Marsberg-Canstein. Heinrich Heine aus Marsberg ist einer von 160 Teilnehmern im Bürgerrat Klima. Sie erarbeiteten ein Klimagutachten für die Bundesregierung.

Am Wochenende ist Bundestagswahl. Ein wichtiges Thema ist die Klimapolitik. In diesem Jahr hat der bundesweite Bürgerrat Klima Empfehlungen für die zukünftige Klimapolitik erarbeitet. Diese Empfehlungen sind in ein wissenschaftliches Gutachten eingeflossen, das weitreichende Veränderungen in der Klimapolitik empfiehlt.

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Der Bürgerrat Klima besteht aus 160 repräsentativ ausgelosten Bürgerinnen und Bürgern. Sie bilden einen bunten Querschnitt der Bevölkerung in Deutschland. Einer von ihnen ist Hartwig Heine aus Canstein. Gemeinsam hat er mit den anderen 160 Teilnehmenden beraten, wie die Einhaltung der deutschen Klimaschutzziele fair für alle gelingen kann. In 12 Sitzungen hat er vom 26. April bis 23. Juni per Video-Schalte daran teilgenommen und sich eingebracht.

Konservativ mit grüner Gesinnung

Hartwig Heine (68) war selbstständig mit einem metallverarbeitenden Betrieb. Nebenbei lebte und lebt er seine vielfältigen künstlerischen Seiten aus. In seinem unter Denkmalschutz stehenden Haus in Canstein an der Arolser Straße, der Hauptstraße des 300-Seelen-Ortes, hängen an allen Wänden in allen Räumen, Fluren und dem Treppenhaus selbstgemalte Ölbilder, jeglichen Formats. Er malt mit Vorliebe die Werke alter Meister, wie Rembrandt oder Gauguin nach. Jeden Tag spielt er eine Stunde an einem seiner zwei Konzertflügel und er singt im MGV Accordia Canstein.

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Als Grüner möchte er sich eigentlich nicht bezeichnet“, wie er im Gespräch mit der WP sagt. Eher als Konservativer mit grüner Gesinnung. Er ist einer der ersten Windkraftbetreiber. Ende der 1993 baute er die zwei ersten Metallgitterwindmühlen bei Adorf. Sie drehen sich noch heute im Wind und produzieren fleißig Ökostrom.

80 Empfehlungen im Bürgergutachten

Das Bürgergutachten umfasst auf 96 Seiten über 80 Empfehlungen für die Klimapolitik der nächsten Jahre.

Die Schirmherrschaft hat der Bundespräsident a. D. Horst Köhler übernommen.

Am 15. September wurde das Bürgergutachten an Spitzenpolitiker aller demokratischen, im Bundestag vertretenen Parteien übergeben.

Und dann klingelte Anfang des Jahres sein Telefon. Es steht in seinem Arbeitszimmer, in dem die erste Poststation für Canstein (gegründet um 1840) untergebracht war. Am anderen Ende meldete sich die Stimme, die ihn für den Bürgerrat gewinnen wollte. „Ich war schon überrascht und misstrauisch“, gibt er zu. „Ich dachte erst, da will mich jemand veräppeln und mir am Ende eine Waschmaschine aufquatschen“, grinst er breit. Er ließ sich die Unterlagen zuschicken, studierte sie ausführlich und entschied sich mitzumachen.

Ziele des Klimaschutzabkommens

Die übergreifende Leitfrage des Bürgerrates Klima lautet: Wie kann Deutschland die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erreichen unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Gesichtspunkte.

In 12 Sitzungen diskutierte er mit den anderen Teilnehmenden und führenden Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie der im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommen globale Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen sein könnte. Heine ist sich mit den Experten der Diskussionsrunde einig: „Mit dem in 2019 vom Bundestag beschlossenen Klimapaket ist dieses Ziel nicht zu erreichen.“ Ein Grund für die Zurückhaltung der Politik sei auch das gesellschaftliche Konfliktpotenzial politischer Maßnahmen, die tief in die Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.“

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Aufgeteilt in vier Handlungsfelder erarbeiteten die Teilnehmenden mit den Experten Lösungsansätze und lieferten Ideen, wie diese umgesetzt werden können. Die vier Handlungsfelder befassen sich im Oberthema mit der Energie, der Mobilität, Gebäude und Wärme und Ernährung.

Hartwig Heine arbeitete mit im Handlungsfeld Mobilität. Wobei es ihm dabei schon zu viel um die Infrastruktur und den öffentlichen Personennahverkehr in den Städten ging, kritisiert er. „Das kann man mit dem ländlichen Raum gar nicht gleichsetzen.“ Und darauf ist er besonders stolz: Seine Idee, sich beim Strompreis an Angebot und Nachfrage zu orientieren, wurde in das Gutachten aufgenommen.

Finales Bürgergutachten

Über alle Diskussionsergebnisse wurde letztendlich abgestimmt und schließlich ein finales Bürgergutachten erarbeitet, mit dem klaren Auftrag an die Politik, das 1,5-Grad-Ziel weiter zu verfolgen, um „den Erhalt der Lebensgrundlage aller Menschen sicherzustellen“.

Hartwig Heine sieht in dem Gutachten „eine große Chance, viele Menschen auf den nicht einfachen Weg des Klimawandels mitzunehmen“. Für ihn war das Mitarbeiten an dem Klimagutachten „spannend und lehrreich“. Eine „tolle Erfahrung“ war es für ihn, wie er betont, mit den Experten und unterschiedlichen Menschen Gedanken und Meinungen austauschen zu können“. Er hat aber auch „große Sorge, dass unsere Bemühungen in der Luft verpuffen und nur ein Tropfen in der Regierung ankommen könnte. Auf jeden Fall sei bei den Bürgerräten und -rätinnen ein Wir-Gefühl entstanden.

Zum Abschluss erhielt jeder Teilnehmende ein Zertifikat: „Mit Ihrem Engagement haben Sie sichtbar gemacht, welche Empfehlungen Bürgerinnen und Bürger zum Klimaschutz geben, wenn sie informiert entscheiden können.“ Unterschrieben hat Bundespräsident a. D. Dr. Horst Köhler als Schirmherr und Dr. Percy Vogel, Vorstand Trägerverein Bürgerrat Klima.