Brilon/Winterberg. Seinen ersten Termin vor dem Schöffengericht Brilon hatte der Dealer aus Winterberger sausen lassen. Am Donnerstag kam er mit einem Deal davon.

Auch gut 2,5 Kilo Marihuana sowie LSD und Ecstasy für zig berauschende Reisen können vor Gericht noch zu einer „nicht geringen Menge“ abmagern und so vor einem längeren Aufenthalt hinter Gittern bewahren. Dem sah am Donnerstag ein 28 Jahre alten Mann vor dem SchöffengerichtBrilon ins Auge. Von Mitte 2019 bis Ende Januar 2020 soll er in Winterberg in sieben Fällen jeweils 200 Gramm Marihuana und in zwei Fällen jeweils 400 Gramm Marihuana erworben haben.

Das hatte er jedenfalls bei der Polizei selbst zugegeben, als die ihn Ende Januar vergangenen Jahres hochnahm. Davon wollte der 28-Jährige jetzt nichts mehr wissen. Das alles, so sein Verteidiger Markus Blumenstein, habe sein Mandant bei der Vernehmung damals „unter dem Druck der Polizei frei erfunden“. Sein damals arbeitsloser Mandant habe zu jener Zeit zwar selbst Rauschgift konsumiert und sich seinen Eigenbedarf mit kleinen Dealereien im Bekanntenkreis finanziert.

Anfangs zu Vorwürfen nichts gesagt

Als ihm die Polizei jedoch nach der Festnahme Mengen im erheblichen Kilo-Bereich vorhielt, sei er in Panik geraten. Deshalb habe er auch einen flüchtigen Bekannten aus dem Milieu, dessen Foto ihm bei der Vernehmung vorgehalten wurde, als seinen Lieferanten angegeben und fälschlicherweise belastet.

Das konnte der als Zeuge geladene Polizist - damals hatte die Kripo die Winterberger Rauschgiftszene ordentlich aufgemischt - nicht bestätigen. Er habe lediglich die Anzeige aufgesetzt, die Vernehmung hätten damals Kollegen vorgenommen. Den Dealer, von dem der Angeklagte den Stoff bezogen haben wollte, kenne er. Der habe jahrelang „weite Teile des Hochsauerlandkreises beliefert“.

Nicht abstreiten konnte der Angeklagte jene Drogen, die die Polizei damals bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellt hatte: rund 240 Gramm Marihuana, 65 LSD-Trips, knapp 19 Gramm Amphetaminbasis, etwa mehr als ein Gramm Haschisch, acht Ecstasy-Tabletten und rund 20 Gramm halluzinogene Pilze, dazu eine Feinwaage und kleine Plastiktütchen - die typischen Dealer-Utensilien.

Schwierige Beweisführung

Nur einen von zehn Anklagepunkten abzuurteilen, darauf wollten sich weder Staatsanwältin Sandberg noch das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Neumann einlassen. Deshalb sollten die Vernehmungsbeamten der Kripo zu einem zusätzlichen Verhandlungstag geladen werden.

„Verständigung“

Die „Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten“ regelt § 257c der Strafprozessordnung.

Wesentliche Grundlage ist ein Geständnis.

Sollte es nach der Bekanntgabe der Rahmenbedingungen für eine Verständigung im weiteren Verlauf der Verhandlung neue, bis dahin nicht bekannte „rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände“ ergeben, für die der vereinbarte Strafrahmen nicht mehr ausreicht, entfällt die Bindung des Gerichts an die Vereinbarung.

Gleiches gilt, wenn sich der Angeklagte in der weiteren Verhandlung nicht entsprechend der getroffenen Vereinbarung verhält.

Als es wegen dessen Terminierung jedoch Abstimmungsproblem gab, warf Richter Neumann die Frage in den Saal, ob man „eine andere Lösung hinkriegen“ könne. Mit der Aussicht auf eine Bewährungsstrafe, fing Verteidiger Blumenstein den Ball auf, sei vieles denkbar. Und auch die Staatsanwältin spielte mit: „Dazu muss von der Verteidigung aber noch etwas kommen.“

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In einem gut viertelstündigen Rechtsgespräch hinter verschlossenen Türen verständigten sich die Beteiligten auf eine pragmatische Lösung: Der Angeklagte räumte alle ihm zur Last gelegten Vorwürfe ein, das ersparte eine aufwändige weitere Beweisführung. Und das nahmen Staatsanwältin und Gericht zum Anlass, hier von einem minderschweren Fall des verbotenen Drogenhandels auszugehen, zumal es sich bei den Marihuana-Geschäften um eine weiche Droge gehandelt habe. Das reduzierte die Mindeststrafe pro Fall von einem Jahr auf drei Monate.

Nach Festnahme „Leben komplett umgedreht“

Lediglich die in der Wohnung sichergestellte Drogenmenge ließ sich wegen der „erdrückenden Beweislage“ (Richter Neumann) nicht aus der Welt schaffen. Aus den Einzelstrafen, die zusammen 46 Monate ergaben, bildete die Staatsanwältin eine Gesamtstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die sind noch bewährungsfähig, und das fand auch der Verteidiger als „angemessen“.

Zu Gunsten des Angeklagten, das sahen alle Beteiligten so, sprach zudem, dass er sich aus der Winterberger Szene gelöst und zurück zu seinen Eltern in eine andere Stadt gezogen sei. Zudem habe er kurz nach der Wohnungsdurchsuchung damals einen Job bekommen, der jetzt sogar entfristet wurde. Der Angeklagte in seinem letzten Wort: „Ich habe mein Leben komplett umgedreht.“

Gesamtstrafe: Ein Jahr und zehn Monate

Letztlich fasste das Gericht die zehn Einzelstrafen neunmal je drei Monaten und einmal einem Jahr und drei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zusammen. Damit lag sie deutlich unter jenen zwei Jahren, ab denen eine Bewährung nicht mehr möglich ist. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Außerdem muss der 28-Jährige 1000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

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Der Prozess war bereits Anfang Januar schon einmal angesetzt gewesen. Den Termin hatte der Angeklagte verbaselt, wie er glaubhaft versichern konnte. Deshalb war der gegen ihn bestehende Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden. Am Mittwoch wurde er völlig aufgehoben.