Brilon. Der reibungslose Ablauf im Olsberger Impfzentrum ist eine logistische Herausforderung. Wie so ein Tag abläuft, erklärt der Leiter Marc Heines.

Auf die Uhr schaut er schon lange nicht mehr. Denn ein geregelter Dienst ist an der Stelle nicht möglich. Die Arbeit sei wichtig, erfülle einen höheren Zweck, sei zeitlich befristet und erfordere daher jede Menge Einsatzbereitschaft und Flexibilität. All das bringt Marc Heines mit. Eigentlich ist der 47-Jährige gelernter Diplom-Vermessungsingenieur aus Brilon beim Hochsauerlandkreis im Bereich E-Government tätig. Seit Jahresbeginn leitet er aber das Corona-Impfzentrum des HSK in der Olsberger Konzerthalle. Über seine Arbeit und den Ablauf erzählt er im WP-Interview:

Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um ein Impfzentrum zu leiten und was hat Sie dazu bewogen, diese Aufgabe zu übernehmen?

Marc Heines: Ich bin von meinem Vorgesetzten darauf angesprochen worden. Projektarbeit habe ich eigentlich schon immer gemacht – nur eben in anderen Bereichen. Wir haben eigens für die Errichtung des Impfzentrums eine dreiköpfige Projektgruppe gebildet, der ich vorstehe. Und dann ist der Aufbau fließend in den Betrieb übergegangen. Binnen drei Wochen musste das Zentrum stehen; nach und nach ging es los.

Worin genau besteht Ihre Arbeit? Sind das vornehmlich administrative Aufgaben?

Um es ganz einfach zu sagen: Ich bin dafür zuständig, dass das Impfzentrum funktioniert. Das Ganze besteht aus zig einzelnen Schritten, die gebündelt werden mussten und müssen. Es gibt verschiedene Beteiligte wie die Kassenärztliche Vereinigung, Leitende Ärzte, Leitende medizinische Fachangestellte, Apotheker, Pharmazeutisch-Technische Assistenten, Haustechnik, Sicherheitsdienst, Technik allgemein. Es müssen Dienstpläne geschrieben werden. Wir halten Kontakt zum Ministerium, zur Bezirksregierung, zur Polizei. All diese Fäden müssen miteinander verknüpft werden. Hinzu kommen die eigenen Mitarbeiter. Wir haben insgesamt 45 Personen pro Schicht, die zum Betriebspersonal zählen. Da wir in zwei Schichten arbeiten, kommen wir auf 100 Leute täglich.

Marc Heines, Leiter des Impfzentrums.
Marc Heines, Leiter des Impfzentrums. © wp | HSK

War es schwierig, ausreichend viele Mitarbeiter/innen zu finden und aus welchen Berufsgruppen kommen die Menschen?

Für den gesamten medizinische Bereich ist die Kassenärztliche Vereinigung zuständig. Die Organisation der Impfstoffaufbereitung macht die Pharmazie, also die Apotheker. Die Mitarbeiter, die den Eingangs-Check-In machen, die die Bögen ausfüllen und kontrollieren, die haben wir nach einer Ausschreibung eingestellt. Ein Verwaltungshintergrund oder ein kaufmännischer Background sind hilfreich. Es haben sich einige aus dem Tourismusbereich und aus der Gastronomie beworben: Das sind alles Mitarbeiter, die einen kurzfristigen Vertrag haben. Es ist klar, dass das Impfzentrum irgendwann wieder schließt. Viele Menschen aus Gastronomie und Tourismus nutzen daher diese Übergangszeit. Mit den Mitarbeitern haben wir sehr viel Glück gehabt. Die Leute sind den Umgang mit Menschen gewohnt und das merkt man auch in der freundlichen Ansprache – das wird uns immer wieder bestätigt. Unsere Vorgabe war: Wer hier arbeitet, muss Kontakt zu Menschen mögen.

Viele ältere Menschen sind aufgeregt, wenn sie zum Impfen müssen. Kann man ihnen diese Scheu nehmen?

Das geht nur durch Freundlichkeit und Offenheit. Gerade zu Beginn hatten wir es mit einer Klientel zu tun, die alt ist, die aufgeregt ist, für die es mit Terminplanung ein langer Weg war, bevor sie überhaupt hier ankam. Dieser psychische Druck ist groß, den müssen wir rausnehmen. Wir müssen da Ruhe reinbringen und dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Geschwindigkeit durchs Impfzentrum gehen können. Unsere Leute machen das alle super.

Wie lange laufen die Verträge?

Zunächst sind die Verträge bis Ende Juli abgeschlossen, so ist es vom Land vorgegeben. Und dann müssen wir schauen. Wir haben überhaupt kein Gefühl dafür, wie lange das Impfzentrum in Betrieb sein wird. Aus Berlin heißt es, dass jeder bis zum Spätsommer ein Impfangebot erhalten soll. Da weiß ich nicht, ob damit Erst- und Zweitimpfung gemeint sind. Wenn man die Zweitimpfung addiert, sind wir schon im Herbst. Vielleicht übernehmen die Zweit-Impfung aber auch die Hausärzte – all das wissen wir nicht.

Für wie viele Leute ist das Impfzentrum ausgelegt? Wie viele können sie maximal pro Tag impfen?

Wenn ausreichend Impfstoff da wäre, sind wir für 1200 Impfungen pro Tag ausgelegt. 1100 am Tag haben wir auch schon geschafft, währen der Astrazeneca-Aktion für die Über-60-Jährigen. Dafür gibt es fünf sogenannte Impfstraße, die parallel laufen können.

Steckbrief

Name: Marc Heines

Alter: 47

Familienstand: verheiratet, zwei Kinder

Beruf: Dipl. Ingenieur, E-Government-Koordinator beim HSK

Hobbys: stellv.. Löschzugführer bei der Briloner Feuerwehr, liebt alles, was draußen ist, Wandern , Mountainbikefahren

Was ist für Sie und Ihre Mitarbeiter die größte Herausforderung im Alltag?

Die größte Herausforderung besteht darin, dass es so viele schnelle Änderungen gibt. Man kann kaum langfristig planen. Diese Änderungen sind teilweise rechtlicher Art. Dann ist der Impfstoff knapp oder es gilt ein Stopp. Die Strategie-Änderungen so schnell umzusetzen und zu kommunizieren – das ist wirklich eine Herausforderung. Durch die verschiedenen Prioritäten ist das Ganze sehr komplex geworden und kaum noch verständlich. Selbst wir haben damit manchmal Schwierigkeiten zu verstehen, was eigentlich gemeint ist.

Wie sieht es mit Wartezeiten aus?

Am ersten Tag, als die Über-60-Jährigen mit geimpft wurden, als wir 1100 Termine hatten, waren die Wartezeiten höher. Aber dann haben meine Kollegen und ich uns angeschaut, wo sind die Zeitfresser. Und dann haben wir die umgestellt und dann lief es auch am nächsten Tag viel besser. Man muss wachsam sein und Probleme erkennen und schnell beheben. Dass beim Ablauf der Impfstraße die Akten mehrfach in die Hand genommen und kontrolliert werden, entzieht sich unserer Einflussnahme. Das nochmalige Kopieren und Einscannen – das sind Vorgaben, denen wir nachkommen müssen.

Vervollständigen Sie folgende Sätze

Gesundheit bedeutet für mich… Freiheit. Denn wenn man krank ist, bedeutet das häufig große Einschränkungen.

Wenn die Corona-Pandemie vorbei ist, werde ich mit Freunden in die Kneipe gehen und dort ein frisch gezapftes Pils trinken.

So richtig überrascht war ich zuletzt, als der Anruf kam, dass ich ein Impfzentrum einrichten musste und dass es am nächsten Tag losging.

Meine Freunde sagen von mir… dass ich ehrlich und verlässlich bin.

Hat es schon mal irgendwelche Vorkommnisse geben – gab es Menschen, die sich vordrängeln wollten und die nicht impfberechtigt waren?

Es kommt schon mal vor, dass jemand seinen Personalausweis nicht dabei hat. Aber das ist nicht das Problem. Uns ist es wichtig, dass der Patient glaubhaft seine Identität bestätigen kann. Das geht auch zur Not mit der Versichertenkarte. Wir handhaben das sehr pragmatisch. Was uns Probleme macht, sind Leute ohne Termin. Leute, die einfach ins Impfzentrum kommen und der Ansicht sind: Ich komme schon irgendwie dran. Solche Leute, die dann manchmal auch etwas massiver auftreten, bereiten uns schon Arbeit. Aber: Termin und Impfstoff sind nun mal aufeinander abgestimmt.

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Sprechen wir da von Einzelfällen oder wie oft kommt das vor?

Das sind durchaus fünf bis zehn Fälle pro Tag. Manchmal bewusst, manchmal auch aus Unkenntnis. Als es jetzt um die Impfung von Lebenspartnern ging, hatten wir das häufig. Die Partner waren dann zwar theoretisch berechtigt, hatten aber keinen Termin. Ende des Monats müssten die über 80-Jährigen mit dem Ersttermin durch sein und bei den Neubuchungen kann das inzwischen berücksichtigt werden. Es gibt aber auch die, die einfach kommen, die von sich behaupten, sie seien systemrelevant, die sich selbst quasi selbst eine Berechtigung geben. Und das sind schon fünf bis zehn pro Tag.

Wie verhalten sich die Impfkandidaten in der Regel?

Die, die einen Termin haben, sind alle sehr dankbar. Die, die wir aktiv abweisen, reagieren schon mit Unverständnis. Zwischen Kopfschütteln und lautstarkem Schimpfen haben wir schon alles erlebt. Es gibt auch Menschen, die persönlich enttäuscht sind und dann fließen auch schon mal Tränen. Aber daran können wir nichts machen. Um es noch mal ganz deutlich zu sagen: Jeder Termin bedeutet auch eine Spritze und kein Termin, keine Impfung.

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Hat der Sicherheitsdienst schon mal eingreifen müssen?

Wenn wir mit gutem Zureden nicht weitergekommen sind, musste der Sicherheitsdienst schon mal eingreifen – aber alles war dann trotzdem noch friedlich. Es ist noch nie körperlich geworden. Mal lautstark, aber nie handgreiflich. Es sind natürlich manchmal auch emotionale Momente, wo wir Menschen mit Vorerkrankung, aber ohne Termin abweisen müssen. Das ist etwas anderes, als wenn da jemand steht, der kerngesund ist und sagt: Ich will aber! Da fehlt dann auch mir jedes Verständnis.

Gibt es Personen, die bei Ihnen vor Ort noch verhandeln und einen anderen Impfstoff bekommen möchten?

Ja, das gab es auch schon. In der Regel wissen die Leute aber vorher, welchen Impfstoff sie bekommen. Manche sind auch wieder gegangen. Momentan haben wir kein Astrazeneca. Die Aktion ist erstmal ausgelaufen. Aber diese Vorschriften machen wir ja nicht.

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Gibt es Abende, an denen noch Impfstoff übrig geblieben ist?

Es kommt immer wieder vor, dass Leute ihren Termin nicht wahrnehmen. Aus einer Flasche werden immer sechs Impfdosen gezogen. Wenn am Ende des Tages nur noch einer kommt, müssen an dem Tag auch alle sechs verimpft werden; die sind nur ein paar Stunden haltbar. Sonst müssten wir die wegwerfen. Und das machen wir nie. Bei uns wird jede Spritze verimpft Dadurch dass wir weniger Impfdosen bekommen, als es Impfberechtigte gibt, haben wir eine Registrierungsdatenbank , wo sich diese Berechtigten registrieren können. In der Regel braucht man dafür ein Attest des Arztes. Das Angebot wird rege genutzt. Das ist ein Formular auf unserer Homepage, wo man erklärt, warum man berechtigt ist und seine Daten hinterlässt. Aus dieser Datenbank rufen wir die Leute an, wenn kurzfristig Termine oder eben Spritzen frei sind. Wir halten das Zentrum so lange auf, bis die letzte Spritze verimpft ist. Wir haben auch schon um 22 Uhr nach geimpft.