Marsberg/Korbach. Was bringt zwei Männer dazu, menschliche Puppen aufs Gleis zu legen? Die Zugführer sind noch traumatisiert. Spurensuche einer unfassbaren Tat.
Wegen gefährlicher Eingriffe in den Bahnverkehr und Körperverletzung sind ein 23-jähriger Marsberger und ein 21-jähriger Nordwaldecker verurteilt worden (wir berichteten). Sie hatten im Januar 2021 menschenähnliche Puppen auf den Strecken Marsberg-Bredelar und Volkmarsen-Külte platziert. Zugführer und -begleiter dachten, der Triebwagen hätte einen Menschen getötet. Die Strafen – ein Jahr und elf Monate für den älteren, ein Jahr und drei Monate für den jüngeren – wurden zur Bewährung ausgesetzt. Beide gestanden die Taten.
Der Staatsanwalt hielt fest: „Wir haben hier einen Schulbuchfall mittäterlicher Zusammenarbeit.“ Die Idee hatte wohl der Marsberger – um mal „etwas zu erleben“. Er beschaffte Kleidung für die Puppen und Folien, um sie zu füllen. Der handwerklich begabtere Nordwaldecker derweil baute aus Dachlatten die Grundlage der Puppen zusammen, fuhr und wählte den zweiten Ort.
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Nachdem die erste Puppe am 20. Januar bei Bredelar vom Zug erfasst worden war, beobachteten sie das Geschehen von einem nahen Parkplatz. Dabei wurden sie von der Polizei kontrolliert und erklärten, dem Blaulicht gefolgt zu sein. Einen Tag später wiederholten sie die Tat bei Volkmarsen – weil sie von der ersten Tat hätten ablenken wollen, so der Marsberger. Der Nordwaldecker hingegen erklärte, sein Mittäter sei euphorisch gewesen und er selbst habe mitgemacht, um die Freundschaft nicht zu gefährden. Da sie auch dieses Mal den Tatort beobachteten, hielt das Gericht Letzteres für wahrscheinlicher.
Die Kontrolle am ersten Abend brachte die Polizei auf ihre Spur; Auswertungen der Funkzellen ergaben, dass sie an beiden Tatorten waren. Bei den Durchsuchungen waren sie kooperativ, zu Tage traten benutzte Materialien.
Zwei Zugführer und ein Zugbegleiter erlebten die Zusammenstöße mit. „Es ist nicht schön, als Mordinstrument missbraucht zu werden“, schilderte der Fahrer vom 20. Januar das anhaltende Gefühl. Er war fast zwei Monate arbeitsunfähig, danach noch in psychologischer Behandlung. Auch die Kollegen erlitten traumatische Schocks – Versuche, schnell wieder zu arbeiten, machten es nur noch schlimmer, Therapien folgten. Mittlerweile befindet sich der zweite Zugführer nicht mehr in Behandlung, hielt aber fest: „Meine Dienstfähigkeit ist wieder hergestellt, mein Leben nicht.“
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Im Prozess schloss die Nebenklage für den ersten Zugführer einen Vergleich ab: 3000 Euro Schmerzensgeld sollen die Täter ihm zahlen. Ein Vergleich mit dem Zugbegleiter scheiterte an der Frage, ob damit alle Ansprüche abgegolten sind, den Betrag sprach das Schöffengericht aber auch ihm zu.
Richterin Dr. Peter forderte die beiden jungen Männer auf, auch zum zweiten Zugführer Kontakt aufzunehmen und diese Summe zu zahlen.
Der Marsberger berichtete von Verhaltensauffälligkeiten und ADHS, die seit der Kindheit anhalten. Er hat sich in Therapie begeben. So auch der jüngere Nordwaldecker: Dieser habe Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen; auch sein beruflicher Werdegang verzeichnete viele Rückschläge, berichtete der Vertreter der Jugendgerichtshilfe: „Wir haben es eher mit einem Jugendlichen als einem jungen Erwachsenen zu tun.“ Seiner Empfehlung, das Jugendrecht anzuwenden, folgte das Gericht. wlz