Winterberg. „Die Patienten sind gefrustet, weil es nur Moderna für sie gibt.“ Dr. Nieswand in Winterberg kritisiert die Biontech-Deckelung als Impf-Hindernis
Schon Wochen vor Weihnachten zeichnet sich ein Problem der Impfkampagne ab: die Deutsche Bundesregierung hat zu wenig Impfstoff von Biontech geordert. Begründung von dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn war, man habe die Lager voll mit dem Moderna-Impfstoff, Biontech werde ab jetzt nur an Menschen unter 30 Jahren verimpft. Ärztinnen und Ärzte kritisieren diese Entscheidung von Anfang an als große Hürde für die Impfkampagne. Dr. med. Martin Nieswand, der seine Praxis in Winterberg betreibt und seit Beginn der Pandemie Impfungen verteilt, betont, dass die Deckelung des Biontech-Impfstoffes weiterhin für große Herausforderungen sorgt – ohne, dass Besserung in Sicht ist.
Impfkampagne im HSK läuft sehr gut – die Nachfrage ist hoch, allerdings nach Biontech
„Im HSK sind die Kollegen sehr impffleißig und die Menschen sehr impfwillig, das muss man vorab betonen“, sagt Dr. Martin Nieswand. Und doch, so rund wie es laufen könnte, läuft es derzeit nicht. Denn: Zwar gebe es genug Impfstoff – aber eben von Moderna. Der Biontech-Impfstoff, dem die meisten Menschen bisher ihr Vertrauen geschenkt haben und nach dem auch die meisten Menschen gezielt fragen und verlangen, fehlt aber. „Ich wollte gerne, auch weil die Nachfrage da ist, 500 Dosen Biontech bestellen. Damit könnte ich 500 Menschen impfen. Tatsächlich bestellen konnte ich 18 Dosen. Bekommen habe ich am Ende sechs“, sagt Martin Nieswand.
Die Deckelung hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Impfkampagne. „Die Menschen, die uns anrufen und einen Termin ausmachen wollen, stellen am Telefon mindestens die Frage, was wir verimpfen. Lautet die Antwort Moderna, dann gehen die Diskussionen richtig los.“ Moderna ist derzeit von der Ständigen Impfkommission für Menschen ab 30 Jahren empfohlen, Biontech für jedes Alter. Trotzdem wollen viele Menschen Biontech, in Facebook-Gruppen und Chats kursieren ständig die Fragen, wo man mit Biontech geimpft werden könne. Wird der Impfstoff nicht angeboten, lehnen viele Menschen Moderna ab. Das merkt auch der Mediziner aus Winterberg. „Die Patienten sind gefrustet, weil es nur Moderna für sie gibt. Manche sagen ihren Termin ab, weil sie anderweitig eine Möglichkeit gefunden haben, mit Biontech geimpft zu werden. Manche kommen einfach gar nicht.“ Manchmal muss Dr. Martin Nieswand dann Impfdosen entsorgen. Zum Beispiel, wenn am Nachmittag für zwei Patienten ein Vial geöffnet wird. In einem Fläschchen sind aber 20 Booster-Dosen enthalten. Kommen Patienten nicht, müssen in dieser Rechnung 18 Booster-Impfungen entsorgt werden. „Wir kommen aus einer Zeit, in der wir händeringend auf den Impfstoff gewartet haben. Ihn jetzt zu entsorgen, tut weh“, sagt Nieswand.
Dr. Martin Nieswand, Mediziner in Winterberg, will nicht immer nur von Frust reden
Martin Nieswand will nicht immer von seinem Frust reden. Er will nicht ständig gefrustet sein. Er will auf ein Problem aufmerksam machen. Darauf, dass dieses Problem ihn und vor allem auch seinem Team viel Kraft kostet. Dr. Martin Nieswand erklärt: „Die Politiker torpedieren ihre eigenen Argumente. Sie wollen möglichst viele Menschen impfen lassen, nennen Daten – aber es steht kein Impfstoff zur Verfügung.“ Ein altbekanntes Problem aus früheren Zeiten der Pandemie. „Die Lernkurve der Politiker geht gegen null.“
Den Vorstoß, dass nun Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker die Impfkampagne unterstützen sollen, bewertet Nieswand als nicht nötig. „Es geht nicht um fehlende Impfkapazitäten, es geht um fehlenden Impfstoff. Das haben die Politiker zu verantworten.“ Die zusätzlichen Diskussionen, die zusätzlichen Aufklärungsgespräche, die zusätzliche Überzeugungsarbeit – das trifft sein Team aus Medizinischen Fachangestellten und schlussendlich auch Martin Nieswand selbst. „Da wird eine ganze Berufsgruppe verfeuert, weil wir unsere ganze Kraft auf diese Diskussionen verwenden müssen. Wenn ich mir Omikron ansehe, dann weiß ich, dass wir diese Kraft bald aber woanders brauchen werden.“
Nieswand: „Die Politiker sollen endlich genug Biontech-Impfstoff beschaffen.“
Er glaubt nicht mehr, was die Politik ihm und seinen Kollegen verspricht, kann nur von Woche zu Woche planen, hat kaum Sicherheit und kann auch seinen Patienten keine bieten. Dr. Martin Nieswand hat nur eine Forderung. Einen Lösungsansatz, der allerdings alle Probleme erleichtern würde: „Die Politiker sollen endlich genug Biontech-Impfstoff beschaffen.“