Hochsauerlandkreis. Die Politik diskutiert über die Verteilung der Dritt-Impfungen. Aber was sagen eigentlich die Ärzte im HSK: Ist der Booster für alle zu schaffen?

Die Booster-Impfung für alle soll kommen, doch in der Politik und unter Ärzten herrscht Uneinigkeit, wie diese am besten verteilt werden kann. Während die Politik auf Impf-Stationen in einzelnen Kommunen setzen will, denkt das Gesundheitsamt des HSK, dass temporäre Angebote die von einer Stadt zur nächsten wandern – ähnlich wie der Impfbus – eine gute Ergänzung zu den impfenden Ärzten sein können. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe indes pocht ebenfalls darauf, dass die Ärzte die Aufgabe allein meistern können. Doch was denken die Ärzte im HSK eigentlich?

„Das Boostern sollte zu bewältigen sein – wenn alle Praxen sich beteiligen“

Dr. Christoph Hüttemann von der Medicus-Praxis in Olsberg und ehemaliger medizinischer Leiter des Impfzentrums in Olsberg sieht kein Problem darin, die Booster-Impfungen durch die Ärzte verteilen zu lassen. „Normalerweise sollte diese Aufgabe durch die Hausärzte sowie niedergelassenen Fachärzte zu bewältigen sein. Inzwischen kennen wir uns bestens mit dem Impfstoff aus, die Bürokratie wurde deutlich reduziert, so dass eigentlich nichts dagegen sprechen sollte.“

Dr. Christof Hüttemann, Allgemeinmediziner aus Olsberg.
Dr. Christof Hüttemann, Allgemeinmediziner aus Olsberg. © Sonja Funke

Er betont: „Wichtig ist nur, dass sich auch wirklich jeder Hausarzt daran beteiligt. Sobald ein Hausarzt sich dieser medizinischen Versorgung verweigert, stehen wieder pro Arzt Rund 1000 Patienten ohne ein Impfangebot dar.“ Seit September verteilt er die Dritt-Impfungen, wöchentlich versuchen er und sein Team, die Kapazitäten zu erweitern, denn die Nachfrage steigt. „Ein Großteil der über 80- sowie über 70-Jährigen ist bereits das dritte mal geimpft. Für diese vulnerable Gruppe kann so eine Impfung lebenswichtig sein. Darüber hinaus kommen aber auch viele jüngere Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind.“ Die aktuell rasant steigenden Corona-Zahlen bereiten ihm Sorgen, insbesondere wenn er an sein Team denkt: „Vermutlich wird der telefonische Beratungsbedarf steigen, wenn ein Patient grippale Beschwerden entwickelt hat. Generell bitte ich aber um einen respektvollen Umgang gegenüber der Medizinischen Fachangestellten (MFAs). In jeder Praxis machen alle MFAs aktuell einen großartigen Job. Zu unrecht werden sie manchmal von Patienten harsch angegangen, wenn man nicht innerhalb kürzester Zeit einen telefonischen Ansprechpartner hat oder man auf einen Termin etwas Wartezeit einplanen muss.“

„Ich würde mich über Unterstützung durch Impfstationen freuen, dann ist das Boostern zu schaffen“

Tim-Henning Förster ist Mediziner der Sauerlandpraxis in Winterberg. 200 Drittimpfungen hat er schon verteilt, dazu 100 in Altenheimen. Er kritisiert, dass Politik derzeit häufig sehr viel fordere und sich seit Wochen kopf- und führungslos zeige. „Grundlegend stimme ich der KVWL zu, würde mich aber über Unterstützung von mobilen Impfteams oder lokalen Impfstationen sehr freuen, da die Nachfrage für die Auffrischimpfung schon jetzt deutlich spürbar ist und vermutlich in den nächsten Wochen sehr stark zunehmen wird.“ Kleinere Praxen könnten die Impfungen, wenn sie denn für jeden empfohlen werden, kaum stemmen. Die Nachfrage nach der Drittimpfung in der Sauerlandpraxis ist spürbar zunehmend, sowohl bei älteren als auch jüngeren. „Nach der zu erwartenden Veränderung der Empfehlung der STIKO wird die Nachfrage erneut steigen.“

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Förster sieht die größte Problematik in der Bewältigung der multiplen Aufgaben: „Neben den Impfungen haben wir auch noch die „normalen“ Patienten und erleben schon jetzt eine Erkältungswelle und zunehmende Probleme mit Covid19-Patienten.“ Die Entwicklung der Zahlen beobachtet Förster mit großer Sorge und bereitet sich natürlich auf eine gesteigerte Zahl von ambulanten Corona-Patienten vor. „Es wäre naiv zu glauben, dass diese Welle an uns vorbei schwappt, daher noch einmal der dringende Aufruf: „Bitte lasst euch impfen!“

„Wir brauchen Impfstellen nicht – das schaffen wir allein.“

Dr. Rikardo Mihalić spricht sich für die Impfungen in den Arztpraxen aus. Der Mediziner mit Praxis in Winterberg hatte zwischenzeitlich sein Impfangebot sogar zurückgezogen – wegen des Impfzentrums. „Das Impfzentrum hat sehr viel Unruhe reingebracht. Viele Menschen sind abgewandert und haben uns in der Praxis aber nicht abgesagt. So sind wir auf Impfstoff sitzen geblieben“, erzählt er. Eine nicht geringe Menge habe man teils entsorgen müssen. „Eine Mitarbeiterin hat einen ganzen Tag herumtelefoniert um Impfwillige zu finden, denn nach acht Stunden ist der Impfstoff abgelaufen. Sie hatte Tränen aus Frust in den Augen und irgendwann haben wir uns dagegen entschieden, zu impfen.“ Seit Schließung des Impfzentrums bietet er aber wieder offene Impfstunden ohne Termin an, immer donnerstags zwischen 16 und 18 Uhr sowie freitags zwischen 10 und 12 Uhr.

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„Ich schaue mit Sorge auf die Impf-Stationen, die kommen sollen. Zum eine aus wirtschaftlichen Gründen, denn eine Impfung in der Praxis ist sehr viel günstiger als eine im Impfzentrum wo Personal und Infrastruktur mit einberechnet werden müssen. Und auch aus moralisch-ethischen Gründen, denn ich will nicht wieder Impfstoff wegwerfen müssen.“ Er bekräftigt: „Impfstellen brauchen wir nicht. Wir haben genug Kapazitäten zum Impfen.“ Jedes Jahr würden „still und leise“ die Grippeimpfungen ohne viel Aufwand in den Praxisalltag integriert. „Wir können das!“

Rikardo Mihalic empfiehlt zudem, die eigenen Antikörper testen zu lassen, um zu wissen, wie hoch der Schutz vor dem Corona-Virus ist, wie der Körper die Impfung annimmt und wie nötig eine Booster-Impfung ist. „Ab einem Wert von unter 100 empfehle ich eine Auffrischung.“