tourismus notwendig. Den Bau von klimaschädlichen Kreuzfahrtschiffen zu fördern ist ein falsches Signal eines grünen Ministers und schadet dem Inlandstourismus“, betont Norbert Lopatta.

Hoffnung auf Normalität

Die Willinger Touristiker hoffen nun auf ein rasches Ende der massiven Corona-Beschränkungen und verlässliche Perspektiven für mehr Planungssicherheit. Zwar liegen die Übernachtungszahlen für den Januar noch nicht vor. Da allerdings der Skisprung Weltcup ohne Zuschauer auskommen musste und wechselhaftes Winterwetter herrschte, ist von einem leichten Defizit zum Jahresbeginn auszugehen. Doch schon jetzt verzeichnen die Gastgeber eine hohe Nachfrage nach Sommer-Urlaubsangeboten. Die Willinger Veranstalter sind optimistisch und haben bereits begonnen zu planen. Der Eventkalender ist wieder attraktiv gefüllt. Bereits im Februar findet ein Street-Food-Festival statt.