Winterberg. Bürgermeister Michael Beckmann spricht über die Corona-“Spaziergänge“ in Winterberg. Was er den Menschen, die protestieren alles zu sagen hat.

Auch im Winterberg treffen sich – wie auch in der Stadt Olsberg – die selbst ernannten „Spaziergänger“ und demonstrieren gegen die Corona-Maßnahmen. Bürgermeister Beckmann betont, dass Meinungsfreiheit ein hohes Gut sei. Dennoch äußert er Kritik.

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Ausnahmsweise mal keine Winterberger Besonderheit

Sind Sie über die Demonstrationen in Winterberg und über die „Spaziergänge“ überrascht? Warum glauben Sie, versammeln sich gerade in Winterberg diese Menschen?

Nein, überrascht bin ich nicht, denn diese Art von „Spaziergängen“ finden mittlerweile ja in vielen deutschen Städten statt. Corona und die Maßnahmen dahinter dauern nun schon über zwei Jahre an, die Menschen wollen bei den „Spaziergängen“ ihre Haltung zu den Corona-Maßnahmen zeigen. Seit Beginn der Pandemie gibt es eine kleine Gruppe von Menschen in unserer Stadt, die regelmäßig gegen die Maßnahmen demonstrieren. Da Demonstrationen derzeit nicht erlaubt sind, treffen sich die Menschen jetzt bei den Spaziergängen. Allerdings ist diese Form der Demonstration ebenfalls nicht erlaubt. Warum die Spaziergänger sich ausgerechnet in Winterberg treffen, wissen wir nicht. Aber da es ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist, ist es ausnahmsweise mal keine Winterberger Besonderheit.

Bürgermeister Michael Beckmann
Bürgermeister Michael Beckmann © Unbekannt | Stadt Winterberg

Bei der Demo in der vergangenen Woche konnte man viele auswärtige KFZ-Kennzeichen beobachten. Sind die Demonstranten hauptsächlich Auswärtige?

Die Teilnehmer sind bunt gemischt. Überrascht war ich ebenfalls über den Demonstrationstourismus. Natürlich sind auch Winterberger dabei, die ich auch persönlich kenne. Es scheint jedoch so zu sein, dass die Auswärtigen extra kommen, um die Teilnehmerzahlen zu erhöhen.

Sie waren selbst vor Ort. Wie haben Sie die Situation empfunden?

Die „Spaziergänge“ in Winterberg laufen friedlich ab und werden professionell von Polizei und Ordnungsamt begleitet. Da ich als Bundesgrenzschützer bei den große Auseinandersetzungen in den 80ern rund um die Kernkraft selber im Einsatz war, kann ich die Vergleiche zwischen diesen Spaziergängen und den damaligen Demonstrationen bei Telegram überhaupt nicht teilen. Da wird ein völlig falsches Bild gezeichnet. Zumal die Spaziergänger an den letzten beiden Wochenenden im Straßenbild auch kaum aufgefallen sind.

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„Kann Hinweise auf einen Polizeistaat und auf Zensur nicht verstehen“

Was würden Sie den „Spaziergängern“ gerne sagen?

Dass Menschen ihre Meinung frei auf der Straße äußern können ist ein hohes Gut unserer Demokratie und gehört zur Meinungsfreiheit. Daher kann ich die Hinweise auf einen Polizeistaat und auf Zensur nicht verstehen, da die Menschen sich bei uns frei im Rahmen des Grundgesetzes und des geltenden Rechts äußern können.

Wie kann man Ihrer Meinung nach noch mit den Menschen, die gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren, reden? Kann man sie noch überzeugen?

Ich bin bereit, mit jedem offen über seine Haltung zu dem Thema der Corona-Maßnahmen zu sprechen. Das habe ich in den letzten Monaten auch mit einigen der Teilnehmer der Spaziergänge, auch wenn ich von dem Einen oder Anderen schon einmal fragwürdige E-Mails oder Schreiben erhalte, getan. Auf einen gemeinsamen Nenner sind wir allerdings nur bedingt gekommen. Das was ich teile ist, dass die Maßnahmen besser erklärt werden und verlässlicher kommuniziert werden müssen. Und wenn ich daran denke, dass die WTW mittlerweile fast 100 Newsletter verschickt hat oder das Rathaus auch intensiv in den sozialen Medien aufklärt, sind wir auf der lokalen Ebene auch gut unterwegs. Die unglaublich kurzfristige Veränderung beim Genesenenstatus, quasi über Nacht, hat zum Beispiel bei vielen Betroffenen für Frustration und auch Enttäuschung gesorgt. Im Übrigen wurde mein Angebot in diesen Gesprächen, sich mal mit Mitarbeitern unserer Covid-Station im Krankenhaus zu unterhalten, konsequent nicht angenommen.

Schadet der Auftritt der Corona-Leugner dem Tourismus im Ort?

Nein, die Auftritte verlaufen von Beginn an friedlich und ruhig. Insofern schaden diese Art des Protestes dem Image unserer Stadt nicht.