Medebach. Andreas Müller Reinhardt impft in seiner Praxis gegen Corona. Diese besonderen Beobachtungen macht er bei den Impfwilligen und das bemängelt er.

Mittlerweile hat das Impfzentrum in Olsberg Fahrt aufgenommen und es werden dort täglich ca. 1200 Menschen geimpft. Jeweils fünf Ärzte gehören zu den Impf-Teams. Einer von ihnen ist der seit 21 Jahren in Medebach niedergelassene Allgemeinmediziner Andreas Müller-Reinhardt, der seit Kurzem auch in seiner Praxis impft.

Seit dem 8. Februar, also seit 100 Tagen, wird im Impfzentrum geimpft. Seit wann sind Sie dabei und was hat Sie bewegt, dort mitzuhelfen?

Andreas Müller-Reinhardt Ich bin tatsächlich seit dem 3. Tag dabei und wollte einfach dabei helfen, den Impferfolg voranzubringen.

Halten denn alle Leute ihren Impftermin ein oder bleiben am Ende des Tages Impfdosen übrig?

Fast alle Patienten halten ihren Termin ein oder sagen rechtzeitig ab, sodass noch kurzfristig freigewordenen Dosen verimpft werden können.

Inzwischen ist die dritte Priorisierungs-Kategorie freigegeben. Wie sicher sind Sie, dass inzwischen auch z.B. alle über 80-Jährigen, also die erste Priorisierungsgruppe, geimpft sind?

Mittlerweile sollten alle über 80-jährigen, die geimpft werden wollen, zumindest einmal geimpft sein, selbst in meiner Praxis impfe ich schon die Patienten der zweiten Prioritätsstufe.

Was beeindruckt Sie am meisten bei Ihren Einsätzen im Impfzentrum?

Auf jeden Fall die Menschen und die gute Stimmung, die dort herrscht. Alle die dort beschäftigt sind, agieren für dasselbe Ziel. Und egal, ob Security, MFAs, Krankenschwestern, Ärzte, Studenten oder Kurzzeitangestellte – sie alle begegnen sich auf Augenhöhe. Aus diesem funktionierenden Zusammenspiel resultiert ein sehr guter Zusammenhalt.

Was sind Ihre Beobachtungen bei den Impfwilligen?

Von Anfang an sehe ich sehr viele gerade ältere Menschen, die Ihren Impftermin als etwas ganz Besonderes ansehen. Da sind zum einen akribisch in Schönschrift ausgefüllte Anamnesebögen und des Weiteren der Zeitaufwand, den diese Patienten für ihren Termin investieren. Oft haben sich die älteren Herrschaften sehr fein gemacht, tragen Sonntagskleidung mit Broschen und Krawatten und haben ihr bestes Parfüm aufgelegt. Außerdem erscheinen sie stets pünktlich und aufgeregt und überaus dankbar zu ihrem Termin.

Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen?

Obwohl man ja nur wenig Zeit für die Patientengespräche hat, bin ich für diesen „Blick über den Tellerrand“ dankbar. Mir ist dabei erst klar geworden, wie viele Menschen die Lebensqualität im Sauerland schätzen, gerne hier leben oder hierhin zurückkommen und dafür auch viel auf sich nehmen.

Fallen Ihnen dazu Beispiele ein?

Spontan fallen mir da ein Niedersfelder Bundespolizist, der täglich nach Düsseldorf pendelt und ein niederländisches Paar, das nach verschiedenen Stationen in Deutschland zurück ins Sauerland gezogen ist, weil es hier für sie am schönsten ist, ein. Außerdem habe ich eine Amerikanerin, die der Liebe wegen in den 80ern ins Sauerland gezogen ist und wegen des Landes und der Leute geblieben ist, kennengelernt. Oder ein Lehrerehepaar, dass nach 40 Jahren in La Paz seinen Lebensabend hier verbringt. Die Liste ist aber viel länger.

Seit einem Monat impfen Sie nicht nur im Impfzentrum, sondern auch in der Praxis - klingelt jetzt ständig das Handy, weil alle auf einen kurzfristigen Impftermin hoffen?

Klar, gibt es das, aber so läuft das nicht. Bei uns vereinbart mein Anmeldungsteam die Termine und nicht umgekehrt. Wir suchen gezielt die Patientinnen und Patienten nach der Prioritätenliste aus. Dabei geht es um Indikation und Diagnose. Über einen Diagnoseschlüssel fischt der Computer die impfberechtigten Patienten heraus, die das Team dann anruft. Übrigens hat bis jetzt hat auch noch niemand „Nein“ zu diesem Angebot gesagt.

Gibt es etwas, was sie in Bezug auf das Impfen bemängeln?

Ich wünsche mir manchmal von den alten Menschen mehr Solidarität. Oft erklären sie ihre Impfunwilligkeit damit, dass sie ja schon alt sind oder viele Tabletten einnehmen. Die Schüler und Jugendlichen haben im vergangenen Jahr gerade für diese Personengruppe auf so vieles verzichten müssen und jetzt ist es wichtig gerade für Schüler und Jugendliche, das Impfen breitflächig voranzubringen.

Wo sehen Sie die Unterschiede zum Impfen in der Hausarztpraxis und im Zentrum?

Ich denke, dass es in den Hausarztpraxen sehr viel individueller abläuft, weil man ja seine Patienten und deren Vorgeschichten gut kennt und so genauer priorisieren kann. Man kann aber nicht alles auf die Praxen verlagern, sie stellen nur eine Ergänzung zu den Zentren dar. Dort ist es auch einfacher ganze Gruppen, wie beispielsweise Feuerwehren zu impfen. Auf jeden Fall sind Impfzentren und Praxen beides wichtige Teile der Lösung dieser Pandemie.