Winterberg. Am 21. September ist Welt-Alzheimer-Tag. Wir werfen einen Blick in den Alltag einer besonderen WG in Winterberg, in der Demenzkranke leben.

In der großen Wohnküche wird Mensch-Ärger-Dich-Nicht gespielt, eine Mitbewohnerin kommt rein, setzt sich an den Tisch und lässt sich Kaffee und Kuchen schmecken. Im Nachbarzimmer hat es sich jemand vor dem Fernseher gemütlich gemacht. Alltag in einer nicht ganz alltäglichen WG: Bei „Tante Röschen“ in Winterberg leben pflegebedürftige Menschen in zwei Wohngemeinschaften. Die meisten, die hier ein neues Zuhause gefunden haben, sind Demenzpatienten.

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So selbstbestimmt wie möglich

„Ziel ist es, dass die Menschen hier in einer familiären Umgebung so selbstständig wie möglich leben können“, erklärt Christa Laermann. Sie ist Angehörigen-Sprecherin und sie ist froh, dass ihre pflegebedürftige Schwester hier vor Ort in dieser Wohnform leben kann. Sie sagt: „Ich finde das Konzept sehr gut. Das Zusammenleben ist ähnlich wie in einer Familie. Wichtig ist es uns, dass jeder dort abgeholt, wo er steht.“

Im Haus Röschen in Winterberg leben zwei Wohngemeinschaften, in denen pflegebedürftige Menschen ein Zuhause finden. Viele von ihnen sind an Demenz erkrankt.
Im Haus Röschen in Winterberg leben zwei Wohngemeinschaften, in denen pflegebedürftige Menschen ein Zuhause finden. Viele von ihnen sind an Demenz erkrankt. © Jutta Klute | Jutta Klute

Die gemütliche Runde am Küchentisch zeigt, dass hier Menschen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen und Unterstützungsbedarf zusammen leben. Während die eine WG-Bewohnerin im Rollstuhl sitzt und Hilfe beim Essen benötigt, kann ihre Tischnachbarin selbst aufstehen und sich ein Glas Wasser holen. Sie ist es auch, die beim Mensch-Ärger-Dich genau weiß, worauf es ankommt, während ihre Mitspielerin sich freut, dass sie ihre Tochter an ihrer Seite hat, die gerade zu Besuch gekommen ist.

Den Alltag individuell gestalten

Christa Laermann erzählt, warum ihr diese Wohnform so gut gefällt: „Wer möchte, hilft beim Aufräumen oder Kochen, wer lieber allein sein möchte, kann sich zurückziehen. Jeder kann das selbst entscheiden.“ Beim Rundgang durch das große Haus, das zentral in der Winterberger Kernstadt gelegen ist, gibt Pia Engemann einen Einblick in den Alltag der beiden selbstverantworteten Wohngemeinschaften, die hier leben: Jeder hat hier sein eigenes Zimmer, individuell gestaltet mit liebevollen Erinnerungen und Möbelstücken aus seinem alten Zuhause. In jeder WG leben sechs Bewohner/innen - in der Regel teilen sie sich zu zweit ein Badezimmer. Garten, Küche oder Aufenthaltsräume werden - wie man es auch von einer Studenten-WG kennt, gemeinsam genutzt. Ein ambulanter Pflegedienst übernimmt die 24-Stunden Betreuung und Pflege der Menschen, die hier leben.

Pia Engemann ist Geschäftsführerin der „Villa Lebenswert GmbH“, die das Haus in Winterberg gemietet hat und dort zwei Wohngemeinschaften für Demenzkranke anbietet.
Pia Engemann ist Geschäftsführerin der „Villa Lebenswert GmbH“, die das Haus in Winterberg gemietet hat und dort zwei Wohngemeinschaften für Demenzkranke anbietet. © Jutta Klute | Jutta Klute

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Menschen mit Empathie und Respekt begegnen

Pia Engemann ist Geschäftsführerin der „Villa Lebenswert GmbH“, die das Haus in Winterberg gemietet hat und weitere Wohngemeinschaften unter anderem in Dortmund, Gelsenkirchen, Castrop-Rauxel, Salzkotten und Marl anbietet. „Die Angehörigen spielen bei uns eine zentrale Rolle. Sie unterstützen ihre Angehörigen und entscheiden gemeinschaftlich, wesentliche Alltagsfragen“, erklärt Pia Engemann. Sie bekommt inzwischen sehr viele Anfragen für diese Art des Zusammenlebens. Sie erzählt, dass sie besonders während der Corona-Krise sehr viele Anrufe bekommen habe. Viele Menschen hätten die Sorge geäußert, dass ihre Angehörigen vereinsamen. „Bei demenzkranken Menschen spielt sich sehr viel auf der emotionalen Ebene ab. Sie sind darauf angewiesen, dass man ihnen mit Empathie, Gefühl und Respekt begegnet“, so die Erfahrung von Pia Engemann. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Gemeinschaft, in der sie leben, miteinander harmoniert“, erklärt Christa Laermann. Das Haus „Tante Röschen“ - benannt in Erinnerung an die frühere Eigentümerin - feiert in diesem Jahr 10-jähriges Bestehen. Seit Dezember 2011 gibt es dort die Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige Menschen.

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