Altkreis. Ein Debakel für die CDU, Rückenwind für die SPD und erstaunlich hohe AfD-Werte: Das sagen Partei-Repräsentanten im Altkreis Brilon zur Wahl

Was waren das noch für Zeiten, als die Welt für die CDU im HSK in Ordnung war. 2013 holte Patrick Sensburg im kleinen Hallenberg 69,9 Prozent und die CDU lag bei 62,6 Prozent. Fünf Jahre später wiederholte Sensburg seinen Erfolg mit fast 61 Prozent, da kam die Partei schon nur noch auf 49,1 Prozent. Und jetzt müssen sich Friedrich Merz über 46,5 Prozent und die CDU über 39,8 Prozent freuen.

Eine andere politische Couleur nimmt hingegen in Hallenberg Fahrt auf, die FDP. 19,5 Prozent bei den Zweitstimmen und über 14 Prozent für Carlo Cronenberg – das ist kreisweit das beste Ergebnis. „Mich hat das Ergebnis sehr gefreut, aber nicht sonderlich überrascht. Das Resultat der letzten Kommunalwahl hat natürlich auch hier große Strahlkraft. Wenn der Bürgermeister und neun von 20 Ratsmitgliedern von der FDP kommen, spiegelt sich das auch in einer Bundestagswahl wider.“ Er sei froh, sagt Enrico Eppner, dass „drei kompetente Leute“ aus dem Sauerland in Berlin sitzen und sich für die Region stark machen.

Michael Kronauge: „Die CDU hat es vergeigt“

Der langjährige CDU-Bürgermeister Michael Kronauge hat einen guten Rat an seine Parteifreunde: „Ich hoffe, sie wollen jetzt nicht mit dem Kopf durch die Wand, nur um auf jeden Fall die Regierung zu stellen.“ Die CDU habe es „vergeigt, warum auch immer“. Wenn man sich jetzt auf Koalitionen mit Grünen oder FDP einlasse, sei das eine Missachtung des Wählerwillens; die Quittung würde man bei der nächsten Wahl bekommen. Er persönlich habe Sympathien für Laschet gehabt, der mit einer Stimme Mehrheit das Land geräuschlos regiert habe. Er sei aber leider auch in viele Fettnäpfchen getreten.

Beim Kreisparteitag der CDU im August wurde Patrick Sensburg (rechts) als MdB verabschiedet. Links CDU-Kreisvorsitzender Matthias Kerkhoff, MdL.. 
Beim Kreisparteitag der CDU im August wurde Patrick Sensburg (rechts) als MdB verabschiedet. Links CDU-Kreisvorsitzender Matthias Kerkhoff, MdL..  © WP | Joachim Aue

Über Ursachen dafür, warum die CDU im sonst so kohlrabenschwarzen Hallenberg verloren hat, kann Kronauge nur spekulieren. Vielen habe die Art von Friedrich Merz nicht gefallen. Auch der Umgang mit seinem Vorgänger Patrick Sensburg sei nicht gut angekommen. Dass die FDP in Hallenberg so stark zugelegt hat, liege an einem aktiven Ortsverband, „von denen viele aus dem CDU-Umfeld kommen, die aber jetzt aufgrund ihrer Ratstätigkeit und dem persönlichen Umfeld FDP gewählt haben.“

Vorlage für Landtagswahl

So geht im Sauerland Lob: Dirk Wiese habe „ein ordentliches Ergebnis“ erzielt. Sagt Hubertus Weber, Fraktionssprecher der SPD im Rat Brilon über das Wahlresultat seines Ortsvereins-Chefs. Natürlich ist Weber mehr als zufrieden mit dem Abschneiden Wieses. Denn der hat es in der Tat geschafft, sich CDU-Größe Friedrich Merz „breitbeinig in den Weg zu stellen“, wie es noch am Samstag in der WP umschrieben worden war. In Marsberg haben Wiese und die SPD am Sonntag bekanntlich die CDU sowohl bei den Erst- wie auch bei den Zweitstimmen hinter sich gelassen. In Brilon hatte Wiese zumindest in mehreren Stimmbezirken die Nase vorn, etwa bei seinem Heimspiel am Drübel. Dort gaben 137 Wähler ihm ihr Kreuzchen und 127 Merz und im Bereich Itzelstein/Hollemann ging es 142 zu 117 für Wiese aus.

Hat gut lachen: SPD-MdB Dirk Wiese.
Hat gut lachen: SPD-MdB Dirk Wiese. © www.marco-urban.de | Marco Urban

Allerdings: Manch einer wählte zwar Wiese mit der Erststimme, gab aber die Zweitstimme einer andern Partei. Den Drübel beispielsweise holte die CDU deutlich mit 116 zu 91 Stimmen, und am Itzelstein/Hollemann, wo es einen deutlichen Wiese-Sieg gegeben hat, kamen CDU und SPD jeweils auf 109 Stimmen. Hubertus Weber, selbst als Wahlhelfer am Sonntag im Einsatz, war nicht nur das Stimmensplitting zwischen den beiden großen Parteien und ihren Kandidaten aufgefallen, sondern auch, dass oft die Stimmen auf Merz einer- und die AfD andererseits verteilt waren.

Weber blick auch aus einem ganz persönlichen Grund auf den Trend: Er tritt beider Landtagswahl im kommenden Mai für die SPD im Wahlkreis HSK-Ost an. Und er weiß: „Stimmungen werden mitgenommen.“ Deshalb hofft er, dass die SPD in Berlin reussiert. Wobei sich - Stand Montag - Weber „nicht sicher“ ist, ob „Olaf Scholz Kanzler wird oder sich die Grünen auf Jamaika“ - das schwarz-grün-gelbe Bündnis - einlassen.

Durch die Brille des Briloner CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Wolfgang Diekmann ist das Wahlergebnis „erschreckend“ ausgefallen. Das sind für den langjährigen Kommunalpolitiker nicht nur der Absturz der CDU auf 33 Prozent im Hochsauerlandkreis, sondern zum Beispiel auch die 16,5 Prozent, die die AfD in seinem Heimatort Gudenhagen-Petersborn erreichte. Die CDU kam bei den Zweitstimmen dort gerade einmal auf 21,7 Prozent. 54 Wahlberechtigte machten ihr Kreuz bei der AfD, 71 bei der CDU.

Auch hier, wo die CDU mit Diekmann den Ortsvorsteher stellt, hatten Dirk Wiese und die SPD klar die Nase vorn. Vor gerade einmal einem Jahr, bei der Kommunalwahl, hatte Diekmann den Wahlbezirk mit 52,3 Prozent gegenüber Bürgermeister Dr. Christof Bartsch (36,9 Prozent) gewonnen. Für das miese Abschneiden macht Diekmann zu einem gehörigen Teil die Führungsebene der Partei verantwortlich: „Dort müssen Konsequenzen gezogen werden, sowohl personell wie auch inhaltlich.“ Aber auch auch auf lokaler Ebene seien Anstrengungen und Maßnahmen nötig, um junge Leute und Interessierte, die mitten im Leben stehen, für politische Mitwirkung zu begeistern und zu gewinnen, denn: „Das wird immer schwieriger.“

Marsberg „rote Hochburg“

Nach der Wahl besonders im Fokus: Marsberg. Hier hat Dirk Wiese nicht nur im direkten Vergleich mit Friedrich Merz die Nase mit 150 Stimmen Vorsprung vorn, sondern auch bei den Zweitstimmen setzte sich die SPD mit 32,97 Prozent gegen die CDU durch, die auf 30,19 Prozent kam. Bei den Zweitstimmen lag die SPD mit 328 Stimmen vor der CDU. Für SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Prümper ist das „ein höchst erfreuliches Ergebnis“ – zum einen für den SPD-Kandidaten selbst und zum anderen auch für die SPD in Marsberg. Zeige das Zweitstimmen-Ergebnis doch, dass auch die SPD in Marsberg „richtig gute Arbeit gemacht“ habe. Das Ziel „30 Prozent plus X“ zu holen, sei jedenfalls voll erreicht worden.

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Das gute Ergebnis für Dirk Wiese führt Prümper auf dessen Präsenz in Marsberg „nicht nur im Wahlkampf“ zurück und dessen Zuverlässigkeit. Prümper: „Das wird honoriert.“ Das habe er auch aus etlichen Rückmeldungen von Betroffenen gehört, die sich an Wiese gewandt hatten. Dem jungen Abgeordneten wünscht Prümper, dass er „den Weg, den er beschritten hat, weiter geht“. Für ihn sei Wiese auch in der jetzt deutlich größeren Fraktion „jemand der kommenden Leute in Berlin“.