Brilon. Corona verzögerte auch die Arbeiten in der Glockenstube der Briloner Propsteikirche. Seit einer Woche ist die volle Dröhnung möglich.
Wer im Schallkreis der Propsteikirche Brilon wohnt, erlebt es seit kurzem jeden Tag: Mit der Sanierung des Turms hat nicht nur die Zahl der Glocken zugekommen, sondern auch das Gebimmel. Zwischen 6 und 22 Uhr wird nicht mehr nur die halbe und volle Stunde geschlagen, sondern nun auch die Viertel. Mit neuer Klangfülle und Klangfarbe rufen die Glocken zudem seit dem vergangenen Wochenende zu den Gottesdiensten.
Herr über die Klöppel ist Küster Willi Steffen. Er hat das Geläut abgestimmt und die ganz spezielle Schaltuhr programmiert. Zu neuem Klang erwacht ist vor allem die alte Bürgerglocke. Sie stammt aus dem Jahr 1583 und ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr geläutet, sondern nur noch geschlagen worden.
Vom Läuten und Schlagen
Der Unterschied: Beim Läuten werden die Glocke und der Klöppel bis zum Anschlagen in Schwingung versetzt. Beim Uhrschlag sorgt ein Hammer für die Töne. Die alte Bürgerglocke übernimmt jetzt die Viertel- und Halbstundenschläge, für die vollen Stunden ist nun die etwas tiefere Totenglocke eingespannt.
Die alte Bürgerglocke soll nach der Instandsetzung künftig auch das Schneeläuten wieder besorgen. Vom 11. November bis 30. April hält die Stadt diese Tradition aufrecht. 20.55 Uhr setzte früher für fünf Minuten diese Glocke ein, die der Überlieferung nach Menschen auf dem Weg nach Brilon Orientierung und sichere Heimkehr in der Dunkelheit ermöglichte.
Glocken-Klaviatur
Das Läuten zu den Messen nimmt der Küster per Hand vor.Werktags kommen die große Schlag- und die Marienglocke zum Einsatz, sonntags nimmt er die neue Bürgerglocke und kleine Schlagglocke hinzu.Bei den Hochfesten gibt es die volle Dröhnung aus den Schallluken.Eine weitere Glocke ist bereits in Auftrag gegeben, eine kleine, denn - so Willi Steffen - „die kleinen runden das Klangbild ab“.
Die alte Schaltuhr allerdings ließ sich nicht mehr auf diese historische Phase vor der vollen Stunde einstellen, so dass das Schneeläuten erst mit der vollen Stunde begann. Mit der neuen Technik hatte auch die marode, noch mit Teer ummantelte Leitung von der Sakristei hoch in den Turm ausgedient. Rund 100 Meter neue Kabel wurden von der Sakristei in die Glockenstube verlegt.
Das Geläut der Propsteikirche besteht jetzt aus sieben Glocken. Die jüngste, die im vergangenen Jahr gegossene Marienglocke, hat einen besonderen - Willi Steffen: „Das passt ja auch vom Namen.“ - Solo-Auftritt: Sie übernimmt um 7, 12 und 18 Uhr das Engel des Herrn-Läuten. Nach dem Stundenschlag folgen drei mal drei Schläge, Symbol für die drei „Gegrüßet Maria“, die beim Engel des Herrn traditionelle gebetet werden, und ein dreiminütiges Dauerläuten.
Propst Dr. Richter: „Unsere Welt und die Kirche brauchen diese Töne.“
Automatisiert hat Willi Steffen auch das Läuten zu besonderen Anlässe, etwa zum Jahreswechsel, zum Schützenfest und auch das Gedenkläuten aus Anlass des verheerenden Bombenangriffs auf Brilon am 10. Januar 1945. Von 13.15 bis 13.45 Uhr, in dieser Zeit wurden große Teile der Innenstadt zerstört und mehr als 40 Menschen verloren ihr Leben, erklingt die Brandglocke.
Gemeinsam mit dem Glockensachverständigen des Erzbistum, Theo Halekotte, feilt Willi Steffen derzeit noch an der Läute-Ordnung. Unterschiedliche Klangbilder sollen an die einzelnen Festkreise des Kirchenjahres angepasst werden.
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Propst Dr. Reinhard Richter betont den symbolischen Charakter der Glocken und des Geläuts aus dem Turm: „Unsere Welt und und die Kirche brauchen diese Töne, damit wir wieder in die Melodie Gottes einschwingen zum Gebet und zum abwartenden Innehalten in Zeiten des Zweifels und des Suchens.“
In Zeiten der vielen Missklänge täten die aufeinander abgestimmten Glockentöne „auch denen gut, die lange die Glocken nicht mehr gehört haben oder überhören wollen.“ Dr. Richter: „Es gibt eben Töne, die die vielen Lautstärken dieser Welt durchfluten und auch zart durchbimmeln“.