Brilon. Wohin, wenn die Blase drückt? Mit Sommer und Corona-Lockerungen füllt sich die Briloner City. Der Ruf nach der „netten Toilette“ wird lauter.

Sommer in der Stadt: Sonne satt, die Straßencafes gut gefüllt, von Corona-Fesseln befreite Flaneure. Neue Freiheit, alte Probleme: Wohin inBrilon, wenn die Blase drückt? Für Stefan Scharfenbaum, Ratsherr der Grünen und Einzelhändler keine Frage: „Wir wollen Gäste in der Stadt. Deshalb brauchen wir für sie auch Toiletten.“ Daran hapert es seiner Meinung nach nämlich in der Innenstadt.

Deshalb sollen die Wirtschaftsförderung und der Gewerbeverein einen neuen Vorstoß in Sachen „Nette Toilette“ unternehmen. Dahinter steckt die Idee, dass Geschäfte und Gastronomen erkennbar ihre Kunden-WC auch Passanten zur Verfügung stellen, die beim Stadtbummel mal dringend ein stilles Örtchen aufsuche müssen.

Das öffentliche WC am Rande des Sparkassen-Parkplatzes in Brilon: Nicht gerade eine Visitenkarte für die Stadt. Es soll weg.
Das öffentliche WC am Rande des Sparkassen-Parkplatzes in Brilon: Nicht gerade eine Visitenkarte für die Stadt. Es soll weg. © Jürgen Hendrichs

Dazu gibt es spezielle Aufkleber, die an den Eingangstüren oder Schaufenstern angebracht hinweisen. 2013 hatte es diese Diskussion schon einmal in Brilon gegeben. Damals hatten die Inhaber zwar ihre Bereitschaft erklärt, bei Bedarf und auf Bitte hin ihr WC zur Verfügung zu stellen, dies aber nicht per Aushang zu bewerben.

Drei öffentliche WCs in der Innenstadt

Im Strukturausschuss kam das Thema am Dienstag zur Sprache. Drei öffentliche WCs unterhält die Stadt: Eins am Bahnhof, eins auf dem Parkplatz des Volksbank-Centers und eins am Rande des Sparkassen-Parkplatzes. Während es sich bei den beiden am Bahnhof und bei der Voba um solide Sanitär-Modulbauten handelt, ist die in Nähe des Marktplatzes ein abgeranztes Kabuff. Details wollte Beigeordneter Huxoll nach einem flüchtigen Blick auf ein paar Fotos aus den Kabinen dem Ausschuss ersparen.

Das hat die Stadt längst eingesehen und auch schon einmal 120.000 Euro für eine hygienisch wie optisch aktuellen Anforderungen entsprechende Bedürfnisanstalt bereitgestellt. Allerdings, so Huxoll, habe man das Vorhaben gestoppt, weil es - wie berichtet - neue Überlegungen gibt, nach dem Scheitern des Stadthotels gegenüber hier städtebaulich etwas zu bewegen und das Obere Quartal aufzuwerten.

294 Städte nutzen „Nette Toilette“ mittlerweile als App

Falls doch ein neues Sanitär-Modul angeschafft werden soll, sollte es eine mobile Sanitär-Einheit sein, meinte Bauamtsleiter Markus Bange. Die kann man an einen Haken hängen und verlegen - die entsprechenden Ver- und Entsorgungsleitungen müssten natürlich vorhanden sein. Heute, so Bange, seien die die Systeme und Module robuster: „Da hat sich einiges getan.“ Neue Beschichtungen würden zum Beispiel eher mit Graffitis fertig.

Geschäfte als Service-Point

Stefan Scharfenbaum kann sich vorstellen, dass Ladeninhaber ihr Geschäft nicht nur als Nette Toilette, sondern auch als Notinsel für Kinder, die etwa ihre Eltern aus den Augen verloren haben oder sich fürchten zur Verfügung stellen.

Auch weitere Service-Angebote für Stadtbummler und Kunden seien denkbar.

Nun hat sich nicht nur mit den WC-Modulen seit 2013 technisch etwas geändert, sondern auch mit der Aktion „Nette Toilette“. Die gibt es mittlerweile nicht mehr nur als Aufkleber, sondern auch als App, bereit gestellt von der Agentur Studioo aus dem schwäbischen Aalen. Dort war die Idee der Netten Toilette im Jahr 2000 entstanden, und das Studioo begleitet das Projekt bis heute. Vor etwa sechs Jahren erfolgte der Schritt ins Digitale.

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Mittlerweile sind 294 Städte aufgeführt, in denen man sich zu den Stillen Örtchen in Geschäften, Gaststätten, Cafes und Co hinnavigieren kann. Aus der näheren Umgebung sind Arnsberg und Paderborn dabei. In Arnsberg sind 14 Nette Toiletten auf aufgeführt, in Paderborn 21 und in dem in Vielem mit Brilon vergleichbaren Attendorn 16.

26.500 Euro Reinigungs- und Unterhaltungskosten in Brilon

Auf www.die-nette-toilette.de rechnen die Betreiber am Beispiel Aalen vor, was die App den Beteiligten bringt. Neben den Anschaffungskosten von - wie im Strukturausschuss erwähnt - etwa 120.000 bis 130.000 Euro Euro fallen jährlich rund 15.000 Euro für deren Reinigung an. Damit könnte eine Kommune etwa 15 Betrieben einen monatlichen Reinigungszuschuss von 80 Euro gewähren; wobei die Höhe, so das Studioo - natürlich je nach Lage und WC-Ausstattung variieren könne. Nach einer Anlaufzeit seien in Aalen die öffentlichen Toiletten geschlossen worden.

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Das WC an der Sparkasse verschlang nach Auskunft des Briloner Gebäudemanagements im vergangenen Jahr 13.500 Euro Unterhaltungskosten, das an der Volksbank 18.000 Euro und bei dem jüngsten und deshalb modernerem am Bahnhof waren es 5000 Euro.

Problem in Brilon: Barrierefreiheit

In Arnsberg unterstützt die Stadt neun Betriebe mit einem Zuschuss zu den Wasser- und Reinigungskosten von insgesamt 9000 Euro im Jahr. Für die Kommunen, so Jochen Brenner, falle eine einmalige, größenabhängige Lizenzgebühr von Pi mal Daumen rund 1000 Euro. Im vergangenen Jahr sei sei App und die Homepage relaunchst worden. Brenner: „Die Nachfrage ist da.“

Gegenüber der WP wies Bauamtsleiter Markus Bange auf die Topographie der Briloner Innenstadt hin. Kaum ein Geschäft dürfte eine barrierefrei erreichbare Toilette haben. Deshalb, so Bange, könne man die andernorts gemachten Erfahrungen „nicht 1 zu 1 auf Brilon übertragen“.